Portal zu legalen Drogen

Heikle Inhaltsstoffe

Als – vermeintlich – legale Alternative zu illegalen Drogen erfreuen sich Legal Highs ungebrochener Beliebtheit. Aber: Die häufig als Kräutermischungen und Badesalze vertriebenen Produkte enthalten psychoaktive Substanzen, deren Gesundheitsrisiken kaum erforscht sind. Das bundesweit einzigartige Portal Legal-High-Inhaltsstoffe.de versucht, die Informationslücke zu schließen, und bietet online anonyme Beratung an.

Im Jahr 2008 kam erstmals eine breite Diskussion über Legal-High-Produkte auf. Auslöser war die Kräutermischung „Spice“. Das Produkt wirkte wie ein Joint, gängige Drogentests konnten jedoch keine illegalen Substanzen darin entdecken. Weitere Analysen ergaben schließlich, dass die Mixtur ein bis dato unbekanntes synthetisches Cannabinoid enthielt. Die Kräuter dienten nur als Trägerstoff und Tarnung. Das in Spice enthaltene JWH-018 wurde unter das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) gestellt.

Dem Konsum tat das jedoch keinen Abbruch. Schnell kamen alternative Angebote auf den Markt, die durch leicht abgeänderte chemische Verbindungen das BtmG-Verbot umgingen.

In ihrem Jahresbericht 2010 sprach die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) vom Auftauchen „einer Rekordzahl neuer Substanzen“: Über 40 insgesamt wurden registriert. In den meisten Fällen handelte es sich um „Research Chemicals“, die in der Pharmaforschung legal verwendet werden.

Für den in der Drogenberatung aktiven Frankfurter Verein „Basis“ war Spice der Auslöser, sich intensiv mit der neuen synthetischen Drogenart zu beschäftigen. „Uns war schnell klar, dass es einen Bedarf an Aufklärung und Transparenz in diesem neuen Feld gibt“, berichtet Karsten Tögel-Lins von Basis. „Besonders problematisch fanden wir die Verschleierungspolitik der Hersteller: Eine neue synthetische Droge mit bisher völlig unbekannten Neben- und Langzeitwirkungen wird auf Kräuter aufgesprüht und den Konsumenten wird gesagt: „Alles prima, sind nur Kräuter.“ Dieser Marketingstrategie wollten wir was entgegensetzen.“ Ende 2010 startete Basis in Kooperation mit dem Frankfurter Drogenreferat die Arbeit an Legal-High-Inhaltsstoffe.de.

Schauplatz Internet

Legal-High-Produkte werden größtenteils über das Netz vertrieben. Die Online-Verfügbarkeit wird von der EBDD regelmäßig überprüft. Im Jahr 2011 ermittelte sie 314 Onlineshops, die Legal Highs verkauften. Ein Jahr zuvor hatte ihre Zahl noch bei 170 gelegen. Die meisten Betreiber vermutet die EBDD in Großbritannien und in den USA, in Deutschland existieren rund 25 Shops.

Eine Umfrage des „Centre for Drug Research“ der Uni Frankfurt aus dem Jahr 2011 identifizierte die Internetshops im In- und Ausland als die wichtigste Bezugsquelle für jegliche Art von Legal-High-Produkten. Insgesamt füllten 860 Personen im Alter von 13 bis 73 Jahren den Onlinefragebogen vollständig aus. Noch ein weiteres Ergebnis der Erhebung unterstreicht die große Bedeutung des Internets für das Legal- High-Phänomen: Die Auswertung ergab, dass Onlineforen die „mit Abstand am häufigsten verwendete Informationsquelle für Legal-High-Konsumierende“ sind.

Mit Legal-High-Inhaltsstoffe.de versucht Basis, auf die Digitalisierung von Drogenhandel und -konsum zu reagieren. Präsenz im Internet zu zeigen, betrachtet der Verein als unerlässlich, um über Gefahren aufzuklären. „Im Gegensatz zu den etablierten Drogen gibt es bei den Legal Highs keine klare Zielgruppe, die wir an einem Ort persönlich erreichen können. Vertrieb und Diskussion über die Produkte finden online statt. Deshalb ist das Internet auch die beste Möglichkeit, einen großen Teil der Konsumenten zu erreichen“, erklärt Tögel-Lins.

