Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um? Was alttestamentarisch behauptet wurde, ist statistisch betrachtet sicherlich nicht ohne Ausnahme. Dass die privaten Krankenversicherer mit ihren Ambitionen, die Vorteile der gesetzgebenden GKV-Kostendämpfungsmaßnahmen auch für sich zu reklamieren, darüber nachgedacht haben, sollte man doch hoffen.
Unter Fachleuten gibt es aber durchaus die Auffassung, dass die PKV Gefahr läuft, auf diese Weise ihre spezifische Rolle im dualen Krankenversicherungssystem zu verlieren. Ob die privaten Krankenversicherer damit mittelfristig ihre Existenz in Frage stellen, ist sicher eine der spannendsten gesundheitspolitischen Fragen der nächsten Jahre.
Während früher immer die klare Abgrenzung der beiden Systeme propagiert wurde, fällt inzwischen auf, dass sich die PKVen ohne Skrupel in die GKV-Spur begeben, um die wenigen Rosinen des sogenannten Solidar-Systems auch für sich herauspicken zu können. Eigentlich erstaunlich, sind die Probleme des GKV-Systems doch allgegenwärtig und ganz offensichtlich.
Jüngstes, für Zahnärzte und Ärzte wohl folgenschwerstes Beispiel ist die Forderung, durch eine Öffnungsklausel den Privatver- sicherern ein zusätzliches Verhandlungs- feld im Selektivvertragswesen zu öffnen. Damit würde die PKV ihre klassische Rolle als Versicherer verlassen und zum aktiven Steuerer im deutschen Gesundheitswesen avancieren.
Der inzwischen ganz offen propagierte Wechsel vom „Payer“ zum „Player“, so vermittelt der PKV-Verband zurzeit den Eindruck, ist den Versicherern das Risiko wert, ihr „einzigartiges Verkaufsargument“, nämlich sehr hohe, unbudgetierte Versorgungsqualität anbieten zu können, auf diesem Weg langfristig zu verlieren. Aber wer will dann warum noch in eine PKV?
Die Gesundheitspolitiker selbst diskutieren, egal aus welcher fraktionellen Ecke sie stammen, offen darüber, ob das Wohl und Wehe der medizinischen Versorgung tatsächlich zwei parallele Versicherungssysteme braucht. Die einen versuchen, das System Richtung staatlich kontrollierter Bürgerversicherung zu drücken, die anderen stellen sich eine Systematik nach niederländischem Vorbild mit Privatversicherern vor.
Dass die PKV diese wichtigen Unterschiede freiwillig opfert, weil man hofft, das Modell in eine Zeit zu retten, in der demografische Veränderungen und medizinischer Fortschritt ohne Systemzusammenbruch bewältigt werden müssen, dürfte mittelfristig auch die Politiker irritieren, die bisher auf deren tragende Rolle gesetzt haben.
Mag der Sprung in für die PKVen ungesichertes Gelände auch kurzfristig das Gefühl neuer Freiheit vermitteln: Auf lange Sicht wird man die Ärzte und Zahnärzte, durch deren Leistungen man bisher gut überleben konnte, so sicherlich verlieren.
Mit freundlichen Grüßen
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur