Sinusitis und Diplopie:Schuld war ein Stift in der Kieferhöhle
Ali Modabber et al.
Ein 24-jähriger afghanischer Patient wurde durch auswärtige Überweisung in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsklinik Aachen vorstellig. Er litt seit Jahren unter einer Verminderung der Sehkraft des rechten Auges, zudem seit ungefähr einem Jahr an Kopfschmerzen, Ausfluss aus der Nase und Doppelbildern.
Die klinische Untersuchung zeigte eine Schleimhautschwellung im Bereich der rechten Nasenmuscheln und eitrigen Ausfluss aus dem rechten Cavum nasi. Die augenärztliche Untersuchung ergab eine Doppelbildsymptomatik und eine Visusminderung des rechten Auges. Die Netzhaut zeigte sich reizlos und es gab keinen Hinweis auf eine Kompression des Nervus opticus.
In der angefertigten Computertomografie des Gesichtsschädels zeigten sich eine umschriebene Destruktion des knöchernen Bodens der rechten Orbita mit Kontakt zur Kieferhöhle, eine Destruktion des dorsalen, des lateralen und des medialen Kieferhöhlenanteils und eine längliche, scharf begrenzte röntgendichte Verschattung, die als radiologisches Korrelat für einen Fremdkörper zu werten war. Die Ausdehnung reichte von der kranialen Kieferhöhlenvorderwand mittig bis nach dorsal in den Parapharyngealraum (Abbildungen 1, 2 und 3).
Die rechte Kieferhöhle zeigte sich komplett verschattet. Der Patient wusste nicht genau, wie der Fremdkörper in die Kieferhöhle gelangen konnte, erinnerte sich jedoch auf Nachfragen an einen Stolpersturz in der Schule vor rund 15 Jahren, bei dem er stark aus der Nase geblutet hatte. Damals sei keine weitere Diagnostik erfolgt.
Der Fremdkörper wurde durch eine osteoplastische Kieferhöhlenoperation in Vollnarkose entfernt. Aus der vorderen Kieferhöhlenwand wurde ein konisches Rechteck herausgelöst und nach der Entfernung des Fremdkörpers wieder eingesetzt. (Abbildungen 4 und 5).
Der Defekt des Augenhöhlenbodens wurde durch einen infraorbitalen Zugang mit einer resorbierbaren PDS-Folie gedeckt. Bei dem geborgenen Objekt handelte es sich um einen fast sieben Zentimeter langen Bleistift, der nach 15 Jahren in der Kieferhöhle noch funktionstüchtig war (Abbildung 6). Der histopathologische Befund des entnommenen Gewebes, das sich um den Bleistift herum gebildet hatte, ergab eine chronische Entzündung mit teils erosiv-ulzerösen Ausprägungen. Bereits wenige Tage nach dem Eingriff waren die Beschwerden stark rückläufig und der Patient konnte in gutem Allgemeinzustand aus der Klinik entlassen werden. Die Visusminderung des rechten Auges, am ehesten bedingt durch die chronische Entzündung, blieb persistent.
Diskussion
Die Leidensgeschichte des Patienten hätte durch eine bildgebende Diagnostik und die notwendige chirurgische Therapie verkürzt werden können. Eine Rhinosinusitis ist eine entzündliche Erkrankung der Schleimhaut der Nase und der Nasennebenhöhlen. Einseitige Kieferhöhlenentzündungen können verschiedene Ursachen haben. Ein odontogener Fokus ist häufig für das Krankheitsbild verantwortlich. Fremdkörper im Bereich der Kieferhöhle sind selten, treten aber immer wieder auf [Tingsgaard et al., Prasant et al., Borgonovo et al.]. Ein langjähriges symptomloses Intervall ist bei fremdkörperver schuldeter Infektion möglich. Weiterführende Untersuchungen, wie eine Endoskopie oder bildgebende Verfahren, stellen grundlegende Untersuchungsmethoden dar. Die endoskopische sinunasale Chirurgie ist eine minimal-invasive Methode, die jedoch durch die Größe und die Position des Fremdkörpers limitiert ist. Als Alternative eignet sich, wie in diesem Fall, der osteoplastische offene Zugang durch die vordere Kieferhöhlenwand.
Dr. Ali ModabberDirk Elvers Ltd. OA Dr. Dr. Alireza GhassemiUniv.-Prof. Dr. Dr. Frank HölzleKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieUniversitätsklinikum RWTH AachenPauwelsstr. 3052074 Aachenamodabber@ukaachen.dedelvers@ukaachen.deaghassemi@ukaachen.defhoelzle@ukaachen.de
PD Dr. Dr. Marcus GerressenKlinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,Plastische und Ästhetische OperationenHeinrich-Braun-Klinikum ZwickauKarl-Keil-Str. 3508060 Zwickaumkg@hbk-zwickau.de
Tipps für die Praxis
• Rhinorrhoe und Schmerzen im Bereich der Kieferhöhlen sollten abgeklärt werden.
• Fremdkörper in der Kieferhöhle sind differenzialdiagnostisch als Ursache einer chronischen, eitrigen Entzündung denkbar, vor allem wenn die Kiefer-höhlenentzündung einseitig auftritt.
• Fremdkörper können nach Jahren der klinischen Symptomlosigkeit plötzliche akute Beschwerden auslösen.
• Fremdkörper in der Kieferhöhle sollten möglichst zeitnah entfernt werden, um spätere Komplikationen zu vermeiden.