Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Renditedenken und der Drang zur Börse haben dazu geführt, dass das ehemalige Prestigeobjekt Deutsche Bahn wegen des Sparzwangs und ständiger Pannen in die Negativschlagzeilen rückte. Das Ergebnis: schlechter Service und erhebliche Vertrauensverluste bei der Kundschaft. In einem Essay der Financial Times Deutschland (13.2.2011) zog der Leiter des Horst-Görtz- Stiftungsinstituts am Berliner Universitäts - klinikum Charité, Paul Unschuld, dazu einen ganz treffenden Vergleich: „Ein Kollaps wie bei der Bahn steht auch einem anderen deutschen Vorzeigeprojekt bevor: dem Gesundheitswesen“. Die Medizin sei längst in den Renditestrudel geraten, der Arzt mutiere zum Dienstleister, zum Weisungsempfänger von Krankenkassen, Klinikdirektoren oder von Investoren.
Diskussionen, die auch die derzeitige GOZDebatte berühren. Das gilt besonders für die drohende Öffnungsklausel mit Selektiv - verträgen. Dahinter stecken – wie BZÄKPräsident Dr. Peter Engel in seinem Leit - artikel analysiert und wie auch die zm-Titelgeschichte belegt – Marktmachtbestrebungen der PKV. Sie will auf der Spielwiese der GKV als „Player“ im Gesundheitswesen mitmischen. Durch separate Vereinbarungen mit Zahnärzten will sie Mechanismen einführen, die auf Qualität, Menge und Preise von Leistungen Einfluss nehmen und das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis nachhaltig tangieren. Und das sehr zum Schaden der Patienten, wie die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP) jüngst wieder unterstrichen hat. Sie warnt vor einer Rationierung von Leistungen, vor der Einschränkung der freien Arztwahl, vor der Schließung von Zahnarzt - praxen und vor einer schlechteren Versorgung für die gesamte Bevölkerung.
Die Furcht vor wirtschaftlichen Auswirkungen von Sparzwängen auf die Qualität der Versorgung treibt auch die Ärzte um. Glaubt man beispielsweise dem großen MLP-Gesundheitsreport von 2010, so sind die Beeinträchtigungen zumindest im GKVBereich sogar längst Realität. Jeder zweite Arzt habe bereits aus Kostengründen auf eine medizinisch notwendige Behandlung verzichtet, heißt es dort.
Fest steht: Der Spartrend im Gesundheits - wesen wird sich angesichts der demografischen Entwicklung, des medizinischen Fortschritts und klammer Kassen weiter zu - spitzen und der politische Diskurs über den richtigen Einsatz von Möglichkeiten und Mitteln wird noch an Fahrt gewinnen. Der Erfolg von Lösungsansätzen ist aber auch daran zu messen, inwieweit ein intaktes Arzt- Patienten-Verhältnis und ethische Aspekte den Behandlungsprozess bestimmen. Oder inwieweit Kosten-Nutzen-Erwägungen und Renditedenken Überhand gewinnen.
Mit ihren Reformvorhaben wird die Politik in den kommenden Wochen und Monaten entscheidende Weichen stellen. Dabei ist zumindest eines sicher: Das Gesundheits - wesen geht nicht an die Börse!
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele PrchalaStellvertretende Chefredakteurin