Koordinierungskonferenz Öffentlichkeitsbeauftragte

Auf ins Patientenhirn

Der Zahnarzt erklärt dem Patienten das Festzuschussmodell, aber wie sehr er sich auch anstrengt: Die Botschaft kommt nicht an. Das ist ohnehin vergebliche Liebesmüh? Nein, sagen Kommunikationsexperten, der Arzt dringt durch – wenn er sich ins Gehirn des Patienten versetzt. Den Weg dahin diskutierten die Öffentlichkeitsbeauftragten von BZÄK und KZBV Ende September in Leipzig.

„Den Patienten über Krankheit und Therapie aufzuklären und zu informieren, ist Aufgabe der zahnärztlichen Selbstverwaltung. Das Berufsrecht schreibt im Rahmen des Shared Decision Making Aufklärung vor“, führte BZÄK-Vizepräsident Prof. Dietmar Oesterreich als Gastgeber in das Thema ein. „Nichtsdestotrotz ist Gesundheitskommunikation schwierig, weil komplizierte Sachverhalte verständlich erklärt werden müssen.“

Wie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Gesundheitsinformationen aufbereitet, erklärte Dr. Klaus Koch, Ressortleiter des institutseigenen Portalsgesundheitsinformation.de.

Insgesamt 250 000 Besucher gehen Koch zufolge jeden Monat auf die Website. „Unsere Informationen sollen Patienten helfen, sich zu entscheiden – für oder gegen eine Behandlung, mit Arzt oder alleine.“ Angesichts der heutigen Informationsflut sei entscheidend, wie man mit Gesundheitsinformationen umgeht und wie man sie bewertet. Koch: „Diese Kompetenz wollen wir vermitteln.“ Die konkrete Entscheidungshilfe lasse sich anhand von fünf Punkten bemessen:

1. Das korrekte Wissen verbessert sich.

2. Die Risikoeinschätzung wird besser.

3. Die Zufriedenheit mit der Entscheidung steigt.

4. Innere Konflikte nehmen ab.

5. Die finale Entscheidung stimmt mit den eigenen Werten überein.

Einen Abriss über die Anfänge der Bereitstellung von Patienteninformationen im Web bis heute gab Dr. Birgit Hiller, Leiterin der Internetredaktion des Krebsinformationsdienstes KID im Deutschen Krebsforschungszentrum.

Hausfrauen am Telefon

Sie gründete das erste „medizinische Callcenter“ in den 90ern und sah sich damals vielen Vorurteilen ausgesetzt: „Da sind Hausfrauen am Telefon, hieß es. Wir haben uns unser Standing hart erarbeiten müssen.“ Qualitätsmanagement sei dabei grundlegend, wiewohl in der Praxis ein breiter Konsens dazu fehle. Hiller: „Es gibt erstaunlich wenig Kriterien, die durch Gesetze und Verordnungen vorgegeben werden.“

Dass der Patient keine Fachdiskurse, sondern ganz einfach sein Problem gelöst haben will, verdeutlichte Benjamin Minack, Geschäftsführer der Agentur ressourcenmangel, in seinem Crashkurs zur gelungenen Patienteninformation: „Erzählen Sie ihm eine Geschichte anstatt nur Fakten aufzulisten und versetzen Sie sich in seine Perspektive.“ Minack und seine Agentur entwickelten die KBV-Kampagne „Wir arbeiten für Ihr Leben gern“.

Aber was genau braucht der Patient? Diese Frage beantwortete Prof. Marie-Luise Dierks, Leiterin des Masterstudiengangs Public Health am Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der Medizinischen Hochschule Hannover: „Gute Patienteninformationen arbeiten mit absoluten Zahlen.“ Dirks zufolge haben 40 Prozent der Erwachsenen Schwierigkeiten, geschriebene Inhalte aufzunehmen und zu verstehen. „Wir müssen mit den Patienten in anderer Weise sprechen“, betonte sie. „Eine Möglichkeit ist die leichte Sprache.“ Beispiel IGeL: Auch hier müssten die Ärzte in verständlicher Weise erklären, wie die Angebote funktionieren. Doch gerade die Erfahrungen mit IGeL seien eher negativ, weil die Patienten sich überrumpelt fühlen. Dierks: „Von ärztlicher Seite wird oft ein hoher Druck aufgebaut. Das Vertrauen zum Arzt wird dadurch beeinträchtigt. Es werden einfach zu viele Untersuchungen gemacht.“ Plötzlich werde der Arzt Verkäufer – eigentlich ein marktwirtschaftlich orientierter Prozess, aber schwierig zu verstehen für den Patienten.

Dass Respekt der Schlüssel ist, erläuterte Dr. Patricia Grünberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin Kommunikationsmanagement und Public Relations an der Uni Leipzig. „Wenn es Ihnen gelingt, den Selbstwert des Rezipienten zu stärken, Sie selbst eine glaubwürdige Quelle sind und soziale Akzeptanz schaffen, dann werden Ihre Informationen angenommen.“ Bei konkreten Texten empfiehlt sie klare Formulierungen: „Patienten stolpern über hätte, wäre, könnte.“

Patientenbrille aufsetzen

„Wir müssen uns die Patientenbrille aufsetzen“, bekräftigte auch Oesterreich in seinem Schlusswort. „Die Sicht des Patienten einzunehmen, ist die Voraussetzung für die erfolgreiche Kommunikation. Der Perspektivwechsel ist das zentrale Thema.“ Um den Patienten zu erreichen, müsse man darüber hinaus institutionelles Vertrauen aufbauen und Transparenz schaffen.

„Das Problem besteht darin, die Patienten so zu informieren, dass sie es verstanden haben“, bilanzierte der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz und nannte als Beispiele komplexe Behandlungen und Abrechnungsmodelle wie Zahnersatz, den Heil- und Kostenplan sowie die Festzuschüsse. „Hier geht nicht nur um die Mitbeteiligung, sondern um die Mitentscheidung des Patienten.“

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