Parodontologie

Klinische Häufigkeit der Sondierungsblutung

Ziel der Studie war, die Häufigkeit der Sondierungsblutung innerhalb einer Patientengruppe zu erfassen. Dabei wurden beeinflussende patientenspezifische Faktoren berücksichtigt.

Unter Sondierungsblutung versteht man das Auftreten einer Blutung aus dem gingivalen Sulcus oder einer parodontalen Tasche nach mechanischer Stimulation durch eine PWHOSonde (Hu-Friedy). Die Sondierungsblutung wird häufig auch als „bleeding on probing“ (BOP) beschrieben und gilt heute als frühestes klinisches Zeichen einer marginalen Entzündung. Somit gehört die Sondierungsblutung zu den wichtigsten klinischen Parametern zur Diagnostik einer parodontalen Entzündung. Gleichermaßen wird die Sondierungsblutung mit Veränderungen im histologischen Bereich assoziiert. Demgegenüber sprechen sondierungsblutungsfreie Taschen für einen stabilen entzündungsfreien Zustand.

Neben dem ersten klinischen Zeichen einer Entzündung stellt die Sondierungsblutung auch einen wichtigen Parameter zur Risikobeurteilung von Parodontalerkrankungen dar. Patienten mit einem BOP von 20 Prozent bezogen auf die gesamte Bezahnung haben ein geringeres Risiko für voranschreitende parodontale Destruktion. Es gibt einige lokale wie auch systemische Faktoren, die das klinische Bild beziehungsweise die Ausprägung des entzündeten Parodonts beeinflussen. Gleiches lässt sich für die Sondierungsblutung erkennen. Es können patientenbezogene, individuelle Unterschiede der Sondierungsblutung festgestellt werden, die nicht ausschließlich durch die Anwesenheit von supragingivaler Plaque begründet werden. Ein deutlicher Einfluss lokaler und patientenspezifischer Faktoren auf die Empfindlichkeit des Parodonts lässt sich beschreiben.

Auf Basis dieser Gegebenheiten wurde ein Studiendesign entworfen mit dem Ziel, die Häufigkeit der Sondierungsblutung in einer großen Kohorte von Patienten zu erfassen. Außerdem wurden Daten zur intraoralen Verteilung der Sondierungs-blutung erfasst. Ein weiteres Ziel war, den Einfluss von patientenspezifischen Faktoren, wie Alter, Geschlecht, Diabetes, Rauchen und das Vorhandensein von parodontalen Taschen, bezogen auf eine individuelle Variabilität der Sondierungsblutung, zu untersuchen. Abhängig vom Auftreten der Sondierungsblutung wurden schließlich zwei Subpopulationen von Patienten gebildet, die miteinander verglichen wurden.

In der Zeit von 1996 bis 2006 wurden an der Universität Ferrara 601 Patienten untersucht (212 Männer, 389 Frauen). Die Studienteilnehmer waren 18 Jahre oder älter und wiesen unterschiedliche Ausprägungsformen der Erkrankung auf (Gingivitis, chronische Parodontitis, aggressive Parodontitis). Insgesamt wurden 90 881 Flächen erfasst. Davon waren 1 921 Flächen aus anatomischen, pathologischen und iatrogenen Gründen nicht verwertbar.

Patienten mit folgenden Eigenschaften wurden aus der Studie ausgeschlossen:

1.Patienten mit parodontaler Therapie sechs Monate zuvor oder innerhalb der letzten sechs Monate

2.Patienten in Schwangerschaft oder Stillzeit

3.Patienten mit weniger als 15 Zähnen

4.Patienten mit Zahnimplantaten

5.Patienten in KFO-Therapie

6.Patienten mit genetischen Erkrankungen (Down-Syndrom)

7.Patienten mit erworbener Immunschwäche

8.Patienten mit Bluterkrankungen

9.Patienten mit Mangel an polymorphnuklearen Zellen, Monozyten

10.Patienten mit psychischen Erkrankungen, die die Mundhygienefähigkeit negativ beeinflussen

11.Patienten unter Antikoagulationstherapie

12.Patienten mit Einnahme von Medikamenten, die zu einer Gingivahyperplasie führen

Die Sondierungsblutung wurde aufgezeichnet, während die Taschentiefe gemessen wurde. Die Taschentiefe wurde definiert als Abstand zwischen dem Gingivarand bis zum Boden der Tasche. Die Tiefenmessung wurde an sechs Stellen jedes Zahnes (mesiobukkal, distobukkal, mesiolingual, distolingual und jeweils zwischen den lingualen und bukkalen Messpunkten) mit einer PCP 12. (Hu-Friedy) durchgeführt. Dabei wurde eine Kraft von etwa 0,2 Newton angewendet. Die Messung wurde von erfahrenen Zahnärzten durchgeführt. Die erhobenen Daten wurden tabellarisch zusammengefasst und anschließend ausgewertet. Für jeden Patienten wurden folgende BOP-positiven Flächen zusammengefasst: BOPTotal(Anzahl aller gemessenen Flächen), BOP-Maxilla(Flächen des Oberkiefers), BOP-Mandibular(Flächen des Unterkiefers), BOP-posterior(Flächen der Molaren und Prämolaren), BOP-anterior(Flächen der Eck- und Schneidezähne), BOP-approximal(mesiale und distale Flächen), BOP-oralund bukkal (bukkale und orale Flächen), BOP-PPD 4 mm(Taschen mit weniger als/gleich vier Millimetern), BOP-PPD 5(Taschen mit mehr als/gleich fünf Millimetern). Die gesammelten Daten wurden anschließend statistisch ausgewertet. Um interspezifische Unterschiede innerhalb aller gemessenen Flächen festzulegen, wurden folgende Einflussfaktoren berücksichtigt: Geschlecht und Alter der Patienten, Raucherstatus (Raucher, Nichtraucher, ehemaliger Raucher), Zigarettenkonsum am Tag, diabetische Grunderkrankung, Anzahl der Zähne im Mund und Taschentiefen von größer/gleich fünf Millimetern beziehungsweise weniger/gleich vier Millimetern.

