Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
„Hauptsache gesund!“ lautete ein oft benutztes Urteil früherer Generationen. Der Satz fiel meist, wo Menschen in „stillen Stunden“ über die eigene Lage räsonnierten. Ein Standpunkt, den auch heute noch viele ohne Zögern übernehmen würden – so lebenbedrohliche und schwer zu therapierende Krankheiten für unsere moderne Gesellschaft immer noch eine ähnlich akzeptierte und reale Bedrohung wären wie noch vor einigen Jahrzehnten.
Aber Zeiten ändern sich. Im 21. Jahrhundert hat Homo sapiens sapiens, zumindest der in sogenannten Industriegesellschaften lebende, eine deutlich höhere Lebenserwartung. Er genießt Errungenschaften eines medizinischen Fortschrittes, die sich – gemessen an den Zeitläuften – inzwischen fast exponentiell entwickeln. Heute sind die Erwartungshaltungen an die Medizin so erstaunlich wie die oft übliche „Geiz-ist-geil-Mentalität“. Eher wird der Mitnahmepreis des nächsten Smartphones bewundert als die Medizin, die uns vor einem vorzeitigen Tod bewahrt. Sicher ist das auch Ergebnis des langjährigen Wohlstandes unserer Gesellschaft.
Ob der Zenit dieser in den letzten Jahrzehnten kontinuierlichen Entwicklung inzwischen tatsächlich erreicht ist, bleibt zumindest für Optimisten nach wie vor pure Spekulation. Schwarzmalende Extremisten hingegen sehen das so. Aber wie dem auch sei: Sorgenfrei waren gerade prosperierende Industriegesellschaften nie.
Dass die empfindlichen Gebilde der internationalen Kapitalwelt zur Zeit gefährdet sind, bedarf selbstverständlich bedachter Reaktionen. Rigoroses Rasenmäher-Sparen, wie es die Haushälter der Nation inzwischen propagieren, ist allerdings nicht gerade die weitblickende Antwort auf die aktuellen Herausforderungen. Sicher, gespart werden muss. Aber bitte dort, wo Überflüssiges abgeschafft werden kann. Mittel für die Prävention im Gesundheitswesen gehören – so weit müssten Finanzminister denken – sicherlich nicht dazu. Im Gegenteil: Die Gesellschaft sollte gerade jetzt ihre Investitionen in die Zukunft nicht verspielen. Denn nichts anderes ist Prävention.
Hinzu kommt eine weitere Pflicht: Die Gesellschaft muss, gerade angesichts demografischer Erkenntnisse, Vorsorge treffen, um höhere Folgekosten zu vermeiden.
Ziel muss es sein, jetzt Strukturen zu schaffen, die diejenigen entlasten, die in den kommenden Jahren pro Person wahrscheinlich gleich für mehrere ältere Pflegebedürftige aufkommen müssen. Hier sind die Konzeptionen gefragt, die uns eine Art Wohlstand erhalten müssen, die heute viele Zeitgenossen als selbstverständlich nehmen.
Da ist es wohl, was man früher meinte, wenn man sich die eigene, materiell etwas überschaubarere Welt vor Augen geführt hat. Damals empfand man es als immens wertvoll: „Hauptsache gesund!“
Mit freundlichem Gruß
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur