Rückblick zum 50. Geburtsjahr des Lasers
Im Jahr 1960 gelang es Theodore Maiman mit seinem Assistenten Charles Asawa den ersten (Rubin-)Laser zu bauen. Schon zu dieser Zeit interessierten sich Ärzte für die neue Technologie. Als erste nutzten Augenärzte das „Lichtwunder“ für therapeutische Anwendungen. Heute ist die Lasertechnologie in vielen medizinischen Disziplinen für diagnostische und therapeutische Anwendungen bereits Standard geworden. In der Zahnmedizin konnten sich erste klinischrelevante Anwendungen erst Anfang der 1990er-Jahre etablieren. Seit dieser Zeit jedoch setzte eine stürmische Entwicklung in Wissenschaft und Praxis ein, die bis heute anhält. Zu Beginn dieser Entwicklung waren Lasersysteme teuer, unhandlich und anfällig. Dies hat sich in den letzten 20 Jahren erheblich geändert. Zudem wurden Laser-Therapiesysteme an die spezifischen zahnärztlichen Anforderungen angepasst. Vor 20 Jahren war noch wenig über die Wirkung von Laserstrahlen in der Mundhöhle bekannt. Die Zahl von rund 5 000 wissenschaftlichen Publikationen in anerkannten zahnmedizinischen Fachzeitschriften (1990 bis 2010: 4 989 [PubMed]) zeigt jedoch, dass zwischenzeitlich evidenzbasiertes Wissen aufgebaut werden konnte.
Ein wahres Multitalent
Eine Reihe von klinischen Anwendungen – zum Beispiel in Diagnostik, Kariestherapie, Parodontologie und Chirurgie – sind mittlerweile anerkannt. Ein Problem bei dieser positiven Entwicklung stellt immer noch die unzureichende Ausbildung von Laseranwendern dar, die unter Umständen zu Fehlverhalten führt, was die Lasertechnologie zum Teil auch heute noch in Misskredit bringt. Da wissenschaftliche Tagungen mit größter Zeitnähe den Status quo und die Entwicklungstendenzen widerspiegeln, soll im Weiteren über einige wichtige Kongresse zum Thema „Laser“ im Jahre 2010 berichtet werden.
Eines der weltweit umfassendsten Meetings zum Laser ist die SPIE Photonics West/BiOS, die im Januar 2010 in San Francisco stattfand. An dieser jährlich stattfindenden Laserkonferenz und -ausstellung – einschließlich eines biologisch-medizinischen Schwerpunkts – nahmen mehr als 18 000 Teilnehmer und rund 1 100 Aussteller teil. Alle wesentlichen Entwicklungen auf dem Gebiet der optischen Technologien und biologischen beziehungsweise medizinischen Anwendungen werden durch diese Veranstaltung abgedeckt. Ein Großteil der präsentierten Arbeiten mit medizinischem Hintergrund beschäftigte sich mit Diagnostik und Bildgebung. Hierzu zählt zum Beispiel die optische Kohärenztomographie (OCT) in ihren verschiedenen Varianten. In vielen medizinischen Disziplinen geht man von einem enormen Entwicklungspotential lichtbasierter Technologien bei diagnostischen Fragestellungen aus. So ist es mit diesen Techniken prinzipiell möglich, bis auf die zelluläre Ebene nicht-invasiv Gewebe zu analysieren. Die rasche technische Weiterentwicklung der hierzu eingesetzten Sensorsysteme wird lichtbasierte Bildgebungssysteme in naher Zukunft für die klinische Anwendung in vielen medizinischen Fachbereichen einschließlich der Zahnheilkunde verfügbar machen. In Bezug auf therapeutische Anwendungen zeigt sich ein Trend hin zu Chip-basierten Lasersystemen (Diodenlaser). In naher Zukunft wird es möglich sein, technisch aufwendige Gas- und Festkörperlaser (wie Nd:YAG-Laser oder Er:YAG-Laser) durch leistungsstarke Chip-basierte Systeme zu ersetzen. Diese Halbleiter-Laser können inzwischen sogar bis in den Nano-sekundenbereich (Kurzpulse) getaktet werden. Durch den Einsatz von Chiplasern werden diese Therapiesysteme noch wesentlich kompakter gebaut werden können und preiswerter zur Verfügung stehen.
Laser-Events richten den Blick in die Zukunft
Als Kontrapunkt zu dieser internationalen Konferenz ist eine Veranstaltung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 22.03. bis zum 23.03.2010 in Berlin anlässlich 50 Jahre Laser zu sehen. Die Photonik gehört zu den zentralen Schlüsseltechnologien der Zukunft in Deutschland. Daher soll im Rahmen des Strategieprozesses „Photonik 2020“ die Weiterentwicklung der Lasertechnologie in Deutschland mit Programmen in Milliardenhöhe gefördert werden. Zur Ausarbeitung entsprechender Programme trafen sich 300 führende Pho-tonik-Experten, um in fünf Workshops mit insgesamt 15 Arbeitsgruppen gemeinsam nach Zukunftsstrategien zur Erschließung des „Rohstoffs Licht“ zu suchen. Im Forum „Life Science und Gesundheit“ war auch die Zahnheilkunde durch Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft in der Arbeitsgruppe „Therapie und Medizinprodukte“ vertreten. Über alle (zahn-)medizinischen Disziplinen hinweg wurde die Verschmelzung von Dia-gnose und Therapie als wichtigstes Forschungs- und Entwicklungsfeld im Bereich biophotonischer Therapieverfahren identi-fiziert. Optische Verfahren bieten hervorragende Möglichkeiten für die Verknüpfung von In-situ-Diagnostik- und –Therapieverfahren (sogenannte Theragnostik). Die Kombination der optischen Biopsie beziehungsweise Gewebedifferenzierung mit minimal-invasiven (endoskopischen) chirurgischen Techniken soll zu einer signifikanten Verringerung von Nebenwirkungen und Risiken führen (weniger Eingriffe, Gewebeschonung, kürzere OP-Zeiten). Eine immer älter werdende Gesellschaft mit immer mehr chronisch kranken und multimorbiden Patienten macht solche Innovationen zwingend erforderlich. Durch koordinierte, um fangreiche Fördermaßnahmen insbesondere jenseits der Grundlagenforschung, die in Deutschland bezüglich dieser Thematik bereits sehr gut ausgewiesen ist, sowie durch Bürokratieabbau soll die Markteintritts-Barriere für neue photonische Medizinprodukte erheblich gesenkt werden.
Ein weiteres Tagungs-Highlight im Jahr 2010 war die Tagung der World Federation for Laser Dentistry (WFLD) in Dubai vom 09.03. bis zum 11.03.2010. Die WFLD-Tagung ist die größte, alle zwei Jahre stattfindende Konferenz und Ausstellung zu Laseranwendungen in der Zahnheilkunde. Alle wesentlichen neuen Entwicklungen werden im Rahmen dieser Veranstaltungs-serie vorgestellt. Die Tagung wurde 2010 in Zusammenarbeit mit der AEEDC mit insgesamt 12 000 Besuchern durchgeführt. Im Rahmen der wissenschaftlichen Konferenz der WFLD wurden rund 150 Vorträge sowie 80 Poster zu allen Anwendungsfeldern (laser-)optischer Technologien präsentiert. Einen Schwerpunkt im Programm stellte die Anwendung von sogenannten 3-µm-Lasern (Er:YAG- beziehungsweise Cr:YSSG-Lasern) in vielen zahnmedizinischen Fachdisziplinen dar. Durch Modulation der Pulscharakte- ristik hat sich das Anwendungsfeld dieser Infrarot-Laser erweitert, so dass Anwendungen in Kariestherapie, Knochen- und oraler Weichgewebe-Chirurgie möglich sind. Anhand dieser Beiträge wurde allerdings auch deutlich, dass Laser nicht mehr wie in früherer Zeit als Monotherapiesysteme im Sinne einer „Laserzahnheilkunde“ anzusehen sind, sondern dass Laserapplikationen in entsprechende Präventions- und Therapiestrategien zu integrieren sind. Dies bedeutet zum Beispiel für die Kariestherapie, dass der Gebrauch von Lasern und rotierenden Instrumenten sich nicht ausschließen, sondern sinnvoll ergänzen soll. Ein Beispiel für eine sinnvolle adjuvante Anwendung laseroptischer Technologien stellt auch die antimikrobielle photodynamische Therapie dar. In einer Reihe von In-vitro- und In-vivo- Studien konnte die Wirksamkeit dieser Anwendung zum Beispiel im Rahmen der antiinfektiösen Parodontitistherapie belegt werden. Die photodynamische Therapie kann die Notwendigkeit des Einsatzes von multiplen, heute als kritisch anzusehenden Antibiotikatherapien bei chronischen Erkrankungen der Mundhöhle (Parodontitis, Periimplantitis und endodontischen Infektionen) reduzieren, ohne dass bei dieser Laseranwendung bisher Nebenwirkungen bekannt geworden sind. Als Neuerung wurden im Rahmen dieses Kongresses zum ersten Mal in umfassender Art und Weise die Möglichkeiten der Ultrakurzpulslaser- Technologie vorgestellt. Mit dieser Lasertechnologie können alle Gewebe der Mundhöhle (Weich- und Hartgewebe) und auch Restorationsmaterialien wie Komposite oder Metalllegierungen bearbeitet werden. Durch Anwendung der Scanner-Technologie ist es mit dieser Technik erstmals möglich, gezielt Kavitätenformen zu präparieren.