99 Prozent aller Teilnehmer hatten zumindest eine BOP-positiveFläche. Die Autoren konnten einen Zusammenhang zwischen der Sondierungsblutungshäufigkeit und dem Alter feststellen. Die Anzahl der BOP-positivenFlächen, beginnend bei einem Alter von 20 Jahren, stieg stetig bis zum Alter von 59 Jahren an. In der Gruppe der über 60-Jährigen konnte kein signifikanter Unterschied mehr festgestellt werden. Die Entzündungsaktivität steigt mit dem Alter an. Es kommt zu einer verstärkten Zirkulation von proinflammatorischen Zytokinen; gleichermaßen kommt es zu einer dysregulierten Zytokinantwort, die wiederum die Bakterienabwehr negativ beeinflusst. Letztendlich wird der Entzündungsverlauf verstärkt. Die Häufigkeit der Sondierungsblutung korrelierte ebenso signifikant mit der Anzahl der Taschen beziehungsweise mit der Anzahl der Flächen mit größer als fünf Millimeter Taschentiefe. So ist die Sondierungsblutung bei Patienten mit einer Taschentiefe von über fünf Millimetern bezogen auf fünf Flächen geringer als bei Patienten bezogen auf über 36 Flächen. Es konnte kein signifikanter Unterschied der Sondierungsblutungshäufigkeit zwischen Rauchern und Nichtrauchern festgestellt werden. Ergänzend hatte die Anzahl der gerauchten Zigaretten keinen Einfluss. Das Geschlecht wie auch eine mögliche diabetische Grunderkrankung hatten ebenso keinen signifikanten Einfluss auf die Häufigkeit der Sondierungsblutung. Bezüglich der intraoralen Verteilung der Sondierungsblutung konnte festgestellt werden, dass diese im Unterkiefer signifikant häufiger vorkam als im Oberkiefer. Zudem konnte beobachtet werden, dass die Sondierungsblutung an den posterioren Flächen der Zähne häufiger vorkommt als an den anterioren. Approximal verhält sich die Verteilung ähnlich: Dort blutet es deutlich häufiger als an den oralen beziehungsweise bukkalen Flächen. Darüber hinaus konnte man beobachten, dass Taschen über fünf Millimeter Tiefe deutlich häufiger bluten als Taschen mit weniger als vier Millimetern. Die verstärkte Blutungshäufigkeit bei Taschentiefen über fünf Millimeter lässt sich als Konsequenz einer erhöhten bakteriellen Persistenz und Aktivität erklären. Tiefe Taschen sind mit einer höheren Anzahl an Bakterien vergesellschaftet, die Bakterienanzahl überschreitet jene aus der subgingivalen Plaque.

Letztlich wurden über die Häufigkeit der Sondierungsblutung zwei Subgruppen gebildet. So kann man von einer Patientengruppe mit geringer Sondierungsblutung sprechen (n = 151, 51 Männer und 100 Frauen) und von einer Patientengruppe mit häufiger Sondierungsblutung (n = 153, 51 Männer und 102 Frauen). Diese Patientengruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich Geschlecht, Raucherstatus, Anzahl der Zigaretten am Tag, diabetischer Grunderkrankung, Alter und Anzahl der Zähne; auch bei der Anzahl der Flächen mit mehr/ gleich fünf Millimetern Taschentiefe wurden keine Unterschiede festgestellt. Festzuhalten war allerdings, dass Patienten mit geringerer Sondierungsblutungshäufigkeit eine höhere Taschenanzahl von weniger/gleich vier Millimetern Tiefe aufwiesen. Abschließend ist auf die Bedeutung der Sondierungsblutung hinsichtlich ihres diagnostischen Potenzials hinzuweisen.

Quelle: Farina R, Scapoli C,Carrieri A, Guarnelli ME, TrombelliL: Prevalence of bleeding on probing:a cohort study in a specialistperiodontal clinic. QuintessenceInt 2011; 42(1): 57-68.

ZA Dr. med. dent. Lukas TrevenCharité-Universitätsmedizin BerlinCharitéCentrum 3 für Zahn-,Mund- und KieferheilkundeAbteilung für Zahnerhaltungskundeund ParodontologieAßmannshauser Str. 4-614197 Berlinlukas.treven@charite.de

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