Falsches Spiel oder sinnhafte Regeländerung?

Wettbewerber fordern gerne gleich lange Spieße, damit Risiken und Chancen fair verteilt sind. Eine schöne Metapher, an die sich das wirkliche Leben selten hält, die Politik im Übrigen schon gar nicht. Der Gesetzgeber strich im neuen GKV-VSG nur ein Wort - fachübergreifend - und schon scheint die mühsam erhaltene Balance unter den Leistungserbringern dahin. Was kapitalstarke Investoren mit hungrigem Blick auf die Zahnmedizin erfreuen mag, verursacht jedoch bei KZBV und KZVen arge Bauchschmerzen: Von gleich langen „ökonomischen“ Spießen kann nämlich keine Rede mehr sein, eher von Wettbewerbsverzerrung zugunsten der MVZ. Nachdem in der zm Nr. 19 die Protagonisten zu Worte kamen und die möglichen Vorteile darlegten, erläutern nun die Körperschaften ihre Sicht auf den Themenkomplex MVZ.

Welche Gründe es für die Politik gibt, Großversorgungsstrukturen à la MVZ zu fördern, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Festzuhalten ist, dass die seit 2003 erstmals möglichen MVZ von der Gesundheitspolitik als ein wesentlicher Baustein zur Lösung der zunehmenden hausärztlichen Unterversorgung im ländlichen Bereich gesehen werden. Deshalb musste das Wort „fachübergreifend“ als ein wesentliches Merkmal der MVZ fallen. Ob dabei auch die Zahnheilkunde im Blickfeld der Entscheider lag? Wohl nicht, dennoch ist das neue GKV-Versorgungsgesetz (GKV-VSG) in der Welt und damit die Möglichkeit rein zahnärztlicher MVZ Realität geworden. Hinzu kommt die Möglichkeit, dass auch Kommunen MVZs gründen und betreiben dürfen.

 Je mehr Investoren sich der Zahnmedizin zuwenden, desto mehr Zweifel

Dass die zahnärztlichen Körperschaften, die eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung auch im ländlichen Raum sicherzustellen haben, Zweifel am diesbezüglichen Beitrag der MVZ haben, liegt auf der Hand. Wo es bereits heute nur mit erheblichen Mühen gelingt, Praxen auf dem Land zu (er)halten – und das ist nicht nur eine Frage des schulischen und kulturellen Angebots, sondern auch der Wirtschaftlichkeit, wie soll dies mit großen MVZ-Strukturen gelingen? Mit Blick auf die ökomischen Gesetzmäßigkeiten darf dies mit Fug und Recht bezweifelt werden. Umso mehr, je mehr Investoren, vulgo Fremdkapital, sich der vermeintlich lukrativen Zahnmedizin zuwenden.

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Dass die Lukrativität sich für MVZs nicht nur auf der Einkaufsseite – hohe Einkaufsvolumina senken Preise – abspielt, sondern auch im Ausschöpfen von Rationalisierungspotenzialen sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Entscheidend ist und bleibt ein ausreichend hohes Patientenaufkommen. KZBV und KZVen stehen somit in der Pflicht, einerseits Wettbewerbs- und Chancengleichheit zwischen Praxen, BAGs und MVZ zu ermöglichen und andererseits die Versorgung im ländlichen Raum nicht aus den Augen zu verlieren. Und zudem den berechtigten Wünschen und Vorstellungen der jungen Zahnärztegeneration gerecht zu werden.

Wie könnte eine Chancengleichheit erreicht werden? Das zentrale Momentum ist die Zahl der Angestellten. Entweder man begrenzt die Zahl der angestellten Zahnärzte in den MVZ auf das Maß, wie es den Einzelpraxen und den BAGs erlaubt ist oder man hebt die zurzeit gültige Begrenzung für die Praxen auf, analog der Möglichkeiten, die MVZ gegeben sind. Dem entgegen steht die aktuelle Gesetzeslage: Nach § 32b der Zulassungsverordnung, die im Bundesmantelvertrag (BMV-Z) und Ersatzkassenvertrag (EKV-Z) für Vertragszahnärzte geregelt ist, darf ein zugelassener Vertragszahnarzt maximal zwei ganztags beschäftigte oder bis zu vier halbtags beschäftigte Zahnärzte anstellen, damit das Prinzip der persönlichen Leistungserbringung gewahrt bleibt.

