Die Weichen richtig stellen
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Deutschlands SPD hadert mit ihrer politischen Standortbestimmung. Die Frage drückt wieder, akut zur Bundestagswahl: Mehr „mittig“? Oder mehr nach „links“?
Uns Zahnärzten schafft das gesundheitspolitisch keinen Handlungsbedarf. Dass die Sozialdemokraten im Wahlkampf an-kündigen, die GKV-Finanzierung wieder hälftig auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer rückverteilen zu wollen, zwingt auf ersten Blick vielleicht auch noch nicht zu Aktionen. Dass man links von roter oder auch grüner Mitte damit aber ein Signal zur Etablierung der Bürgerversicherung setzen will, fordert ganz klar uns als Berufstand. Ganz unab-hängig und unparteilich, aber deutlich: Eine Bürgerversicherung löst nicht die Probleme, die wir in den kommenden Jahren zu bewältigen haben. Davor müssen wir warnen!
Wer die Vorgeplänkel der Volksparteien im Wahlkampf sortiert, wer die vorhandene Programmatik analysiert und populistische Schnellschüsse aus der Hüfte richtig einschätzt, weiß, dass die großen Weichen- stellungen, die angesichts der Heraus- forderungen Demografie, wirtschaftliche Entwicklung und medizinischer Fortschritt resultieren, letztlich drei Wege aufzeigen. Davon führen zwei unser vergleichsweise nach wie vor hochwertiges Gesundheits- wesen in fatale Sackgassen:
Die Bürgerversicherung, deren Denk-Ansatz auf die Abschaffung des dualen Systems unter größtmöglicher staatlicher Kontrolle, wenn nicht gar Quasi-Verstaatlichung des Systems hinausläuft, ist quantitativ wie qualitativ keine Option, die Patienten, Leistungsträgern und Entscheidern weiterhelfen kann. Die Bundeszahnärztekammer – so hat sie es auf ihrer Bundesversammlung im vergangenen Herbst beschlossen – lehnt diese Reform- option ab.
Ebenfalls keine Perspektive für künftige Modifikationen unseres Gesundheitssystems ist die von verschiedenen parteipolitischen Fraktionen favorisierte Entwicklung eines einheitlichen Krankenversicherungsmarkts. Dieses aus Kreisen modernistisch denkender gesetzlicher Krankenversicherungen stammende Konzept will der privaten Säule unseres Versicherungssystems das Recht auf Krankenvollversicherung absprechen. Die so beabsichtigte Umverteilung der Kapitaldeckungsgelder und die damit einhergehende Konzentration auf wenige verbleibende Krankenversicherungen lässt Optionen für Zusatzversicherungen, läuft aber letztlich auf eine Monopolisierung weniger Player in einem für uns Ärzte und unsere Patienten kaum vorteilhaften Angebotssystem hinaus.
Ein auf diesem Weg geschaffenes System weniger Großeinheiten hat Deutschland mit der Abschaffung der DDR und ihren poli- klinischen Strukturen vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten gerade verlassen. Wir wollen das nicht zurück!
Aber wir Zahnärzte wären keine ernst zu nehmenden Diskutanten, wenn wir keine konstruktive Option einzubringen hätten: Unser Plädoyer ist ein dritter Weg, eine auf Nachhaltigkeit und Stabilität ausgerichtete Optimierung des dualen Systems. Wir brauchen zwei funktionierende Versicherungssäulen, die eine abgesicherte Grundversorgung beinhalten, aber auch die Möglichkeit, über gewünschte Zusatzversorgungen frei zu verhandeln und zu entscheiden.
Im zahnärztlichen Bereich sind wir hier schon sehr weit. Unser allgemein anerkanntes System, das eine flexible Handhabung zwischen garantierter Regelversorgung und Zuschüssen für individuell gewünschte höherwertige Leistungen kombiniert, hat beispielhaft Wege aufgezeigt, die alle Versuche, die zahnmedizinische Versorgung wieder dem allgemeinärztlichen Denkmodellen unterzuordnen, als Irrwege brandmarkt.
Die Bundeszahnärztekammer wird in diesem für die Zukunft des Gesundheitswesens wichtigen Jahr dezidiert eine Optimierung des dualen Systems fordern und argumentativ unterlegen. Wir werden schädliche Überlegungen kategorisch ablehnen. Wir werden Finger in offene Wunden legen müssen, aber wir werden auch Wege aufzeigen, die eine nachhaltige Politik der Vernunft möglich machen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer