Leitartikel

Gesellschaftlicher Konsens

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

der Wert einer von Humanität geprägten Gesellschaft lässt sich an ihrem Umgang mit Minderheiten oder Benachteiligten messen. Das ist Konsens, das muss man hier und heute in politischen Diskussionen nicht mehr gesondert betonen. In einer Welt, in der die Vereinten Nationen eine Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verabschiedet haben, kann auch Politik nicht mehr um das Für und Wider von Diskriminierung verhandeln. Dort, wo sie festgestellt wird, muss die Gesellschaft geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen.

Nicht zuletzt getragen von dieser Überzeugung setzt sich Deutschlands Zahnärzteschaft seit Jahren auf Grundlage ihres „Konzeptes zur vertragszahnärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen“ sogar verstärkt gegen die Benachteiligung dieser Mitmenschen in der zahnmedizinischen Versorgung ein.

Der innerhalb unseres Berufsstandes praktizierte Schulterschluss von Wissenschaft, Lehre und Praxis hat auch in diesem Fall dazu beigetragen, dass die zur Zeit definitiv feststellbaren und angesichts demografischer Entwicklung sich noch verschärfenden Versorgungsprobleme in diesem Bereich inzwischen in der Öffentlichkeit bekannt sind.

Wir haben in dieser Sache mit vielen politischen Aktivitäten in weiten Teilen der Entscheidungsebene Aufmerksamkeit geschaffen und zum Mitdenken anregen können. Inzwischen wissen wir auch eine Reihe der Verbände aus der Alten-, Pflege- und Behindertenfürsorge auf unserer Seite. Das ist eine gute Ausgangslage für die konkrete Umsetzung unseres Anliegens.

Auffällig ist, dass trotz bekannter Sachlage und Einsicht die Mühlen des Gesetzgebers in diesen Dingen langsam mahlen. Unserer Hoffnung, die Legislative werde das jetzt zur parlamentarischen Diskussion stehende GKV-Versorgungsstrukturgesetz nutzen, um Maßnahmen zur Abschaffung der Versorgungsengpässe vorzunehmen, sind bisher keine konkreten Taten gefolgt.

Um so mehr werden wir jetzt alle Möglichkeiten nutzen, das Thema denen erneut bewusst zu machen, die aktuell Einfluss auf den anstehenden parlamentarischen Prozess der Gesetzgebung nehmen können. Deshalb haben wir in einem Brief erneut alle Beteiligten aufgefordert, im Rahmen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes die Grundlagen für eine Lösung dieser Versorgungsengpässe anzugehen. Deshalb unser weiterer Vorstoß, nicht nur Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, sondern auch alle anderen Beteiligten auf Bundes- und Länderebene erneut auf die Möglichkeit hinzuweisen, im Rahmen des anstehenden Gesetzesvorhabens die Voraussetzungen zur Umsetzung unseres Konzeptes zu schaffen.

Wir wollen und werden den Kreis der überzeugten politischen Entscheider durch aktive Überzeugungsarbeit erweitern – übrigens mit aktiver Rückendeckung mehrerer Bundestagsabgeordneter und nicht zuletzt des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe.

Es ist unsere Pflicht, die erkannten und belegten Versorgungsprobleme in der Zahnheilkunde für alte Menschen und Menschen mit Behinderungen aktiv anzugehen. Hier geht es um Lösungen für einen seit Jahren gewachsenen Missstand, der trotz zweifelsfrei begrüßenswerter freiwilliger Aktivitäten vieler Ehrenamtlicher schon heute nicht mehr zufriedenstellend gelöst werden kann. Hier hat die Politik die Chance, in unbestreitbarem Konsens eine Reform in Prävention, Pflege und Praxis anzugehen. Das entspricht dem Selbstverständnis einer von Humanität getragenen Gesellschaft. Uns bietet das ärztliche Ethos ohnehin keine Alternative.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Wolfgang EßerStellvertretender Vorsitzender derKassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

Prof. Dr. Dietmar OesterreichVizepräsident der Bundeszahnärztekammer

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