Google Street View

Zurück auf die Straße

„Google Street View“ startet in Deutschland noch 2010 und sorgt für Zündstoff. Juristen diskutieren schon lange, wie man im Internetzeitalter den Datenschutz gewährleisten kann. Jetzt hat auch die Regierung gehandelt – und einen Gesetzentwurf vorgelegt. Google fotografiert unterdessen munter Straßen und Häuser. Denn Gold findet man bekanntlich im Dreck, und Straßen sind aus Dreck gebaut.

Google Street View soll ab Ende des Jahres zunächst für folgende Städte verfügbar sein: Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn, Bremen, Dortmund, Dresden, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Mannheim, München, Nürnberg, Stuttgart und Wuppertal. Weitere deutsche Städte und Dörfer sollen später folgen.

Das Recht am eigenen Bild

In Deutschland kann jeder Mensch selbst darüber bestimmen, ob und in welchem Zusammenhang Bilder von ihm veröffentlicht werden. Dieses sogenannte Recht am eigenen Bild, das auch Fotografien umfasst, ist eine Ausprägung des verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Google wird daher von vornherein die auf den Street View-Aufnahmen abgebildeten Personen unkenntlich machen müssen. Auch Autokennzeichen werden aus datenschutzrechtlichen Gründen überpixelt.

Ein dem Recht am eigenen Bild vergleichbares „Persönlichkeits“-Recht für Gebäude und Liegenschaften existiert nicht. Das heißt jedoch nicht, dass öffentliche Abbildungen privater Häuser und Grundstücke ohne weitere Einschränkungen zulässig sind. Die von Google gemachten Street Views fallen nämlich in die Kategorie der Geodaten. Darunter versteht man digitale Informationen, denen auf der Erdoberfläche eine bestimmte räumliche Lage zugewiesen werden kann, wie etwa auch Satelliten- und Luftbildaufnahmen. Juristen debattieren seit geraumer Zeit darüber, unter welchen Voraussetzungen Geodaten unter die personenbezogene Daten fallen, auf die die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes angewendet werden. Einigkeit besteht darin, dass reine Sachdaten, wie die geografische Lage eines Ortes oder Stadtteils auf einer Luftbildaufnahme, datenschutzrechtlich nicht relevant sind. Über die Kriterien, unter denen aus einem Sachdatum ein personenbezogenes Datum wird, zum Beispiel Zahnarzt Dr. X wohnt im gutbürgerlichen Stadtteil Y, wird hingegen trefflich gestritten.

Lex Google gekippt

Die Politik hat diese in Fachkreisen seit geraumer Zeit geführte Diskussion lange verfolgt, ohne konkreten Handlungsbedarf zu sehen. Nachdem Google in der Sommerpause die Inbetriebnahme von Street View für Deutschland zum Jahresende ankündigte, ging es auf einmal schnell. Die Bundesregierung – allen voran Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) – kündigte an, einen Gesetzentwurf zum Umgang mit Internet-Geodiensten wie Google Street View zu erarbeiten. Mit dem inzwischen vorgelegten Entwurf vom 11. August 2010 sollen durch eine Ergänzung des Bundesdatenschutzgesetzes die Kriterien für die Erfassung und Verarbeitung personenbezogener Daten festgelegt werden, sofern jene öffentlich im Netz zusammen mit Film- und Fotoaufnahmen von Gebäuden, Straßen und Plätzen stehen. Eine explizite „Lex Google“ sei dies nach Auffassung der Regierung freilich nicht.

Begrüßenswert an dieser Ankündigung ist, dass hiermit bald Rechtssicherheit zu Fragen des Datenschutzes in Bezug auf im Internet veröffentlichte Street View-, Satelliten- und Luftbildaufnahmen geschaffen wird. Unabhängig davon ist eine grundlegende Reform des deutschen Datenschutzrechts längst überfällig und im Koalitionsvertrag vereinbart. Zu diesem von Datenschützern und Bürgerrechtsvereinigungen seit langem geforderten Schritt konnten sich aber weder die letzte SPD-geführte noch die Große Koalition durchringen. Öffentliche Skandale wie die heimliche Durchleuchtung der Vermögensverhältnisse der Arbeitnehmer des Discounters KiK sowie von Angestellten der Telekom und der Deutschen Bahn führten zwar zu dem ebenfalls seit langem geforderten Entwurf eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes, der am 25. August 2010 veröffentlicht wurde, nicht jedoch zu der längst überfälligen Modernisierung und Anpassung des Bundesdatenschutzgesetzes an die Bedürfnisse des Internetzeitalters.

Unabhängig von der persönlichen Einstellung jedes Einzelnen zu Google Street View könnte der Dienst der Öffentlichkeit noch vor seiner Inbetriebnahme einen ersten Nutzen erweisen: als Katalysator einer längst überfälligen Reform des Datenschutzrechts.

Widerspruch mit Tücken

Auf Drängen von Verbraucher- und Datenschützern hat Google ein Vorab-Widerspruchsverfahren eingeführt, mit dem es Betroffenen vor der offiziellen Inbetriebnahme von Street View ermöglicht werden soll, Gebäude unkenntlich machen zu lassen. Pikanterweise funktionierte der von Google bevorzugte Weg eines Online-Widerspruchs zu Beginn des Verfahrens für Standardbrowser wie den Microsoft Internet-Explorer aber gar nicht. Die anfänglichen technischen Schwierigkeiten sind inzwischen behoben worden. Vordrucke für einen schriftlichen Musterwiderspruch können bei Verbraucherschutzorganisationen, Datenschutzbehörden sowie beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz angefordert werden.

• Welche Gebäudearten fallen unter die Widerspruchslösung? Google entfernt lediglich privat genutzte Häuser. Für Gebäude im Eigentum der Öffentlichen Hand und von juristischen Personen wie Firmen und Verbänden besteht keine Löschungsmöglichkeit.

• Und wer ist widerspruchsberechtigt? Sowohl Eigentümer als auch Mieter eines Gebäudes. Akzeptiert werden auch Sammelwidersprüche von Städten und Gemeinden mit den Unterschriften von Bürgern. Sofern ein Widerspruch für ein Gebäude mit mehreren Parteien vorliegt, wird Google das gesamte Haus unkenntlich machen und beruft sich hierbei auf eine Forderung der Datenschutzbehörden. Im Falle widerstreitender Ansichten der Eigentümergemeinschaft, beziehungsweise zwischen Eigentümern und Mietern oder der Mieter untereinander ist hier möglicherweise Streit programmiert.

Bislang hatte Google den Betroffenen eine Frist bis zum 15. September 2010 zur Einreichung ihres Vorab-Widerspruchs eingeräumt, um Bilder ihrer Häuser und Wohnungen auf Street View entfernen zu lassen. Diese Frist wurde unter öffentlichem Druck bis zum 15. Oktober verlängert. Betroffene sollen aber auch nach dem Start von Street View die Möglichkeit erhalten, das Bild ihres Hauses oder Grundstücks entfernen zu lassen. Im Falle eines Widerspruchs sollte man auf die Bestätigung seines Eingangs bei Google achten.

Ass. jur. Sven Tschoepe, LL.M.BundeszahnärztekammerChausseestr. 1310115 Berlin

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