Eine restaurative Alternative
Die Prognose für Zähne mit fortgeschrittenen kariösen Läsionen und symptomatischer Pulpitis ist in Entwicklungsländern und in Ländern mit geringer zahnmedizinischer Infrastruktur sehr schlecht. 90 Prozent der kariösen Läsionen bleiben unbehandelt und die Extraktion stellt meist die Therapie der Wahl dar. Möglichkeiten des Zahnerhalts wie Füllungen oder gar endodontische Behandlungen sind aufgrund der meist minimalen zahnmedizinischen Möglichkeiten eingeschränkt.
Die atraumatisch restaurative Behandlung, das „Atraumatic Restorative Treatment“ (ART), hat sich daher seit den 1990er-Jahren zu einem globalen Meilenstein in der Kariestherapie entwickelt. Die zentralen Stärken liegen hierbei in einer frühzeitigen Behandlung mit meist einflächigen Füllungen.
Um die Lücke zwischen der minimalen Füllungstherapie und der Extraktion des Zahnes zu schließen, wurde 2006 als Folgetherapie für ausgedehnte kariöse Defekte mit Pulpabeteiligung in einer Pilotstudie das BRT eingeführt.
Pilotprojekt in Gambia
Erste Untersuchungen fanden in der westafrikanischen Republik Gambia statt. Klinische Daten dieser Phase-1-Studie zeigten vielversprechende klinische Ergebnisse und Verbesserungen der Lebensqualität nach einem Zeitraum von zwölf Monaten.
Nach der erfolgreichen Durchführung der Pilotstudie wurde in einer klinisch-kontrollierten, multizentrischen Phase-2-Studie der Erfolg nach 24 Monaten untersucht. Hier-bei wurde BRT mit dem Goldstandard der Endodontie verglichen. Die Ergebnisse dieser Studie wurden nun im renommierten Journal of Endodontics [Jordan RA, Holzner AL et al., 2014] veröffentlicht.
Wesentliches Merkmal der atraumatisch restaurativen Behandlung ist eine manuelle Kariesexkavation in Kombination mit einem modernen Füllungsmaterial, für das spezielle, stopfbare Glasionomerzemente entwickelt wurden. Das BRT orientiert sich an diesen Prämissen durch eine ebenfalls vereinfachte Instrumentierung und Kanalaufbereitung. Hierzu zählen neben der taktilen Längen-bestimmung eine manuelle Wurzelkanal-aufbereitung und die Wurzelkanalfüllung in Zentralstift-Technik.
Im Rahmen einer Phase-2-Studie wurde in einem klinisch-kontrollierten Studiendesign die Behandlungsmethode des BRT als Folgetherapie für die atraumatisch restaurative Behandlung untersucht.
Hierbei handelte es sich um eine klinisch-kontrollierte Studie zur Beurteilung des Behandlungserfolgs dieses Verfahrens nach 24 Monaten. In die Studie eingeschlossen wurden 71 Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahren, bei denen es an einwurzeligen Zähnen während der Kariesexkavation im Zusammenhang mit ART zur Eröffnung der vitalen Pulpa kam. Nekrotische Zähne mit Perkussionsempfindlichkeiten oder Abszessbildungen wurden ausgeschlossen.
Es wurden drei Studienendpunkte festgelegt: Primärer Studienendpunkt war der Santos-Index, der die Qualität der Wurzelkanalfüllungslänge beurteilt. Sekundäre Endpunkte waren eine Modifikation des Periapikal-Index nach Orstavik zur radiologischen Bestimmung der periapikalen Heilung sowie klinische Symptome der Perkussionsempfindlichkeit und des Zahnverlusts.
Durchführung der Untersuchung
Probanden der Testgruppe wurden mit der BRT-Methodik behandelt. Während der Behandlung wurden keine Röntgenbilder angefertigt. Nach 24 Monaten erfolgte eine radiologische Verlaufskontrolle. Probanden der Kontrollgruppe wurden ebenso mit der BRT-Methodik behandelt, jedoch erfolgte eine radiologische Arbeitslängenbestimmung und Verlaufskontrolle.
In beiden Studiengruppen wurde der Wurzelkanal manuell aufbereitet und mit Zentralstifttechnik und einem auf Zinkoxid und Eugenol basierten, modifizierten Grossman-Zement abgefüllt. Die koronale Restauration erfolgte mit einem selbstätzenden Adhäsivsystem in Kombination mit einem universellen, lichthärtenden Nano-Hybrid-Füllungsmaterial als modifizierte ART-Restauration für große Substanzdefekte.
Im Rahmen der Nachuntersuchungen wurden die Probanden auf Perkussionsempfindlichkeiten und Schmerzen untersucht, und es erfolgte eine radiologische Kontrolle der periapikalen Verhältnisse zur Beurteilung des primären Endpunkts und des Periapikal-Index.
Ergebnisse
Insgesamt konnten zur Nachuntersuchung 53 der 71 in die Studie eingeschlossenen Probanden wieder angetroffen werden. Es stellten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Studiengruppen hinsichtlich des primären und der sekundären Studienendpunkte dar (p0,05).
Die einzelnen Ergebnisse der Wurzelfüllungslängen sowie der postoperativen, periapikalen Verhältnisse sind in den Grafiken 1 und 2 dargestellt.
Mit der beschriebenen Phase-2-Studie konnte die BRT-Technik erfolgreich validiert werden. Die taktile Längenbestimmung führte in dieser Untersuchung im Vergleich zur radiologischen Längenbestimmung zu vergleichbaren Ergebnissen und erwies sich als exakte Methodik für BRT.
Auch wenn für BRT ein enger Indikations-bereich gilt, da bisher hiermit nur einwurzelige, nicht nekrotische Zähne endodontisch behandelt wurden, stellt es dennoch eine Therapiemöglichkeit des Zahnerhalts in Entwicklungsländern dar. BRT zeigte nach 24 Monaten Funktionszeit im Vergleich zu einer standardisierten endodontischen Behandlungsmethode vergleichbare Behandlungsergebnisse.
Schlussfolgerungen für die Praxis
BRT stellt im vorgegebenen Indikations- bereich für Regionen mit schwacher zahnmedizinischer Infrastruktur eine Möglichkeit des Zahnerhalts auch bei fortgeschrittener Kariesprogression dar. Sie kann daher für Entwicklungsregionen geeignet sein.
Dr. Anna-Louisa Holzner
Universitätszahnklinik 1
Zahnerhaltung / Parodontologie
Glückstr. 11
91054 Erlangen
Anna.Holzner@dent.uni-erlangen.de
PD Dr. Rainer A. Jordan
Institut Deutscher Zahnärzte (IDZ)
Universitätsstr. 73
50931 Köln