Wenn der Körper konzertiert
Stetig steigt das Wissen um Zusammenhänge zwischen Mund- und Allgemeingesundheit. Und selbst Experten werden auf interdisziplinären Tagungen, wie dem jährlich vom Dentista Club veranstalteten Hirschfeld-Tiburtius-Symposium, immer wieder um eine bisher unbekannte Kausalität bereichert.
„Zahnmedizin ist ein wesentlicher Teil der medizinischen Grundversorgung“, konstatierte der Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Dietmar Oesterreich und unterstrich damit die engen Verbindungen von Kiefer und Körper. Neben den gesicherten Erkenntnissen gebe es noch viele Bereiche mit ungeklärten kausalen Zusammenhängen. Hier bestehe noch reichlich Forschungsbedarf. Gleichzeitig werde vom Berufsstand viel getan: „Wir untersuchen das ’Outcome’ unserer Versorgungslandschaft selbst“, so der BZÄK-Vize. Die DMS IV sei das beste Beispiel hierfür. Projekte, wie die Publikation „Rauchen und Mundgesundheit“, die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum entstanden ist, stünden exemplarisch für eine erfolgreiche Kooperation und erhielten nicht zuletzt auch international viel wissenschaftliche Anerkennung.
Vom Kiefer zum Körper
Als wichtiges Thema mit relevanten Forschungserfolgen nannte er die Wechselbeziehung zwischen Diabetes mellitus und Parodontitis. Auch hier sei bereits viel publiziert worden. Zudem gebe es zahlreiche weitere Kooperationen – etwa im Rahmen von NAMSE, dem Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen. Die Ergebnisse dieser Kooperationen beträfen stets den gesamten Berufsstand. Schließlich habe das neugewonnene Wissen immer auch einen direkten Einfluss auf den Versorgungsalltag, sprich für alle Praxen.
Über einen weniger bekannten Zusammenhang zwischen CMD und Gynäkologie sprach Zahnärztin Dr. Andrea Diehl (Berlin), die sich unter anderem auf Ganzheitliche Funktionsdiagnostik spezialisiert hat. Diehl: „Ein großer Dammschnitt bei einer Geburt kann zur Verschiebung der myofaszialen Läsionsketten führen.“ Eine einseitige Kieferöffnung in Verbindung mit einer CMD könne die Folge sein. Das sei aber nur ein Beispiel für die zahlreichen strukturellen Verbindungen zwischen Kiefer und Körper, betonte Diehl. Kritisch äußerte sie sich dahingehend, den Schnitt im Rahmen der Sectio caesarea immer tiefer zu setzen. Aus ästhetischer Sicht durchaus nachvollziehbar führe das „tiefer legen“ langfristig zu Problemen und zu Mehrarbeit für die Ostheopathen. Der Grund: Um so tiefer der Schnitt, um so mehr Faszien seien „betroffen“.
Erkenntnisse zu den Wechselwirkungen von Hormonen und Mundgesundheit beleuchtete Frau PD Dr. Christiane Gleissner (Mainz), Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für geschlechterspezifische Zahn- , Mund- und Kieferheilkunde (DGGZ). Neu sei die Einsicht, dass „Frauen eine kompetentere Immunantwort auf pathogene Keime entwickeln, als Männer“. Mit Blick auf den Status Quo bei der Ernährung sagte sie: „Viele junge Menschen weisen laut Ernährungsforschern klinischen Calziummangel auf.“ Dem könnte aber über den Weg einer bewussten Ernährung begegnet werden.