Vertragszahnärztetag Westfalen-Lippe

Von den Besten lernen

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Qualitätsförderung und -sicherung nehmen aufgrund von gesetzlichen Vorgaben und der darauf fußenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) einen stetig wachsenden Raum in der Vertragszahnheilkunde ein. Grund genug für die KZV Westfalen-Lippe, den diesjährigen Vertragszahnärztetag am 15.10.2011 in Rheda-Wiedenbrück ganz diesem Thema zu widmen. Hochkarätige Referenten boten einen Überblick über die Thematik und luden die Teilnehmer zur Auseinandersetzung mit der Materie ein.

Wie findet man einen pragmatischen Umgang mit der Qualität in der Vertragszahnheilkunde? Wie kann das Spannungsfeld zwischen Verpflichtung und Pragmatik gestaltet werden? Was erwarten die Zahnmedizin, die Patienten oder die Öffentlichkeit? Zu diesen Fragen hatte die KZV Westfalen-Lippe (KZVWL) unter dem Motto „Lernen von den Besten“ zu einer vertragszahnärztlichen Fortbildung geladen. In seiner Begrüßung forderte der Vorstandsvorsitzende der KZVWL, Dr. Bernhard Reilmann, die Teilnehmer auf, sich mit Qualität im Spannungsfeld von Richtlinien und praktischer Umsetzung auseinanderzusetzen. Denn, so Reilmann, „Wissen schafft Kompetenz und Kompetenz baut Ängste ab“.

Blick in die Praxis

Über Qualität in der Endodontologie referierte Prof. Dr. Claus Löst, Ärztlicher Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung Tübingen und Präsident der European Society of Endodontology (ESE). Er erläuterte, dass Qualität sich nicht alleine aus einer fachgerechten Behandlung ergebe. Vielmehr sei die Schaffung langfristiger gesunder Verhältnisse am behandelten Zahn und dem umliegenden Gewebe das Ziel einer qualitativ hochwertigen Versorgung. Und dies sei mehr als nur die Erhaltung des Zahnes. Er räumte ein, dass der Evidenzgrad für eine gute Qualität in der Endodontologie derzeit nur unteres oder mittleres Niveau habe, doch hätten sich die „Quality Guidelines“ der ESE als Leitfaden zur Hilfestellung für die Praxis bewährt.

Kieferorthopädische Aspekte brachte PD Dr. Anton Demling, Vorstandsmitglied des Landesverbands Niedersachsen im Bundesverband der Kieferorthopäden, ein. Er erläuterte Qualitätsmerkmale in der KFOBehandlung. Demling sah es als problematisch an, dass durch fehlende Studien eine niedrigere Evidenz vorliegt. Im Gegensatz dazu existieren jedoch gute Erfahrungen im praktischen klinischen Bereich. Die Praxis zeige also ein vollkommen anderes Bild als die Wissenschaft. Wichtig sei, dass ein gutes Qualitätsmanagement zu einer Verbesserung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität führt. Dazu gehöre es jedoch auch, Erfahrungen in Form eines Fehlermanagements zu verarbeiten.

Dr. Franziska Diel, MPH, Leiterin des Dezernats „Sektorenübergreifende Qualitätsförderung und -darstellung“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, stellte die Entwicklung und den Einsatz von Qualitätsindikatoren dar. Sie machte deutlich, dass Qualität nicht unwesentlich auch von subjektiven Faktoren bestimmt wird. So habe Qualität viel mit „GMV – gesundem Menschenverstand“ zu tun. Qualitätsindikatoren (QI) würden aus Leitlinien entwickelt, müssten aber hohen Gütekriterien entsprechen, bevor sie zur Messung eingesetzt werden. Wichtig sei dabei, die Ziele zur Nutzung von QI zu definieren und deren Einsatz zu evaluieren. Die Messung von Qualität mittels QI könne dabei nur Hinweise bieten, aber nie absolutes Maß sein. Daher müsse den „Risiken und Nebenwirkungen“ beim Einsatz von QI fortlaufend entgegengewirkt werden.

Wettbewerb gewollt

Der Unparteiische Vorsitzende des G-BA, Dr. Rainer Hess, stellte den Sachstand der Entwicklung von Regelungen zur Qualitätssicherung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss für die vertragszahnärztliche Versorgung dar. Er erläuterte, dass die Qualitätsförderung und -sicherung nach der wettbewerblichen Ausrichtung des Gesundheitssystems rapide an Bedeutung gewonnen habe. Qualität sei für Krankenkassen wie auch für Leistungserbringer mittlerweile zum Wettbewerbsinstrument geworden. Der G-BA habe die Aufgabe, hierzu einheitliche und transparente Regelungen zu schaffen. Hess betonte die Besonderheiten in der vertragszahnärztlichen Versorgung. Daher seien die bestehenden Richtlinien nicht ohne Weiteres zu übertragen, sondern es bedürfe eigener modifizierter Regelungen, an denen derzeit gearbeitet wird. In der vertragszahnärztlichen Versorgung gebe es darüber hinaus bereits schon etablierte Qualitätssicherungsmechanismen. Sein Fazit war, dass durch den G-BA Regelungen zur Qualitätsförderung und -sicherung nicht aufgedrückt, aber organisiert werden. Auf jeden Fall werde durch den G-BA die Qualität transparent gemacht.

Dr. Harald Strippel, M.Sc., Fachgebietsleiter Zahnmedizinische Versorgung beim Medizinischen Dienst des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) führte aus, dass Qualität sich letztendlich immer auf das Ergebnis der Behandlung beziehe. Wichtig sei jedoch, wem das Ergebnis zuzuschreiben ist. Der Weg dorthin sei die Risikoadjustierung. Als einen Indikator dazu beschrieb er die sogenannte „Compliance“, also die Mitarbeit des Patienten. Um diesen Faktor in die Bewertung eines Ergebnisses einbeziehen zu können, müsse dieser valide erhoben und verarbeitet werden. Dies könne dadurch geschehen, dass der Zahnarzt die persönlichen Umstände des Patienten je nach Erkrankung und Behandlung mehr oder weniger detailliert erhebt.

Die Teilnehmer des Zahnärztetages hielten diese Vorgehensweise für zu theoretisch. Der Aufwand für die Erhebung des „ComplianceIndikators“ sei zu hoch und würden zu einer Überwachung des sozialen Status und der Lebensführung des Patienten führen.

Aus Sicht der Vertragszahnärzteschaft referierte der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz. Er ordnete die zahnärztliche Qualitätssicherung im Spannungsfeld von Evidenz, Leitlinien und Richtlinien ein. Fedderwitz erläuterte die Unterschiede zwischen Leitlinien und Richtlinien und deren Wechselwirkungen. Je höher die Evidenz einer Leitlinie sei, desto verbindlicher werden ihre wissenschaftlichen Aussagen.Bei hoher Evidenz können die wissenschaftlichen Aussagen als Richtlinie zum Steuerungselement in der Versorgung im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung werden. Aber nicht nur die Art der Qualität und deren Sicherung in der Versorgung sollten durch Richtlinien geregelt werden. Richtlinien hätten die Funktion, Qualität mit Wirtschaftlichkeit zu verbinden und damit das Leistungsspektrum in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu beschränken. Letztendlich verlange das Verhältnis von Qualität, Gerechtigkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit nach praktikablen Kompromissen.

Martin SchüllerLeiter Abteilung Koordination GemeinsamerBundesausschuss der KZBVUniversitätsstr. 73, 50931 Köln

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