Absolute Anonymität

Auf Legal-High-Inhaltsstoffe.de finden User neben Angaben über die chemischen Komponenten getesteter Produkte auch Informationen über Gesundheitsgefahren: „In der Regel weiß der Konsument nicht, was für ein Cannabinoid enthalten ist, noch wie viel davon aufgetragen wurde. Auch wenn durch Aufmachung und Vertrieb der Eindruck erweckt wird, es handelt sich um ein sauberes Produkt, gibt es keine Qualitätskontrollen“, warnt Basis im Websitebereich „Infos für Konsumenten“.

User, die Fragen zu Legal Highs haben, können außerdem die Onlineberatung nutzen. Hier setzt der Verein auf absolute Anonymität. Tögel-Lins: „Man muss nicht einmal eine E-Mail-Adresse angeben, um uns zu kontaktieren. Nutzer können ihre Frage in einen Textkasten auf der Homepage eintragen und über eine verschlüsselte Verbindung an uns senden. Anschließend bekommen sie einen Code, mit dem sie ihre Antwort nach spätestens zwei Tagen im Netz abrufen können.“

Nach eigenen Angaben haben die Berater von Basis bisher circa hundert Fragen beantwortet. „Es geht um sehr unterschiedliche Themen, die von direkten Analyseanfragen bis zu sehr komplexen pharmazeutischen Fragen reichen“, fasst Tögel-Lins zusammen.

Auch rechtliche Aspekte würden oft angesprochen. Bei den juristischen Positionen in Bezug auf Legal Highs gebe es zurzeit aber noch viele Grauzonen, so der Berater. Grund: Der Umgang mit den Produkten nach dem BtmG ist bisher noch nicht klar geregelt.

Einem Infopapier des Drogenreferats Frankfurt zufolge steht ein Sachverhalt jedoch fest: Die in Legal-High-Produkten enthaltenen Research Chemicals fallen – wenn sie noch nicht ins Betäubungsmittelgesetz aufgenommen wurden – unter das Arzneimittelgesetz (AMG). „Das bedeutet, Herstellung und Verkauf sind verboten, die Händler machen sich nach dem AMG strafbar“, schreibt die Frankfurter Expertenstelle.

Der Handel mit Legal Highs bleibe dennoch für viele Verkäufer attraktiv: Die Strafen nach dem AMG fielen eher gering aus, während die Gewinnmargen ein Vielfaches des Cannabishandels ausmachten.

Susanne Theisen

Freie Journalistin in Berlin

info@susanne-theisen.de

INFO

Gefährliche Substanzen

Der Konsum von Legal-High-Produkten birgt nach Meinung von Experten viele Gesundheitsgefahren. Ein großes Risiko ist, dass genaue Angaben über die Inhaltsstoffe und deren Konzentration fehlen. Konsumenten wissen daher nicht, was genau sie einatmen oder schnupfen. Zudem fehlen Studien über das Suchtpotenzial von Legal Highs.

Wie die Substanzen der Gesundheit schaden können, deuten die Ergebnisse einer Onlineumfrage des Centre for Drug Research der Uni Frankfurt aus dem vergangenen Jahr an. Viele Teilnehmer berichteten von Nebenwirkungen: Bei zwei Dritteln von ihnen kam es zu Herzrasen, bei jedem Zweiten zu Kreislaufproblemen und Kopfschmerzen. Mehr als 40 Prozent litten unter Übelkeit und ein Drittel erlebte Angstzustände nach dem Konsum von Legal Highs.

Das BKA meldete außerdem Fälle von Kreislaufversagen, Ohnmacht, Psychosen, Wahnvorstellungen, Muskelzerfall sowie drohendem Nierenversagen und schweren Intoxikationen.

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