Beeinflusst die Krise die Zahnmedizin?
Alltag in der privaten Praxis: In freien Praxen werden im zahnärztlichen Alltag viele Termine abgesagt, Rechnungen werden nicht bezahlt. Speziell in Athen, wo die Lebenshaltungskosten höher sind als in kleinen Städten, können viele Patienten offene Rechnungen nicht mehr bezahlen. Die Kosten in den Praxen sind hoch und das hat einen Einfluss auf deren Überleben.
Hinzu kommt, dass zahnärztliche Behandlungen, die schon geplant waren, nicht immer stattfinden. Wie Kollegen und Kolleginnen aus Athen berichten, werden größere prothetische Arbeiten momentan auf einen späteren Zeitpunkt verschoben oder ganz abgesagt. Die Patienten wollen jetzt nur das Notwendigste und – wenn es geht – zu einem geringeren Preis. Das ist der Alltag: „Termine fallen aus ohne Absagen, Patienten bezahlen nicht und du musst trotzdem den ganzen Tag behandeln, um die Hoffnung zu haben, die Kosten deiner Praxis zu decken.“
Dennoch haben Zahnärzte in Privatpraxen weiterhin zu tun. Allerdings verändern sich je nach Art der Behandlung und nach Klient die notwendigen Maßnahmen. Es gibt nach wie vor Praxen, in denen täglich mehrmals implantiert wird, und zwar zu Preisen, die auch in Deutschland üblich sind. In Griechenland gab es nie Kassenleistungen für zahnärztliche Maßnahmen. Die Zahnmedizin ist von den Gesundheitsleistungen vollständig ausgenommen. Deswegen waren auch die Preise für Behandlungen in Griechenland meistens niedrig, und die sind momentan weiter gefallen.
Für eine direkte Kompositrestauration werden normalerweise 30 bis 50 Euro (je nach Stadt und Gebiet) verlangt. Bei gleicher Leistung können bei einem Spezialisten die Preise zwischen 50 und 100 Euro liegen. Eine Wurzelkanalbehandlung eines Zahnes mit mehreren Wurzeln kostet bei einem Spezialisten um die 300 Euro. Die Preise einer indirekten Restauration unterscheiden sich auch deutlich von denen in Deutschland. Für ein VMK werden circa 300 Euro und für eine vollkeramische Krone circa 400 Euro verlangt. Diese Preise können die meisten Patienten heute jedoch nicht mehr bezahlen.
Ein sehr wichtiger Punkt, der erwähnt werden muss, ist, dass die meisten Zahnärzte in Griechenland nach ihrem Studium Zeit und Geld investiert haben, um eine Weiterbildung in den Universitäten in Griechenland (Athen oder Thessaloniki) oder im Ausland (z. B. USA und Deutschland) zu absolvieren. Dadurch ist das Niveau der meisten Zahnärzte sehr gut. Die Konkurrenz ist hierbei ein wichtiger Parameter für eine solche Weiterbildung. In Athen, aber auch in anderen größeren Städten versuchen die meisten Zahnärzte, die eine Spezialisierung besitzen, gemeinsam Zentren/Kliniken zu gründen oder in solchen schon bestehenden Institutionen zu arbeiten, statt selbst eine Praxis zu gründen oder zu übernehmen. Die Kosten dafür sind sehr hoch, während die Einnahmen niedriger sind. Momentan ist nicht abzusehen, ob und wie viele Praxen vor dem Ruin stehen. Wirtschaftskrise und zahnärztliche Ausbildung:
In Griechenland gibt es nur zwei Universitäten für eine zahnmedizinische Ausbildung, in Athen und in Thessaloniki. Dies steht in Gegensatz zu den sieben Universitäten für Humanmedizin. Die Studienpläne unterscheiden sich nur geringfügig von denen in Deutschland, obwohl das System bezüglich der Verteilung der Fächer in den Abteilungen sich an die Zahnkliniken in den USA anlehnt.
