Auf dem richtigen Weg
„Wo steht die zahnmedizinische Versorgung – sind wir gut aufgestellt, um für die Menschen in Deutschland eine qualitativ hochwertige, wohnortnahe, flächendeckende Versorgung sicherzustellen?“ Mit dieser Frage eröffnete der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz das diesjährige Frühjahrsfest. Seine Antwort: ein klares „Ja“. Mit Einführung der Festzuschüsse 2005 habe es die Zahnärzteschaft geschafft, den klassischen Zielkonflikt im Gesundheitswesen, bestehend aus dem Wunsch nach der bestmöglichen Versorgung und der Finanzierbarkeit, aufzulösen. Fedderwitz: „Einerseits haben wir unseren Patienten die Teilhabe am medizinischen Fortschritt ermöglicht, andererseits einen solidarisch finanzierten Leistungskatalog definiert, der in Europa einzigartig ist und den wir kontinuierlich weiterentwickeln.“ Das Festzuschusssystem sei damit zu einer Art Vorzeigemodell avanciert, weil es die Partizipation an der medizinischen Entwicklung mit begrenzten Mitteln sichert. Zugleich sei die heutige Versorgung mit Zahnersatz in Deutschland ausgewogen und schließe Überforderungen sozial bedürftiger Menschen aus – mithilfe einer umfassenden Härtefallregelung. „Von einer zunehmenden Privatisierung der Zahnmedizin kann überhaupt keine Rede sein“, stellte der KZBV-Chef klar.
Bei der Mundgesundheit belegt Deutschland bekanntlich international einen Spitzenplatz: „Wir sind Weltmeister in Sachen Prävention. Aber es gibt natürlich nichts, was man nicht noch besser machen könnte“, räumte Federwitz ein. „Entscheidend für die Erfolge bei der Mundgesundheit ist die konsequente Ausrichtung von einer kurativen hin zu einer präventiven Zahnheilkunde.“ Der Bundesgesundheitsminister habe mit den Regelungen für die aufsuchende Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung die zentralen Bausteine des zahnärztlichen Konzepts aufgegriffen. Vor allem für behinderte Menschen Anfang 30 sei eine Ergänzung durch präventive Maßnahmen für die Entwicklung der Mundgesundheit von elementarer Bedeutung.
Was fehlt
„Mit unserer Agenda Mundgesundheit setzen wir auf den weiteren Ausbau der erfolgreichen Präventionsstrategie“, erklärte Fedderwitz. „Wir haben den ersten Schritt gemacht. Was fehlt, ist ein Präventionsmanagement. Es kann einfach nicht sein, dass das Pflegepersonal nicht weiß, wie die Mundgesundheit der aufgenommenen Patienten aussieht. Das ist kein Vorwurf, macht aber nachhaltige Lösungen notwendig.“ Diese Thematik sei für die Zahnärzte beileibe kein Feigenblatt oder etwa ein neues Geschäftsfeld, „sondern unser fachliches Anliegen als Zahnärzteschaft und damit unser ethischer Anspruch und unsere gesellschaftliche Verantwortung“. Mit der Agenda rücke die Zahnärzteschaft Versorgungsprobleme in den Mittelpunkt – wie etwa die frühkindliche Karies, Parodontalerkrankungen und die Alters- und Behindertenzahnheilkunde. Auch die Zahngesundheit der Zwölf- bis 15-Jährigen sei eine sozialpolitische Aufgabe, ebenso die Vermeidung der Early Childhood Caries. Fedderwitz: „Hier müssen wir zusammenarbeiten, um junge Eltern zu erreichen. Ärzte können das nicht schaffen. Ich appelliere daher an die Politik, unsere Konzepte umzusetzen.“
Dass für die Zahnärzte in dieser Legislaturperiode einiges erreicht worden sei, schilderte Bundesgesundheitsminister Bahr. Bei der Novellierung der GOZ etwa habe die Politik auf eine Bematisierung und die Öffnungsklausel verzichtet – und damit den entscheidenden Forderungen des Berufsstands Rechnung getragen. Angesichts dieser Zugeständnisse seien größere Honorarsteigerungen freilich nicht umsetzbar gewesen.
