Koordinierungskonferenz der Öffentlichkeitsbeauftragten

Zielgruppen betreuen – Lücken schließen

„Risikogruppen erreichen – ein gesamtgesellschaftliches Problem“ – so lautete das Thema der Frühjahrskonferenz der Öffentlichkeitsbeauftragten von Kammern und KZVen Anfang März in Saarbrücken. Das Ziel aus Sicht aller Beteiligten: gesunde Zähne für alle ein Leben lang und die Förderung der Prävention unter Berücksichtigung spezifischer Bedürfnislagen.

In einem gemeinsamen Vortrag ordneten der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz und BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterreich die Risikogruppenproblematik in die politische Strategie der Zahnärzteschaft ein. Fedderwitz verwies auf die Bundestagswahlen im Herbst. Dort sei eine Weichenstellung für die Gesundheitspolitik der kommenden Jahre zu erwarten. KZBV und BZÄK hätten mit ihren beiden Positionspapieren, der „Agenda Mundgesundheit“ der KZBV und der „Perspektive Zahnmedizin“ der BZÄK, die Grundlagen geschaffen, um gemeinsame Forderungen zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens aus Sicht des Berufsstands an die Politik aufzustellen. Ziel sei die „Vision Mundgesundheit“, das heißt, gesunde Zähne bis ans Lebensende zu erhalten bei steigender Lebenserwartung trotz soziodemografischem Wandel und auch bei individuell erhöhtem Erkrankungsrisiko.

Oesterreich verwies auf die Medizin als soziale Wissenschaft. Das zeige sich vor allem bei der Prävention. Dieses Thema beschäftige den Berufsstand schon lange. Präventionsstrategien erstreckten sich über den gesamten Lebensbogen, beginnen vom frühestmöglichen Zeitpunkt an und seien bezogen auf ein flächendeckendes Versorgungssystem innerhalb und außerhalb der Zahnarztpraxis. Es gehe darum, gesundheitliche Potenziale zu stärken, in Netzwerken zu agieren und gesamtgesellschaftlich vorzugehen. Zur Umsetzung dieser Strategien habe die BZÄK Mundgesundheitsziele bis zum Jahr 2020 definiert.

Im GKV-Bereich zeigten sich bezogen auf die Prävention Systemdefizite, führte Fedderwitz aus. Das betreffe vor allem drei Versorgungsbereiche: Kleinkinder (Early Childhood Caries ECC), Kinder und Jugendliche mit erhöhter Karieslast sowie Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen. Es gelte, die zahnärztliche Betreuung den spezifischen Risiken und Bedürfnissen der einzelnen Gruppen kontinuierlich anzupassen.

Vor allem Systemdefizite sollten abgebaut werden, ergänzte Oesterreich. Dazu gehörten ein Versorgungskonzept für Kleinkinder, der Settingansatz bei Jugendlichen, betriebliche Gesundheitsförderung oder kulturspezifische Ansätze bei Erwachsenen und die konsequente Umsetzung des zahnärztlichen AuB-Konzepts „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“. Notwendig seien eine stärkere Vernetzung mit anderen Akteuren und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Defizite abbauen

Der designierte Leiter des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ), PD Dr. Andreas Rainer Jordan, untermauerte die Aussagen der Standesvertreter anhand von epidemiologischen und sozialmedizinischen Daten. Bei den von ECC betroffenen Kleinkindern zeigten sich vor allem das Phänomen der Nuckelflaschenkaries und der unzureichende elterliche Umgang mit Mundhygiene als Problemfaktoren. Aufklärung könne nicht früh genug anfangen. Bei der Versorgung von Senioren sei wichtig, dass diese so lange wie möglich eigenverantwortlich Mundhygiene betreiben können. Versorgungsdefizite gebe es im Bereich von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen, vor allem bei Menschen in Pflegeheimen. Auch fehlten hier repräsentative Daten zur Versorgungssituation, ein Aspekt, der in der geplanten DMS-V- Studie aufgegriffen werde, erklärte Jordan.

Teamwork ist angesagt

Auf die Zusammenhänge von Armut, Gesundheit und Migration ging Prof. Dr. Nico Dragano, Universitätsklinikum Düsseldorf, ein. Gesundheitliche und soziale Risikoketten zeigten sich schon in früher Kindheit, Erkenntnisse aus der Medizin ließen sich auch auf die Zahnmedizin übertragen. Unter dem Motto „Closing the Gap“ empfehle die WHO folgende Maßnahmen: die alltäglichen Lebensbedingungen zu verbessern, die ungleiche Verteilung von Macht, Geld und Ressourcen zu verringern, die Probleme zu messen, zu verstehen und mögliche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Teamwork und gemeinsames, intersektorales Handeln seien gefordert, so Dragano.

Am Beispiel konkreter Projekte zeigte Franz Gigout von der Landesarbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung im Saarland, wie Förderung für sozial benachteiligte Gruppen funktionieren kann. Er verwies auf den Kooperationsverbund für Gesundheitliche Chancengleichheit, ein bundesweites Verbundprojekt mit 57 Partnern auf Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Zielgruppen seien Praxis, Wissenschaft und politische Entscheider. Wer effektive Arbeit leisten will, müsse ins Umfeld der Menschen gehen, so seine Empfehlung. Gezielte Projekte gebe es beispielsweise für Stadtquartiere, bei Kindern und Jugendlichen, bei Arbeitslosen oder bei Älteren, der Zugang erfolge auf kommunaler Ebene.

Um Zielgruppen zu erreichen und zu überzeugen, seien geeignete Kommunikationsstrategien notwendig, betonte Prof. Dr. Reinhold Roski von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Gesundheitskommunikation sollte darauf gerichtet sein, freiwilliges Verhalten zu beeinflussen und zu ändern. Wichtig sei, die entsprechenden Kommunikationskanäle (Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, Websites, Social Media oder Broschüren) zielgruppengerecht einzusetzen. So seien beispielsweise bei Kindern Setting-Ansätze in Kitas oder Schulen wirkungsvoll, auch unter Einbindung der Erzieher. Und nicht zuletzt fördere der Einsatz für einen allgemein gesunden Lebensstil auch die Zahngesundheit, so Roski.

Info

Neue Strategien

Die Zahnärzteschaft entwickelt zurzeit eine Präventionsstrategie zur Vermeidung der Early Childhood Caries (ECC) für Kinder unter drei Jahren. Ebenfalls in Arbeit: ein Konzept für das systematische Präventionsmanagement alter und pflegebedürftiger Menschen. Bislang sind für diese Gruppe im GKV-Katalog keine präventiven Leistungen verankert.

Info

Fünf Thesen zur Präventionsarbeit

KZBV und BZÄK stellen fünf Thesen zur Präventionsarbeit auf:

Präventionserfolge wird es künftig nur durch zielgruppenspezifische Maßnahmen geben.

Die Individualprophylaxe in der Praxis ist und bleibt ein wichtiger Pfeiler der Prävention. Aber die größten Herausforderungen stellen sich heute außerhalb der Praxis.

Weitere Verbesserungen der Mundgesundheit werden nur durch die Integration der Zahnmedizin bei gesundheitlicher Chancengleichheit erreicht werden.

Bildung ist der Schlüssel zu eigenverantwortlicher Prävention.

Prävention ist heute vor allem gleichgerichtete Kommunikation.

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