Alarmsymptom: Verlagerung des Gaumensegels
Eine 39-jährige Patientin wurde der Klinik unter der Verdachtsdiagnose eines parapharyngealen Abszesses zugewiesen. Bei der Erstuntersuchung befand sich die Patientin in gutem Allgemeinzustand. Die Palpation der Halsregion ergab keine Resistenzen im Sinne eines entzündlichen Infiltrates, die Frage nach Dysphagie oder Odynophagie wurde verneint. Es bestand keine Dyspnoe. Bei der enoralen Inspektion fiel eine ausgedehnten linksbetonte Schwellung im Bereich des linken Velumbereiches auf. Die Raumforderung war von der Konsistenz derb und auf Palpation nicht druckdolent. Der Befund erstreckte sich bis in die seitliche Pharynxregion und war vollständig von intakter Schleimhaut ohne pathologische Gefäßzeichnung bedeckt (Abbildung 1).
Weder klinisch noch laborchemisch ergaben sich Hinweise auf eine Infektion, stattdessen erschien der Befund dringend verdächtig auf eine Neubildung. In der bildgebenden Diagnostik mittels CT zeigte sich dann auch eine linkseitige parapharyngeale, prästyloidale homogene und hypodense Raumforderung von rund 40 x 45 x 50 mm Durchmesser ohne ossäre Arrosionen und ohne infiltratives Wachstumsmuster. Auffällig waren deutliche intraläsionale Verkalkungen (Abbildungen 2 und 3), sodass zunächst auch ein Hamartom als Verdachtsdiagnose möglich erschien. Die histologische Aufarbeitung einer Biopsie erhärtete diesen Verdacht, da zunächst nur Knorpelanteile beschrieben wurden.
Therapeutisch erfolgte danach die Exstirpation des Tumors in toto. Aufgrund der engen Lagebeziehung zur A. Carotis interna wurde ein kombinierter intra-extraoraler Zugang gewählt, um die dorsalen Anteile sicher abgrenzen zu können. Nach der Entnahme stellte sich ein glatt begrenzter (Abbildung 3 a), überwiegend knorpelig erscheinender Tumor dar, der im Anschnitt (Abbildung 3 b) neben den ossären Anteilen eine kleine parenchymatöse Zone aufwies. Interes santerweise ergab sich dann in der end gültigen Aufarbeitung ein pleomorphes Adenom mit überwiegend chondraler Differenzierung.
Diskussion
Das pleomorphe Adenom kommt als häufigster benigner Speicheldrüsentumor zumeist ab der fünften Lebensdekade und dann typischerweise in der Parotis vor und ist hier anhand klinischer, sonographischer und CT-morphologischer Merkmale üblicherweise recht gut einzuschätzen. Sind kleine Speicheldrüsen betroffen oder bei der Entstehung in Regionen mit ektopem oder akzessorischem Speicheldrüsengewebe kann die klinische Einschätzung sehr viel schwieriger sein und häufig ist dann erst die histologische Aufarbeitung richtungsweisend.
Erschwerend kann, wie hier, auch noch eine ungewöhnliche und inhomogene Gewebedifferenzierung hinzukommen, sodass letztlich erst die Gesamt-Aufarbeitung des Tumors zur endgültigen Diagnose führt. Tatsächlich ist die variantenreiche Differenzierung mit myxoiden, mucoiden aber auch chondroiden und ossären Anteilen besonders charakteristisch für das Vollbild des pleomorphen Adenoms. Eine nicht repräsentative Biopsie kann dann leicht zu einer Fehleinschätzung führen. Im vorliegenden Fall war durch den ganz überwiegend knorpelig differenzierten Tumor die Einordnung als Speicheldrüsentumor sogar nur anhand der randständigen Anteile des Drüsengewebes möglich.
Für den chondroiden Phänotyp ist bei pleomorphen Adenomen das Chondromodulin- I (ChM-I) verantwortlich, das sich physiologischerweise in den Wachstumsfugen der langen Röhrenknochen findet. Im pleomorphen Adenom fördert es die chondrogene Differenzierung und hemmt die Vaskularisation, da es sich auch um einen potenten Angiogenesehemmer handelt [Kusafuka et al. 2001].
Auffällig war im vorliegenden Fall die Indolenz der recht jungen Patientin, da der Tumor allein von der Größe her eine erhebliche Sprachbehinderung verursachen musste. Generell ist es aber recht typisch, dass pleomorphe Adenome, wie die meisten Speicheldrüsentumoren klinisch über lange Zeit nahezu symptomlos bleiben. Die Therapie der Wahl stellt die vollständige Entfernung des Tumors, in den Hauptspeicheldrüsen zusammen mit dem umgebenden Drüsengewebe dar. Eine reine Enukleation führt zu erhöhten Rezidivraten, da pleomorphe Adenome häufig ein diskontinuierliches Wachstumsmuster aufweisen. Die vollständige Entfernung ist auch deshalb angezeigt, weil eine relevante maligne Transformationsrate (> 5 Prozent ) bei längeren Krankheitsverläufen beobachtet wird.
Weiterführende Literatur:Kusafuka K. et al, Cartilage-Specific Matrix Protein Chondromodulin-I is associated with chondroid formation in salivary pleomorphic Adenoms. American Journal of Pathology 158: 1465-1472 (2001)
Dr. Tarik MizzianiProf. Dr. Dr. Martin KunkelKlinik für Mund-, Kiefer- und plastische GesichtschirurgieRuhr-Universität BochumKnappschaftskrankenhausBochum-LangendreerIn der Schornau 23-2544892 Bochumtarik.mizziani@ruhr-uni-bochum.demartin.kunkel@ruhr-uni-bochum.de