Der dänische Patient
Viele Zahnärzte würden Kay Einfeldt um die Lage seiner Praxis beneiden. Sie befindet sich verkehrsgünstig in der Innenstadt Flensburgs, an der Einkaufsmeile. Ein großes Kaufhaus ist in der Nähe, Modegeschäfte, der Busbahnhof. Doch bis vor einigen Jahren war seine Praxis, in der neben ihm selbst noch eine Assistenzzahnärztin praktiziert, nicht ausgelastet. „Wir hatten nicht genug zu tun“, sagt Einfeldt. „Das hat sich in den letzten neun bis zehn Jahren gewandelt.“
Denn seitdem kommen immer mehr neue Patienten in die Praxis, heutzutage sind es bis zu fünf am Tag. Fast alle dieser Patienten haben eine mehrstündige Anreise hinter sich: Sie kommen aus Dänemark zu Einfeldt nach Flensburg. „90 Prozent meiner Patienten sind Dänen“, berichtet der Zahnarzt.
Trend im Grenzgebiet
Die Praxis Einfeldt steht mit ihren Erfahrungen nicht alleine. Vielmehr ist sie exemplarisch für einen Trend im schleswig-holsteinischen Grenzgebiet zu Dänemark, wie ihn jüngst auch eine Befragung durch die Landeszahnärztekammer (ZÄK-SH) bestätigte.
Die Studie ist zwar nicht repräsentativ, gibt jedoch gut das zurzeit herrschende Meinungsbild wieder. An der Umfrage beteiligten sich fast zwei Drittel der 168 grenznah praktizierenden Zahnärzte. Für mehr als die Hälfte der Praxen sind demnach dänische Patienten wichtig, ein weiteres Drittel behandelt immerhin gelegentlich Patienten aus Dänemark.
Für Einfeldt liegt der Grund für den ,Zahnarzt-Tourismus’ auf der Hand: Die finanzielle Ersparnis im Nachbarland sei einfach verlockend. Sowohl im Heimatland als auch in Deutschland müssten die Dänen prothetische Maßnahmen komplett selbst tragen, also sei das Preisargument das ausschlaggebende. Bei ihm können im Vergleich zu Dänemark bei einer Zirkon-Krone circa 44 Prozent, bei einer dreigliedrigen Brücke gut 50 Prozent gespart werden, berichtet Einfeldt.
Neun von zehn der für die Studie befragten Zahnärzte sehen ebenfalls in der preisgünstigen Behandlung die Hauptmotivation der dänischen Patienten, nach Deutschland zu kommen. Zudem werden die Patienten in Dänemark häufig in Gesundheitszentren versorgt, was für sie nicht selten lange Wartezeiten bedeutet. Ein nicht unerhebliches Kriterium dürfte auch der Wegfall der Grenzkontrollen im Jahr 2001 sein, nachdem Dänemark dem Schengenraum beigetreten ist.
Man spricht dänisch
In der Praxis Einfeldt wird mit den Patienten aus dem nördlichen Nachbarland dänisch gesprochen. Von den Zahnärzten bis zu den Helferinnen sprechen alle dänisch. „Die Sprache zu beherrschen ist für die Behandlung sehr wichtig. Sprachkenntnisse sind bei mir ein wichtiges Einstellungskriterium“, betont Einfeldt, der selbst in Kopenhagen studiert hat. Zudem habe er eine dänische Telefonnummer und ein dänisches Bankkonto einrichten lassen – als Service für die Patienten, die somit keine Auslandsgebühren zahlen müssen. Auch die Homepage seiner Praxis ist zweisprachig aufrufbar.
Die Sprache ist jedoch nicht überall im Grenzgebiet ein unabdingbares Element der Behandlung. 40 Prozent der Befragten der Zahnärztekammer-Studie gaben an, dass in der Praxis niemand dänisch spreche. „Einige der Patienten haben Deutschkenntnisse“, sagt Dr. K. Ulrich Rubehn, Präsident der ZÄK-SH, und sieht damit einer Sprachlosigkeit zwischen Behandler und Behandeltem vorgebeugt.
Der Zulauf hält an
Rubehn sieht den Zulauf aus dem benachbarten Ausland mit gemischten Gefühlen. Bei aller Freude über die hohe Akzeptanz der deutschen Zahnheilkunde im Nachbarland Dänemark sei die Quintessenz bitter, gibt er zu bedenken. „Auch in der privaten Zahnheilkunde ist Deutschland offenbar ein ,Billiglohnland’. Das gilt hier im Norden genauso wie beispielsweise im Süden zu Schweiz und Österreich.“
Kay Einfeldt ist der Überzeugung, dass der Trend zu medizinischen Behandlungen im Ausland noch zunehmen wird – und stellt sich persönlich darauf ein. Um dem Patientenzulauf besser gerecht werden zu können, bekommt er ab August zusätzliche Unterstützung in der Praxis – von einer Zahnärztin aus Dänemark.