Behandlungszentrum für Folteropfer

Das Trauma verarbeiten

Krieg, Vertreibung, Vergewaltigung – Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, haben oft schreckliche Erlebnisse hinter sich. Seit 20 Jahren engagiert sich das Behandlungszentrum für Folteropfer (bzfo) für die Rehabilitation und Integration traumatisierter Migranten.

„Folter ist eine große Sorge der Weltgemeinschaft. Sie dient nicht nur dem Zweck, die körperliche und die emotionale Unversehrtheit eines Menschen zu zerstören, sondern auch die Würde und den Willen ganzer Gemeinschaften zu brechen. Sie betrifft alle Mitglieder der Menschenfamilie, weil sie die Bedeutung unserer Existenz und unsere Hoffnungen auf eine bessere Zukunft infrage stellt.“ Mit diesen tiefgreifenden Worten beginnt das Istanbul-Protokoll des UN-Kommissariats für Menschenrechte, das sich mit der Untersuchung und Dokumentation von Folter beschäftigt.

Das bzfo in Berlin führt diese Worte mit Taten fort. „Wir sehen unsere Aufgabe darin, unseren Patienten durch psychotherapeutische Behandlung und durch anschließende Integration eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermög- lichen“, erklärt Dr. Mercedes Hillen, die ärztliche Leiterin des bzfo. „Wir wollen ihnen einen selbstbestimmten Weg zu einer menschenwürdigen Zukunft aufzeigen.“

Finanziert wird das bzfo zur Hälfte aus öffentlichen Geldern. Sie stammen von den Vereinten Nationen, der EU, dem US-Außenministerium, dem Auswärtigen Amt, dem Bundesfamilienministerium. Die andere Hälfte stammt von privaten Spendern und Geldgebern wie dem Roten Kreuz und verschiedenen Stiftungen.

Lange Wartezeiten

Die Wartelisten des bzfo sind lang – die Nachfrage nach Therapieplätzen ist weit größer als das Angebot. Besonders viele Klienten kommen in letzter Zeit aus Afghanistan und Tschetschenien. „Wir beobachten, dass bei unseren Patienten neben der körperlichen die psychische Folter einen immer größeren Stellenwert einnimmt“, berichtet Hillen. „Ein Grund ist, dass die psychische Folter keine Narben hinterlässt und somit die Dokumentation von Folter erschwert. Zu diesen Methoden gehören Isolationshaft, Scheinhinrichtungen und Morddrohungen gegen die Familie und Freunde.“

Jährlich betreut das bzfo etwa 500 Patienten aus rund 50 Ländern, die in ihrer Heimat körperliche wie auch seelische Verletzungen erlitten haben. Häufige kommen chronische Schmerzzustände, unkontrollierbare Erinnerungen, Schlafstörungen mit Albträumen, psychosomatische Beschwerden, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie schwere Depressionen vor.

Es gibt Ambulanzen für Erwachsene sowie welche für Kinder und Jugendliche. Ihnen wird allgemeinärztliche sowie psychiatrische und psychotherapeutische Hilfe geleistet. Für Kinder und Jugendliche gibt es zudem spezielle psychotherapeutische Hilfsangebote. Die rund 60 Mitarbeiter leisten medizinische, psychotherapeutische und soziale Hilfe nach einem ganzheitlich orientierten Konzept. „Wir bieten den Patienten eine Art Rundumpaket“, erklärt Hillen. Dazu gehöre neben der Psychotherapie auch konkrete Unterstützung, um sich in die Gesellschaft integrieren zu können.

Grundlage für alle Behandlungen bildet eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie beziehungsweise Verhaltenstherapie. Daneben können Patienten an Gruppentherapien, Physiotherapien und Gestaltungstherapien teilnehmen. Doch nicht nur medizinisch-psychologisch wird den Migranten geholfen.

Sozialarbeiter unterstützen bei aufenthalts- und sozialrechtlichen Fragen, informieren zu Deutschkursen, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Sie vermitteln Kontakt zu Rechtsanwälten und Beratungsstellen und helfen, zu einem alltäglichen Leben zu finden. Viele Patienten lernen bereits während der Therapie Deutsch, was die spätere Integration erleichtert.

„Den Jugendlichen helfen wir einen Aus- bildungsplatz zu finden, den Erwachsenen versuchen wir, einen Arbeitsplatz zu vermitteln“, so Hillen. Arbeit sei ein wichtiger Baustein, um das Erlebte weiter verarbeiten zu können und die Therapieerfolge zu festigen. Das zeitlich begrenzte Arbeitsverbot behindere den Heilungserfolg erheblich. In seltenen Fällen kommt es vor, dass Asylbewerber ein Trauma vortäuschen, um einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu erlangen, berichtet Hillen. „Das kriegen wir aber normalerweise nach ein paar Sitzungen mit.“

Kooperation mit der Charité

Das bzfo betreut seit 2008 psychisch schwer erkranke Patienten in einer Tagesklinik in Zusammenarbeit mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité. Nach Angaben des Behandlungszentrums ist sie die bundesweit einzige interkulturell ausgerichtete, teilstationäre Therapieeinrichtung.

In der Tagesklinik gibt es sieben Behandlungsplätze für Patienten, die so schwer traumatisiert sind, dass eine ambulante Therapie nicht mehr ausreicht.

„Viele dieser Patienten entwickeln Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung und ziehen sich oft völlig von ihrer Umgebung zurück“, erklärt Klinikdirektor Prof. Andreas Heinz. Die Behandlung sei oft sehr langwierig und werde durch den vielfach fehlenden Kontakt zur Familie und ein Angst erzeugendes Asylverfahren noch zusätzlich erschwert. „Ein bis zwei Stunden Therapie pro Woche reichen da nicht mehr aus.“

Besonders zusätzliche ressourcen-orientierte Kreativtherapien wie zum Beispiel Kunst-, Musik- und Körpertherapie unterstützen die Behandlung, ergänzt Hillen. So wurde auch ein Heilgarten eingerichtet. „Die Arbeit dort, das Hegen und Pflegen der Pflanzen verhilft den Patienten zu einem besseren Selbstwertgefühl. Sie erkennen, dass sie etwas können, zu etwas nutze sind.“

Laut Charité wurden in den vergangenen Jahren rund 200 Flüchtlinge in der Tages- klinik therapiert. Sie kommen meist aus den Staaten des Kaukasus, dem Iran, der Türkei, dem Libanon und dem Balkan. „Die Tagesklinik ist ständig überbelegt“, berichtet der ärztliche Leiter Dr. Ferdinand Haenel. „Wir könnten die Zahl der Plätze gut und gerne verdoppeln.“

Eine umfassende Behandlung dauert zwischen sechs Monaten und einem guten Jahr. Ein großes Problem sei die Nachsorge, so Haenel. „Es gibt in Berlin wenig ambulante Behandlungsmöglichkeiten bei niederge-lassenen Psychiatern. Hier hilft die gute Zusammenarbeit mit der psychiatrischen Institutsambulanz der Charité.“eb

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