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Was wollen die Krankenkassen?

Damit ist das den Körperschaften (gesetzlich) zugemutete Dilemma perfekt. Wie viele Zahnärzte dürfen denn nun unter vorgenannten Prämissen in einem MVZ angestellt sein? Um diese Frage zu klären, hat die KZV Hessen ein Gerichtsverfahren gegen das „Alldent“-MVZ in Frankfurt angestrengt. Bis dato liegt noch keine Entscheidung vor. Und so wird der Streit, ob Zahnärzte in MVZ unlimitiert angestellt werden können oder ob auch für die MVZ die gleichen Rahmenbedingungen, sprich Bundesmantelvertrag und Ersatzkassenvertrag, wie für Vertragszahnärzte gelten, noch einige Zeit hin und her wogen. Es liegt auf der Hand, dass die Beantwortung dieser Fragen nur konsensual in Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband erreicht werden kann. Was also wollen die Krankenkassen? Still ruht der See ...

Arztgruppengleiche MVZ irritieren mit ihren industrieähnlichen Konzepten

Doch abgesehen von den unterschiedlichen Auffassungen, wie denn die vorgenannten Verträge auszulegen sind, rührt die MVZ-Frage an der vielleicht wichtigsten Wurzel des zahnärztlichen Selbstverständnisses: der Freiberuflichkeit! Zahnärzte sind als Freiberufler keine Gewerbetreibenden oder vornehmlich Unternehmer. Sie sind ausschließlich der Gesundheit ihrer Patienten verpflichtet. Die gesamte Struktur der Körperschaften ist darauf aufgebaut und danach ausgerichtet. Dass arztgruppengleiche MVZ mit ihren industrieähnlichen Konzepten zu erheblichen Irritationen, um nicht zu sagen Verwerfungen führen, liegt auf der Hand.

###more### ###title### Berufsausübung ohne unternehmerisches Risiko ###title### ###more###

Berufsausübung ohne unternehmerisches Risiko

Auch der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) hat sich bei seiner Hauptversammlung im Oktober diesen Jahres entsprechend positioniert und eine Resolution verabschiedet, in der er sich „für eine Stärkung der freiberuflichen Versorgung“ aussprach. Dort heißt es etwa: „Die freiberuflichen Praxen müssen unabhängig und frei in ihrer Praxisführung sein. Sie dürfen keinem verzerrten Wettbewerb mit […] kommunal getragenen Versorgungszentren ausgesetzt werden. Durch [...] Versorgungszentren dürfen den ambulanten Praxen weder Patienten noch finanzielle Mittel entzogen werden. Die freie Arztwahl darf nicht ausgehebelt werden.“

Ob die junge zahnärztliche Generation die gleichen Schwerpunkte setzt, darf bezweifelt werden. MVZ bieten die Chance zu einer Berufsausübung ohne unternehmerisches Risiko und sind damit vor allem attraktiv für all jene, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen – wohlgemerkt nach den Maßstäben der Generation Y und nicht nach denen der arrivierten Praxisinhaber. Und da macht es auch einen Unterschied, in welcher Struktur – Familienbetrieb oder Unternehmen – gearbeitet werden kann.

Egal wie, mittlerweile herrscht durch die Gründung von MVZ à la „Alldent“ auch die normative Kraft des Faktischen. Dieser ist die zunehmende Ökonomisierung der Zahnmedizin inhärent. Die zm haben in der Ausgabe 19 ausführlich darüber berichtet. Eine Einschätzung der gegenwärtigen Situation aus dem Blickwinkel der Körperschaften gibt daher in dieser Ausgabe der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Wolfgang Eßer. Zudem stellt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hessen, Michael Matthes, in einem „Zwischenruf“ die Position der dortigen Körperschaft dar.

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