Im vergangenen Jahr feierte nicht nur der Laser, sondern auch die Deutsche Gesellschaft für Laserzahnheilkunde e.V. (DGL) einen runden Geburtstag. Die DGL, seit 2005 mit der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) assoziiert, wurde 20 Jahre alt. Mit über 700 Mitgliedern ist sie zurzeit die größte und älteste europäische Gesellschaft dieser Art. Sie dient als wissenschaftliche Plattform für das Gebiet der Laserzahnmedizin. Niedergelassenen Kollegen wird die Gelegenheit geboten, sich über neue Entwicklungen und Möglichkeiten sowie über Grenzen des Einsatzes von Lasersystemen in der oralen Medizin zu informieren. Darüber hinaus bietet die Gesellschaft Laser-interessierten Kollegen Fortbildungsmöglichkeiten an. Mehr als 250 Teilnehmer besuchten die Veranstaltung im Hotel Palace/Berlin am 29./30.10.2010. Schwerpunkt dieser Jubiläumstagung waren Übersichtsreferate zum klinischen Lasereinsatz in den verschiedensten Disziplinen der Zahnheilkunde. Diese Referate reflektierten insbesondere für die langjährigen Mitglieder der Gesellschaft die historische Entwicklung in den jeweiligen Einsatzfeldern und die Evidenz der entsprechenden Applikationen zum heutigen Zeitpunkt. Deutlich wurde, dass es bis heute keinen Universallaser gibt, der breite Indikationsfelder alleine abdecken kann. Für die entsprechenden Einsatzfelder ist jeweils der „passende“ Lasertyp (CO 2 -, Er:YAG-, Nd:YAG- oder Diodenlaser) auszuwählen und mit geeigneten Laserparametern zu betreiben.
Abschließend soll der Deutsche Zahnärztetag im November 2010 in Frankfurt Erwähnung finden. Hier präsentierte die DGL unter dem Generalthema „(Laser-)Zahnmedizin kontrovers: Möglichkeiten und Grenzen von Laseranwendungen in der Praxis“ eine evidenzbasierte Übersicht zum Status quo insbesondere für die Kollegen, die keine Erfahrungen mit der Lasertechnologie haben. Mehr als 200 Zuhörer informierten sich beispielsweise zu den Fragestellungen, ob optische Detektionssysteme Röntgenbilder ersetzen können und wie eine Antibiose mit Laserlicht als Alternative zu Antibiotika und Desinfizentien einzuschätzen ist. Ebenfalls diskutiert wurde, ob und wann Lasersysteme konventionelle Präparationsinstrumente wie das Skalpell oder rotierende Instrumente ersetzen können. Darüber hinaus wurden implantologische und parodontologische Fragestellungen in Bezug auf mögliche Laseranwendungen vorgestellt. Ein wichtiges Resümee dieser Veranstaltung war für die DGL, dass von den Kollegen ein erheblicher Bedarf an qualifizierter Fortbildung in Bezug auf die Lasertechnologie gesehen wird. Neben dem bereits bestehenden Angebot der Fachgesellschaft ist eine Ausweitung der praxisbezogenen Fortbildungsprogramme insbesondere in Zusammenarbeit mit der DGZMK/APW in Planung.
Noch mehr Ausbildung am Lasergerät gefordert
Der Rückblick auf das vergangene Jahr zeigt, dass die Entwicklung optischer Technologien für die Zahnheilkunde auch weiterhin große Dynamik besitzen wird. Aus klinischer Sicht müssen Laseranwendungen viel stärker als bisher in bestehende Therapiekonzepte eingebunden werden. Und die Ausbildung auf diesem Gebiet muss dringend verbessert werden. Darüber hinaus muss durch technische Weiterentwicklungen versucht werden, die Vielzahl der unterschiedlichen, häufig auf wenige Indikationen begrenzten, spezialisierten Systeme durch „All-in-one-Systeme“ zu ersetzen. Eine Herausforderung für die Zukunft wird die Verknüpfung von In-situ-Diagnostik und Therapieverfahren (Theragnostik) sein, um neue Betreuungs- beziehungsweise Behandlungsdimensionen für unsere Patienten zu erschließen.
Univ.-Prof. Dr. med. dent. Matthias FrentzenZentrum für Zahn-, Mund- undKieferheilkunde der RheinischenFriedrich-Wilhelms-Universität BonnAG Laser in der ZahnheilkundeWelschnonnenstr. 1753111 Bonnfrentzen@uni-bonn.de