Mehr Rechtssicherheit mit dem Fiskus

Durch Handschlag besiegelt

Heftarchiv Praxis
sg
Die Politik mit dem so genannten Handschlag-Verfahren hat sich zwischenzeitlich im Steuerwesen fest etabliert. Was viele Steuerzahler nicht wissen: Mit dem so genannten Handschlag hat jeder Steuerzahler die Möglichkeit, eine tatsächliche Verständigung vor dem Fiskus über die Steuerhöhe herbeizuführen.

Vielfach liegen Steuerzahler im Clinch mit ihrem Finanzamt. Gleichzeitig wird auch der Sachverhalt immer verfahrener. Genau für diese oftmals „ausweglosen“ Fälle sorgt ein „Antrag auf eine tatsächliche Verständigung“ für beide Seiten dafür, dass es letztlich doch noch zu einer akzeptablen Lösung des Problems kommt. Der „Handschlag mit dem Fiskus“ oder die „tatsächliche Verständigung“ dienen nämlich der Herstellung des Rechtsfriedens.

Das Verfahren selbst ist relativ einfach: Das Finanzamt vereinbart dabei meist auf Basis einer für die Behörde und für den Betrieb beziehungsweise für den Steuerzahler akzeptable Schätzung. Man stellt also gemeinsam fest, dass etwa bestimmte Umsätze erzielt oder geltend gemachte Betriebsausgaben oder Werbungskosten angefallen sind. Der hieraus entstehende Kompromiss ist dann für beide Seiten verbindlich. Zusätzlicher Vorteil: Im Gegensatz zu einer verbindlichen Auskunft, die ein Steuerzahler stellt, ist das Handschlag-Verfahren kostenlos.

Legalitätsprinzip kontra tatsächliche Verständigung

Das Bundesfinanzministerium lässt die tatsächliche Verständigung aktuell auch in aufwendigen Ermittlungen oder schwierigen Einspruchsverfahren zu (aktuelles Aktenzeichen hierfür ist IV A 3 – SO 223/07/10002). Bislang war ein derartiger Kompromiss lediglich in einer regulären Betriebs- oder Steuerprüfung, in einer Steuerfahndungsprüfung oder nach der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens statthaft.

Zwar gilt trotz des Handschlags das Legalitätsprinzip nach § 85 AO, bei dem die Finanzbehörde angehalten ist, Steuern weder verkürzt (das heißt zu niedrig) noch zu Unrecht (das heißt zu hoch) festzusetzen. Die Herbeiführung einer tatsächlichen Verständigung soll hingegen neben Unsicherheiten auch Ungenauigkeiten in einem konkreten Besteuerungssachverhalt beseitigen. Das Handschlagprinzip gilt somit während eines Veranlagungsverfahren, anlässlich einer Außenprüfung sowie während eines anhängigen (gerichtlichen/außergerichtlichen) Rechtsbehelfs- respektive Rechtsmittelverfahren. Die Gesetzgrundlage bilden hierbei Urteile des BFH (Az. VIII R 131/76, III R 19/88, V R 70/91) sowie der OFD Nürnberg (S 02223 – 20 – St 24).

Spezielle Vereinbarung mit der Finanzbehörde

Der Handschlag mit dem Fiskus dient selbst bei Steuerfahndungsprüfungen sowie nach der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Betroffene können hierbei mit ihrer Finanzbehörde spezielle Vereinbarungen treffen (OFD Nürnberg, Az. S 0223 – 20 – St 24). Ein weiterer Vorteil der tatsächlichen Verständigung liegt darin, wenn Sachverhalte gegeben sind, die ausschließlich unter erschwerten Voraussetzungen ermittelt werden können. Hier dienen spezielle Vereinbarungen nicht nur der Effektivität der Besteuerung, sondern sorgen auch weitreichend für einen Rechtsfrieden. Dies allerdings nur unter der Tatsache, dass sich die Beteiligten einigen können.

Eine weitere Voraussetzung ist zudem, dass für den jeweiligen Sachverhalt auch ein entsprechender Beurteilungs-, Bewertungsoder Schätzungsspielraum besteht (Rechtsgrundlage § 88 AO in Verbindung mit § 201 AO). Das Handschlagprinzip ist hingegen immer dann ausgeschlossen, wenn die Verständigung zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (BFH, Az. I R 13/86). Ist die tatsächliche Verständigung hingegen wirksam, dann ist sie für beide Seiten bindend (sogenannte Bindungswirkung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben). Wird der Sachverhalt allerdings vom Betriebsinhaber oder vom Steuerzahler verfälscht, muss sich die Finanzbehörde nicht mehr an ihre Zusage in der tatsächlichen Verständigung halten!

Die tatsächliche Verständigung unterscheidet sich von der verbindlichen Auskunft in der Weise, dass diese sich ausschließlich auf einen abgeschlossenen Sachverhalt bezieht (BFH, Az. I R 63/06). Dies gilt entsprechend auch für einen für die Zukunft festgelegten Sachverhalt – vorausgesetzt natürlich, die tatsächlichen Verhältnisse bleiben gleich (BFH, Az. I R 12/97). Damit alle formellen Voraussetzungen erfüllt sind, geht die tatsächliche Verständigung nur über eine entscheidungsbefugte Person des Finanzamtes.

Dies gilt insbesondere nicht für einen Außenprüfer, denn dieser darf im Rahmen seiner Außenprüfung weder mit dem Unternehmer oder Arbeitgeber noch mit dem Steuerberater eine Vereinbarung über die Höhe einer Steuernachforderung treffen. Dies gilt im Übrigen auch für die strafrechtliche Würdigung nach § 201 Abs. 2 AO. Eventuelle Zusagen durch einen Außenprüfer binden somit keinen der Beteiligten, also auch nicht das Finanzamt.

Insgesamt gilt: Zusagen oder Vereinbarungen unzuständiger Beamter sind stets unwirksam. Dies kann auch nicht im Nachhinein durch eine Vereinbarung mit einem entscheidungsbefugten Beamten widerrufen werden (BFH, Az. XI R 68/92). Schriftform ist hierbei nicht vorgeschrieben, wäre allerdings sinnvoll.

Wichtig: Eine einseitige Aufhebung einer einmal vereinbarten tatsächlichen Verständigung ist nicht möglich. Eine Aufhebung ist nur im beidseitigen Einvernehmen zwischen Finanzbehörde und Unternehmer beziehungsweise Arbeitgeber möglich.

Weiter zu beachten: Durch die Aufhebung der tatsächlichen Verständigung wird nicht gleichzeitig auch der Steuer- beziehungsweise der Haftungs-/Nachforderungsbescheid aufgehoben. Gegen diese Bescheide ist nur ein Anfechten mittels Einspruch möglich, und zwar innerhalb der vorgegebenen Rechtsbehelfsfrist. Danach ist eine Bescheidänderung nur noch zulässig, wenn die Abgabenordnung (AO) eine entsprechende Berichtigungsvorschrift vorsieht.

Dietmar Kern, WirtschaftsjournalistGebhard-Müller-Allee 5, 71638 Ludwigsburg

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