Bahr: „Im Ergebnis haben wir eine freiheitliche Gebührenordnung realisiert, die die Anforderungen an eine moderne Zahnmedizin erfüllt.“
Der Wille ist da
Allein die Abschaffung der strikten Budgetierung spüle pro Jahr über 120 Millionen Euro mehr für die Zahnmedizin in die Kassen und schaffe damit größere Handlungsspielräume für die Vertragspartner. Zudem habe das BMG beim Honorar die Kluft zwischen Ost und West angepasst. Bahr: „Sie sehen: Der Wille ist da!“ Er wisse, dass die Zahnärzteschaft die Möglichkeiten des Versorgungsstrukturgesetzes nutze und mit den Kassen konstruktiv verhandele. „Das ist unser Grundgedanke: eine Selbstverwaltung, deren Ziel es ist, partnerschaftlich zu Lösungen zu kommen.“ Ein Punkt stehe indes noch auf der To-do-Liste: die Approbationsordnung für Zahnärzte (ApoZ). „Leider warten wir noch auf die abschließende Klärung durch die Länder“, berichtete er. Das Prozedere dauere länger als erwartet, danach könne man den Abstimmungsprozess einläuten. Dass die neue ApoZ noch vor der Sommerpause steht, sei allerdings fraglich.
Bei der zahnmedizinischen Betreuung von Alten und Pflegebedürftigen habe die Regierung die ersten Schritte getan, damit man Erkrankungen vermeiden, erkennen und behandeln kann. Mit der neu geschaffenen Leistungsposition stelle man für die aufsuchende Versorgung 20 Millionen Euro extra pro Jahr zur Verfügung. Bahr forderte die Zahnärzte auf, diese Möglichkeiten zu nutzen „und dadurch den Bedarf aufzu- zeigen und zu dokumentieren“.
Beim Thema „Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ machte er klar: „Wir brauchen eine Regelung, um gegen Korruption vorzugehen – auch, um die Freiberuflichkeit zu schützen.“
Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient habe eine besondere Qualität. „Wir sprechen hier von Einzelfällen, doch diese schwarzen Schafe müssen identifiziert werden. Regeln sind notwendig, um die Frei- beruflichkeit insgesamt zu erhalten.“
Das Mehr an Gerechtigkeit
BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel verwies auf die anstehende Bundestagswahl: „Für den Wahlkampf haben sich alle Parteien das Thema Gerechtigkeit ganz dick auf die Fahnen geschrieben. Aber nicht nur eine sichere Rente oder ein gutes Einkommen, sondern auch der gleiche Zugang zu einer hochwertigen Zahnmedizin ist ein Zeichen für ein Mehr an Gerechtigkeit und ein Plus an Lebensqualität.“ Eine hochwertige Zahnmedizin müsse im Hier und Jetzt und jenseits aller Reformrhetorik auf den Weg gebracht werden. Engel: „Das gilt vor allem für die Menschen, die unsere Hilfe am nötigsten brauchen: Pflegebedürftige, Ältere und sozial Schwache. Sie fallen immer noch viel zu häufig durch die Maschen unseres Gesundheitsnetzes.“ Hier sei zweifellos die Politik gefordert, weiter nachzulegen. „Dennoch dürfen wir Heilberufler nicht einfach darauf warten“, rückte Engel gerade. „Nach dem Motto „Let’s walk the Talk“ setzen sich viele Kolleginnen und Kollegen mit viel Engagement und per Ehrenamt für ein Mehr an zahnmedizinischer Chancengleichheit ein – beispielsweise mit einer Vor-Ort-Versorgung für Pflegebedürftige, für Migranten, für Kinder in sozialen Brennpunkten oder für Obdachlose.“
Engel zufolge engagieren sich die Zahnärzte darüber hinaus aber auch als Arbeitgeber für mehr Chancengleichheit. Wie er ausführte, verzeichnen die Zahnarztpraxen eine hohe Ausbildungsquote und stellen im Vergleich zu anderen Lehrlingsberufen den höchsten Anteil an Azubis mit Migrationshintergrund. Zusätzlich biete man gerade auch Hauptschülern gute Chancen auf eine Lehrstelle – mehr als in allen anderen Freien Berufen. Allein per Rechtsform fördere die BZÄK die Ausbildung junger Menschen. Engel: „Laut OECD sind die Kammern nachweislich ein Garant für Pflege und Ausbau des dualen Ausbildungssystems.“
Das Engagement der Zahnärzte gehe aber weit über den zahnmedizinischen Bereich hinaus. Jüngstes Beispiel: das Projekt „Mund auf gegen Blutkrebs“, eine Initiative der BZÄK und der Deutschen Knochenmarkspenderdatei. Die Idee dahinter: Zahnärzte helfen im Kampf gegen Blutkrebs potenzielle Spender zu finden. „Für viele Leukämiekranke steigt somit die Chance erheblich, eine passende Stammzellspende zu finden“, erläuterte Engel. „Lediglich zu warten, was aus der „Blackbox Politik“ herauskommt, das reicht uns nicht. Es ist unsere Pflicht, uns für eine bessere Zahnmedizin für jede und jeden zu engagieren.“