Studentenhilfe mit Startproblemen
Das Prinzip des Deutschlandstipendiums ist relativ simpel. Ein Förderer (eine Privatperson, eine Stiftung oder ein kleineres Unternehmen) entscheidet sich für eine Hochschule, an der das Stipendium vergeben werden soll. Er kann auch Fachbereich und Studienfach bestimmen. Der Förderer gibt 150 Euro monatlich, der Staat schießt nochmals 150 Euro zu und verdoppelt damit die Fördersumme. Das Geld erhält ein Student der vom Förderer bestimmten Hochschule. Darüber, wer das Stipendium bekommt, entscheiden gute Noten. Aber auch gesellschaftliches Engagement und persönliche Leistungen wie das Überwinden von Hürden in der Bildungsbiografie werden berücksichtigt. Ziel der Stipendien ist laut BMBF, dem steigenden Bedarf des Arbeitsmarkts an Akademikern zu begegnen und mehr jungen Menschen einen Hochschulabschluss zu ermöglichen.
Zufriedenstellende Bilanz
Kürzlich zog Annette Schavan eine erste Bilanz des Deutschlandstipendiums – und zeigte sich zufrieden. Die Hochschulen hätten einen Kulturwandel in Gang gesetzt, der den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig verändern werde, sagte die Ministerin laut Mitteilung.
Die Zahlen, die das BMBF dazu veröffentlichte, klangen vielversprechend: Knapp drei Viertel der 388 deutschen Hochschulen nutzen bereits Deutschlandstipendien; seit Beginn des Sommersemesters wurden Fördermittel für fast 4 800 Stipendien eingeworben, hinzu kommen die vergleichbaren 2 600 NRW-Stipendien in Nordrhein-Westfalen; insgesamt konnten 8,6 Millionen Euro an privaten Mitteln eingetrieben werden.
Bereits bei der Vorstellung des Deutschlandstipendiums Anfang des Jahres zeigte sich Schavan ähnlich euphorisch: „Eine neue Stipendienkultur wird Deutschlands Hochschulen noch attraktiver machen.“
Kein Grund zur Euphorie
Betrachtet man die Zahlen des BMBF jedoch genauer, scheint eine euphorische Bewertung des Deutschlandstipendiums zumindest verfrüht – in der Praxis hapert es bei der Umsetzung. Nur 112 der 388 beteiligten Hochschulen hatten bis September ihr Kontingent ausgeschöpft. An der Berliner Humboldt-Universität wurden nach Informationen von „Spiegel online“ bislang 34 Stipendien vergeben – von 122 möglichen. Der Freie Zusammenschluss von Student-Innenschaften (fzs), Dachverband der Studierendenschaften in Deutschland, kritisiert das Deutschlandstipendium aus einer anderen Richtung. Es bilde keinerlei Anreiz, ein Studium aufzunehmen, sagte fzs-Vorstandsmitglied Moska Timar laut Mitteilung. Außerdem unterliege es einem intransparentenund von Hochschule zu Hochschule unterschiedlichen Auswahlverfahren.
Prof. Gerhard de Haan, erziehungswissenschaftlicher Zukunftsforscher an der FU Berlin, hält die Stipendien zwar grundsätzlich für „eine gute Idee“, hat aber auch Bedenken. Aktuell gelinge es den Hochschulen noch, ihren Anteil am Stipendienbeitrag einzuwerben. Langfristig müsse man diesbezüglich jedoch skeptisch sein. Auch „die Versuche etlicher deutscher Hochschulen, eine Ausweitung der Alumni zu etablieren, die den Hochschulen großzügiger spenden, sind hierzulande nicht in Sicht. Die Bindung an die Hochschule ist offensichtlich nicht so groß wie in den USA“, urteilt de Haan.
Nach Meinung des Wissenschaftlers bieten die Stipendien kaum Anreize für junge Leute aus weniger begüterten Schichten, ein Studium zu beginnen. „Vor diesem Hintergrund ist es auch wenig einsichtig, dass sich mit dem Stipendium in nennenswertem Maß die Zahl der Studierenden ausweiten lässt. Die Quote der Studierwilligen aus den gehobenen gesellschaftlichen Schichten scheint eher ausgeschöpft. Dagegen ist eine Förderung der sozial Schwachen, ihre Entlastung (BAFöG reicht nicht) in Hinblick auf die Verbindung zwischen Job und Studium, eine echte Herausforderung.“