Kantine ja – Küssen nein
Viele Menschen in Deutschland wüssten zwar gut über HIV Bescheid, erklärte Gröhe, das eigentliche Problem sei aber, dass es im Umgang mit HIV-positiven Menschen noch immer Unsicherheiten und Ängste gebe. „Die neue Kampagne ist ein Appell, HIV-positive Menschen nicht auszugrenzen“, betonte der Gesundheitsminister. Man wolle bestehende Ängste aufgreifen und durch verbesserte Informationen einen offeneren Umgang mit den Infizierten fördern.
Denn: Akzeptanz und Solidarität sind nicht selbstverständlich. Eine aktuelle Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zeigt die Unsicherheit vieler Menschen in Deutschland im Umgang mit HIV-Infizierten. Über 1 000 Frauen und Männer wurden zu ihren Ängsten befragt. Die Ergebnisse: Je intensiver persönliche Körperkontakte zu HIV-positiven Menschen werden könnten, desto größer sind die Unsicherheiten.
Auf die Frage „Würdest Du mit einem HIV-positiven Kollegen gemeinsam in die Kantine gehen?“ antworteten 85 Prozent, dass sie dies machen würden. Auf die Frage „Würdest Du jemanden mit HIV küssen?“ antwortete fast jeder Zweite ablehnend – obwohl auch hier kein Ansteckungsrisiko besteht.
Mit der jetzt gestarteten Kampagne „Positiv zusammen leben“ sollen genau diese Unsicherheiten abgebaut werden. Gemeinsam mit der Deutschen AIDS-Hilfe, der Deutschen AIDS-Stiftung und der BZgA plädiert das Gesundheitsministerium für einen angst- und vorurteilsfreien Umgang mit HIV-Positiven.
Mehr Aufklärung für mehr Toleranz
Auch die Bundesärztekammer (BÄK) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) rufen dazu auf. „Etliche Ängste vor einer HIV-Übertragung im Alltag sind unbegründet“, betonte BZÄK-Vizepräsident Prof. Dietmar Oesterreich. Das gelte auch für die Praxis: „In den Zahnarzt- und Arztpraxen in Deutschland gelten sehr hohe Hygiene-standards für jeden Patienten. HIV-Patienten nehmen hier keine Sonderrolle ein“, hob er hervor. Eine zahnärztliche Behandlung HIV-positiver Patienten erfordere deshalb keine zusätzlichen Maßnahmen für Hygiene und Arbeitsschutz (siehe Kasten). Eigene Behandlungsräume für HIV-Infizierte oder Behandlungen erst am Ende des Sprech- tages seien völlig unnötig und würden die Stigmatisierung und Ausgrenzung dieser Patientengruppe nur befördern, so der BZÄK-Vize.
„Aufgabe von Ärzten ist es, ihre Patienten nach einer Diagnose aufzufangen und sie medizinisch zu betreuen. Ärzte wirken aber auch präventiv und klären über Ansteckungsrisiken auf. So gehen sie gegen Verharmlosung und gesellschaftliche Vorurteile an“, erklärte Dr. Martina Wenker, Vizepräsidentin der BÄK. Wenker und Oesterreich wiesen darauf hin, dass Ärzten und Zahnärzten ein breites Spektrum von Fortbildungsveranstaltungen zur Verfügung stehe, die von den Kammern angeboten werden. Zahnmedizinstudierende erhielten umfassende Kenntnisse auf dem Gebiet der Infektologie und auch die Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten beinhalte ein umfangreiches Lernfeld zur Hygiene, erläuterte Oesterreich. Dieses Wissen gelte es auf dem aktuellen Stand zu halten. „Aidspatienten haben einen Anspruch auf eine gute ärztliche Versorgung mit Engagement und dem Respekt für die menschliche Würde“, bekräftigte Wenker.
Grafik:BZgA - zm