Die zahnärztliche Behandlung in der Universität kann von Studierenden und Postgraduierten in der Weiterbildung durchgeführt werden. Die Kosten für Behandlungen sind niedriger als in der privaten Praxis. Eine direkte Restauration z. B. kann zwischen 10 und 20 Euro bei einer Behandlung durch einen Studenten kosten. Ein noch größerer Unterschied der Behandlungskosten ist aber für indirekte Restaurationen/Kronen zu beobachten, wo z. B. eine VMK (vollkeramische Restauration), die von Studierenden durchgeführt wird, zwischen 20 und 50 Euro liegt. Hinzu kommt, dass die Laborkosten im Vergleich zu Deutschland in Griechenland sehr niedrig sind.
Ob die Krise einen Einfluss auf die Ausbildung hat, ist schwer zu sagen. Am Anfang der Krise ergaben sich Schwierigkeiten bei der Beschaffung der benötigten Materialien. Nach und nach verschwand dieses Problem, da für viele Patienten eine Behandlung in der Zahnklinik anstatt in einer Privatpraxis aus finanziellen Gründen attraktiver wurde.
Die Ausbildung selbst ist unverändert geblieben. Noch unklar ist, ob die Auswanderung von hochqualifiziertem Personal nach Europa, Australien oder in die USA letztendlich einen Einfluss auf die Ausbildung und die Qualität in der Lehre haben wird. Viele engagierte junge Zahnärztinnen und Zahnärzte haben in den vergangenen fünf Jahren Griechenland verlassen und viele planen auszuwandern. Doch für eine Bewertung dieser Entwicklungen ist es noch zu früh.
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Zahnärztliche Notfallbehandlung
Zahnärztliche Notfallbehandlungen werden in Griechenland meist in Privatpraxen oder in den Zahnkliniken durchgeführt. In großen Krankenhäusern wird selten eine zahnmedizinische Behandlung während der normalen Studienzeit angeboten. Entweder existiert eine derartige Einrichtung nicht oder diese ist etwas älter oder es ist niemand eingestellt, der dort als Zahnarzt die Leistungen erbringen kann.
In kleinen Städten gibt es oft eine zahnärztliche Notfallbehandlung in den Notfallpraxen/Krankenhäusern. Deswegen werden immer Zahnärzte in den privaten Praxen zum Notdienst eingeteilt. Charakteristisch für Ferienorte oder in den Urlaubszeiten ist oft, dass man in den Apotheken vor Ort Informationen über Zahnärzte bekommt, die Notdienst haben. Auch sehr typisch für Griechenland ist, dass man die Handynummer des jeweiligen Arztes erhält. Wenn es diese Notfallbehandlungen in privaten Zahnarztpraxen nicht gäbe, könnten diese außerhalb der normalen Praxiszeiten gar nicht stattfinden.
Die Zukunft in der Zahnmedizin in Griechenland
Wie die Zukunft der Zahnmedizin in Griechenland aussieht, ist noch sehr schwierig zu sagen. Wenn noch mehr qualifizierte junge Leute (Kliniker und Forscher) das Land verlassen, könnte es sowohl an den Universitätskliniken als auch in Privatpraxen zu Engpässen und zu einer Unterversorgung kommen.
Prof. Polydorou studierte Zahnmedizin in Athen und arbeitet seit mehreren Jahren in Deutschland. Während ihres Heimaturlaubs recherchierte sie bei Freunden, Studien- und Arbeitskollegen.
Prof. Dr. Olga PolydorouOberärztinRestaurative und Präventive ZahnheilkundeUniversitätszahnklinik Freiburg Department für Zahn-, Mund- und KieferheilkundeKlinik für Zahnerhaltungskunde und ParodontologieHugstetterstr. 55, 79106 Freiburg i. Br.olga.polydorou@uniklinik-freiburg.de