Klinische Bewertung zweier fließfähiger Komposite
Fließfähige Komposite werden seit 1995 klinisch eingesetzt. Sie haben im Vergleich zu herkömmlicherweise verwendeten Hybridkompositen einen geringeren Füllstoffanteil und/oder einen erhöhten Zusatz an verdünnenden Matrixbestandteilen. Daraus resultiert ein fließfähiges Material, das eine leichte Restauration von kleinen, auch oft sehr schwer zugänglichen Kavitäten ermöglicht. Dies sind Eigenschaften, die klinisch oft von Vorteil sind. Aber genau diese Eigenschaften führen letztlich auch zu schlechteren mechanischen Festigkeitswerten, erhöhtem Materialverschleiß und zu einer höheren Polymerisationsschrumpfung. Somit sind fließfähige Komposite mit einer Reihe von negativen Materialeigenschaften vergesellschaftet.
Aus bisher veröffentlichten Studien geht hervor, dass fließfähige Komposite im Vergleich zu konventionell verwendeten, nicht fließfähigen Kompositen sogarvergleichbare Schrumpfungseigenschaften haben. Außerdem wird ein reziprokes Verhältnis zwischen Füllstoffanteil und Schrumpfungsspannungen in der Literatur beschrieben. Zusätzlich weisen unterschiedliche fließfähige Komposite unterschiedliche Schrumpfungseigenschaften auf.
23 Patienten nahmen an der hier vorgestellten Studie teil. Sie wurden aufgrund folgender Kriterien ausgesucht:
• Mindestbedarf von zwei Füllungen
• Die zu füllenden beziehungsweise zu behandelnden Zähne standen in Kontakt zu ihren Antagonisten.
• Das Füllungsausmaß / die Kavitätendimension entsprach mindestens einer halben beziehungsweise einer Viertel-Breite des Interkuspidal-Abstands in orofazialer Richtung.
• Der Studienteilnehmer sollte mindestens 20 oder mehr Zähne haben.
Ausschlusskriterien waren:
• Schwerwiegende Erkrankungen
• Xerostomie
• Chronische Parodontitis
• Bruxismus, Pressen
• Non-Okklusion
• Gefahr der Pulpaeröffnung nach Präparation
• Zähne mit apikaler Aufhellung
Es wurden 31 Klasse-I-Füllungen mit Estet-X-Flow (Dentsply/ Caulk) und 32 Klasse-I-Füllungen mit Tetric Flow (Vivadent) gelegt. Als Adhäsiv wurde Prime&Bond NT (Dentsply) für beide verwendeten Füllungsmaterialien verwendet. Jeder Teilnehmer bekam mindestens zwei Füllungen, jedoch nicht mehr als fünf. Dem Zufallsprinzip wurde überlassen, welches Material für welchen Zahn verwendet wurde; auch die Verteilung der Studienteilnehmer auf die Behandler erfolgte zufällig. Die Präparation selber wurde mit hochtourigen, wassergekühlten Instrumenten durchgeführt. Jede Präparation wurde abgeformt (Aquasil, Dentsply/Caulk) und in Gips (DieKeenGreen, Heraeus Kulzer) ausgegossen. Im Anschluss daran wurde die Präparationsausdehnung mit einer digitalen Schiebelehre am Situationsmodel erfasst. Nachdem die Kavität ausgemessen wurde, wurde das Restaurationsvolumen ermittelt. Die fließfähigen Materialien wurden nach der Inkrementschichttechnik verarbeitet, wobei jede Schicht für 20 Sekunden lichtpolymerisiert wurde (Polymerisationslampe, Dentsply/Caulk, Lichtintensität mindestens 600 mW/cm2). Daraufhin wurden die Patienten nach einer Woche und nach drei, sechs, zwölf und 36 Monaten untersucht. Ebenso wurden die gelegten Füllungen fotografiert. Die von Ryge (1971) festgelegten Kriterien zur Evaluation von zahnärztlichen Füllungsmaterialien wurden herangezogen, um die gelegten Füllungen zu bewerten. Folgende Kriterien flossen in die Bewertung mit ein: Retention, Farbe, Randschluss, Form, Randverfärbungen, Polierbarkeit und Sekundärkaries der Füllung.
Positiv hervorzuheben ist, dass sich sowohl die Retention als auch die anatomische Form der Füllungen über die Dauer der Studie nicht signifikant verändert haben. Über die Dauer von drei Jahren konnte keine Bildung von Sekundärkaries beobachtet werden. Für die Farbveränderung im Randbereich der Füllungen konnte jedoch ein signifikanter Unterschied verzeichnet werden.
Der Randschluss der Füllungen wurde bereits nach nur sechs Monaten signifikant schlechter. Nach drei Jahren waren nur noch 51,7 Prozent der Füllungen mit Tetric Flow beziehungsweise 65,5 Prozent derjenigen mit Esthet-X-Flow randständig. Für den Politurgrad konnte bereits nach dem zwölften Monat eine signifikante Verschlechterung dokumentiert werden. Die Farbe beziehungsweise die Farbanpassung der Füllungen korrelierte stark negativ mit der Restaurationsgröße. Je größer die Kavität war, desto schlechter war das Farbergebnis der Füllung. Die Materialien unterschieden sich hinsichtlich der Ergebnisse letztlich jedoch kaum. Dennoch konnte eine deutliche Qualitätsveränderung der Füllungen beziehungsweise beider Materialien über den Zeitraum von drei Jahren beobachtet werden. Diese Ergebnisse waren nicht überraschend, hält man sich die bereits erwähnten negativen Eigenschaften von fließfähigen Kompositen vor Augen.
Man kann daraus schließen, dass fließfähige Komposite sehr wohl zur Füllung von Klasse-IKavitäten eingesetzt werden können. Allerdings kann ein Langzeiterfolg – ob der kurzen Dauer der Studie – schlecht abgeschätzt werden. Zusätzlich konnte ein Zerfall der Füllungen bereits nach kurzer Zeit beobachtet werden. Fließfähige Komposite sollten daher lediglich zur Restauration von Kavitäten verwendet werden, deren Ausdehnung nicht mehr als ein Viertel des interkuspidalen Abstands beträgt, um einer doch sehr rasch deutlich werdenden Desintegration des Randspalts entgegenzuwirken.
Quelle: Gallo JR, Burgess JO, RippsAH, Walker RS, Maltezos MB,Mercante DE. Three-year clinicalevaluation of two flowable composites.Quintessence Int2010;41(6):497-503
ZA dr. med. dent. Lukas TrevenCharité-Universitätsmedizin BerlinCharitéCentrum 3 für Zahn-, Mund- und KieferheilkundeAbteilung für Zahnerhaltungskunde und ParodontologieAßmannshauser Str. 4-614197 Berlinlukas.treven@charite.de