Heilung ist der Regelfall
Weltweit infizieren sich jährlich rund drei bis vier Millionen Menschen mit dem Hepatitis C-Virus (HCV). Etwa 130 bis 150 Millionen Menschen sind laut Schätzungen der WHO chronisch HCV-infiziert und weisen damit ein massiv erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Leberzirrhose und eines hepatozellulären Karzinoms auf. Die chronische Hepatitis C ist damit eine der bedeutsamsten Infektionskrankheiten. Sie ist derzeit die häufigste Ursache einer Lebertransplantation, und rund 350 000 bis 500 000 Menschen sterben jährlich an den Folgen einer durch HCV verursachten Lebererkrankung.
Die genaue Zahl der chronisch HCV-Infizierten in Deutschland ist nicht bekannt. Geschätzt wird die HCV-Prävalenz nach Angaben beim diesjährigen Kongress für Viszeralmedizin auf 0,5 Prozent der Bevölkerung. Die Zahl der Menschen, die hierzulande mit einer Hepatitis-C-Infektion leben, dürfte damit bei 300 000 bis 500 000 liegen, wobei deutlich mehr Männer als Frauen erkrankt sind. Seit 2004 ist die Zahl der Krankheitsfälle nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) rückläufig, der Rückgang ist seit 2009 aber abgeflacht und stabilisiert sich offenbar derzeit. Im Vergleich zu anderen Nationen zählt Deutschland damit auch innerhalb Europas zu den Ländern mit niedriger HCV-Prävalenz. Allerdings ist durchaus von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. „Wahrscheinlich ist bei mehr als der Hälfte aller Personen mit Hepatitis C die Infektion bisher nicht diagnostiziert“, hieß es beim Kongress in Leipzig.
RNA-Virus mit hoher Replikationsrate
Beim HCV, das erst im Jahr 1988 entdeckt wurde, handelt es sich um ein RNA-Virus aus der Familie der Flaviviren. Es besteht aus etwa 9 500 Nukleotiden und weist eine hohe Replikationsrate auf, was seine große genetische Variabilität erklärt. Es sind sechs verschiedene Genotypen (Genotyp 1 bis 6) bekannt, wobei in Europa vor allem die Genotypen 1 bis 3 vertreten sind.
Übertragen wird das Virus vor allem durch Blut, die häufigste Infektionsursache ist der intravenöse Drogenmissbrauch. 87 Prozent der Neuerkrankungen, bei denen belastbare Daten vorliegen, sind laut RKI auf einen solchen Übertragungsweg zurückzuführen. In früheren Jahren, als noch keine speziellen Tests erfolgten, waren auch Blutprodukte eine relevante Infektionsquelle. Zwar ist theoretisch auch eine Infektion über andere Körperflüssigkeiten als Blut möglich, de facto ist eine solche Übertragung nach Angaben des Berliner Instituts jedoch „sehr unwahrscheinlich“.
Nicht zu unterschätzen aber ist nach Angaben der Experten beim Kongress für Viszeralmedizin das Risiko der HCV-Infektion im medizinischen Bereich, wenn die vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen nicht eingehalten werden (siehe hierzu den folgenden Beitrag zur Hygiene auf Seite 28 sowie die weiterführenden Informationen). Zur Virusübertragung kann es ferner beim Geschlechtsverkehr sowie beim Stechen von Tattoos und beim Anbringen von Piercings kommen.
Die Inkubationszeit der Infektion liegt bei sechs bis neun Wochen. Die Infektion verläuft meist unbemerkt oder mit unspezifischen grippeähnlichen Symptomen. Nur bei jedem vierten Betroffenen kommt es zu Zeichen einer akuten Hepatitis mit allerdings meist nur mäßig erhöhten Transaminasen. Nur selten verläuft die Hepatitis C fulminant.
Impfmöglichkeiten gibt es bislang anders als bei der Hepatitis B nicht. Die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs wird auch in absehbarer Zukunft nicht erwartet.
Komplikationsträchtige Infektion
Rund 20 Prozent der akuten Infektionen heilen spontan aus, bei etwa 80 Prozent der Patienten aber kommt es zum Übergang in eine chronische Hepatitis C. Die Symptome der chronischen Infektion sind ebenfalls meist unspezifisch, es kann zu Oberbauchbeschwerden, Müdigkeit, Leistungsabfall und Juckreiz kommen. Die HCV-Infektion ist aber nicht nur auf die Leber beschränkt. Sie ist vielmehr als Systemerkrankung zu verstehen, es drohen auch extrahepatische Komplikationen, so hieß es beim Kongress „Viszeralmedizin“. Dazu gehören Gelenk- und Muskelbeschwerden, neurokognitive Störungen, psychiatrische Auffälligkeiten und ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall, für einen Diabetes mellitus sowie für die Entwicklung von Lymphomen und anderen Krebserkrankungen.
Im Verlauf von etwa 20 Jahren entwickeln 15 bis 30 Prozent der Menschen mit chronischer HCV-Infektion eine Leberzirrhose. Zwei bis vier Prozent der betroffenen Patienten erleiden in der Folge ein hepatozelluläres Karzinom. In Europa starben 2010 dadurch etwa 57 000 Menschen als Folge einer HCV-Infektion und damit deutlich mehr Personen als an HIV/AIDS (circa 8 000 Todesfälle) und an der Hepatitis-B-Infektion (circa 31 000 Todesfälle). Infolge der Infektionsraten wird zurzeit weltweit mit einer weiteren Zunahme der Komplikationen als Folge der HCV-Infektion gerechnet. In Deutschland wird der Gipfel der Häufigkeit an HCV-Komplikationen im Jahr 2024 erwartet.
Screening bei Risikopopulationen nötig
Indiziert ist ein Screening auf eine Hepatitis C bei Personen mit erhöhten Leberwerten sowie beim Vorliegen von Risikofaktoren. Auf eine Hepatitis C untersucht werden sollten deshalb generell Personen aus Risikogruppen wie Drogenabhängige, Migranten aus Ländern mit hoher HCV-Prävalenz sowie medizinisches Personal, forderte der Hepatologe Prof. Michael Manns, Hannover, anlässlich des Welt-Hepatitis-Tages am 28. Juli, der wegen der hohen Bedeutung der Erkrankung 2011 von der WHO etabliert wurde. Entsprechend untersucht werden sollten laut Manns ferner Personen, die vor 1991 Bluttransfusionen erhalten haben oder häufig operiert wurden.
Bei der Diagnostik wird zunächst nach HCV-Antikörpern im Blut gefahndet. Ist der Antikörpertest negativ, sind weitere Untersuchungen meist nicht erforderlich. Ist der Antikörpertest jedoch positiv, wird mittels einer Untersuchung per PCR (Polymerase-Kettenreaktion) nach genetischem Material des Virus gesucht. Wird HCV-RNA im Blut nachgewiesen, so ist das eine eindeutige Bestätigung der HCV-Infektion. Dann schließt sich eine Bestimmung des jeweiligen Genotyps an, da dieser wegweisend für das jeweilige Therapieregime ist.
Therapie der chronischen HCV-Infektion
Liegt eine chronische Hepatitis C vor, besteht entsprechend der aktuellen Leitlinien grundsätzlich eine Indikation zur antiviralen Therapie. Diese richtet sich nach dem Stadium der Lebererkrankung, dem HCV-Genotyp und einer gegebenenfalls bereits erfolgten Vorbehandlung. Ziel der Behandlung ist ein dauerhaftes virologisches Ansprechen, kurz SVR (Sustained Virological Response), und damit eine anhaltende Virusfreiheit, was als Heilung der chronischen Hepatitis C gewertet wird. Mit der Virusfreiheit sinkt zugleich das Risiko, eine Leberzirrhose und ein Leberzellkarzinom zu entwickeln.
Als Standardtherapie der Hepatitis C galt bis vor Kurzem die Gabe von pegyliertem Interferon (PEG-Interferon), Ribavirin, und gegebenenfalls einem herkömmlichen Proteaseinhibitor wie Boceprevir oder Teleprevir als Tripletherapie.
Durchbruch dank neuer antiviraler Wirkstoffe
Seit Anfang 2014 sind jedoch mehrere neue direkt antiviral wirksame Medikamente, sogenannte DAA (direkt antivirale Agentien) zur Zulassung gekommen und haben das Behandlungsspektrum bei der Hepatitis C deutlich erweitert.
Die neuen Wirkstoffe gewährleisten auch als interferonfreies Regime bei mehr als 90 Prozent der chronisch HCV-Infizierten eine SVR, erfordern dabei jedoch keine Injektion mehr und bedingen anders als Interferon kaum Nebenwirkungen. Die Begleitreaktionen der Interferongabe sind dagegen nicht unerheblich. So kommt es regelhaft zu grippeähnlichen Symptomen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Depressionen und Blutbildveränderungen. Das erklärt, warum die Möglichkeit der Behandlung mit interferonfreien Regimen von den Experten als enormer Fortschritt und als Durchbruch in der Behandlung der chronischen Hepatitis C gewertet wird.
Zudem wird erwartet, dass sich infolge der hohen Heilungsraten die leberbezogene Mortalität und damit auch die Gesamtmortalität der Patienten signifikant mindern und sogar bei Patienten, die initial bereits eine Leberfibrose oder Leberzirrhose aufweisen, eine normale Lebenserwartung erzielen lässt. „Durch die Therapiefortschritte können künftig rund ein Viertel aller Lebertransplantationen vermieden werden“, so die Einschätzung von Manns. Die konventionelle Tripletherapie ist entsprechend der aktuellen Leitlinien daher nicht länger als Standardtherapie der Hepatitis C anzusehen.
Neu zur Zulassung gekommen sind im Verlauf des Jahres 2014 der Nukleosidische Polymerase (NS5B)-Inhibitor Sofosbuvir (SOF) als Kombinationstherapie zur Erst- und Re-Therapie für alle HCV-Genotypen, der Proteaseinhibitor Simprevir als Kombinationstherapie zur Erst- und Re-Therapie für die HCV-Genotypen 1 und 4 sowie der NS5A-Inhibitor Daclatasvir als Kombinationstherapie zur Erst- und Re-Therapie für die HCV-Genotypen 1 bis 4.
Hohe Behandlungskosten
Es liegt in der Natur der Sache, dass innovative Arzneimittel vergleichsweise teuer sind. Allerdings entzündet sich an den hohen Kosten für die neuen Therapeutika bei der Hepatitis C immer wieder besondere Kritik.
So kann die Behandlung bei einer interferon-freien Kombinationstherapie je nach Regime mit Kosten von 60 000 bis 100 000 Euro und in Einzelfällen sogar bis zu 200 000 Euro pro Patient zu Buche schlagen.
Allein für das Präparat Sofosbuvir könnten sich in Deutschland, so die Schätzungen, die Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen für das Jahr 2014 auf mehr als eine Milliarde Euro summieren.
Durch eine Steigerung der Therapierate wäre es dank der heutigen Therapieeffizienz nach Angaben der Experten beim Kongress Viszeralmedizin allerdings möglich, innerhalb von nur zehn Jahren die Zahl der chronisch HCV-infizierten Personen um 90 Prozent zu senken.
Behandlungsregime abhängig vom Genotyp
Vor dem Hintergrund der neuen Therapiemöglichkeiten wurden die Leitlinien zur Behandlung der Hepatitis C jüngst aktualisiert.
Genotyp 1:
Für Patienten mit einer HCV- Genotyp-1-Infektion werden nunmehr empfohlen:
• Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin für zwölf Wochen: Für dieses Regime ist eine SVR von 89 Prozent in Studien ermittelt worden. Bei Patienten mit kompensierter Leberzirrhose lag die Ansprechrate mit 80 Prozent etwas niedriger. Generell führte eine Therapieverlängerung auf 24 Wochen nicht zu besseren Behandlungsergebnissen. Die Sofosbuvir-Tripletherapie ist auch zur Re-Therapie zugelassen. Für diese Situation ist eine SVR-Rate von 70 Prozent bei Patienten mit einem Relapse zu erwarten und von 50 Prozent bei ursprünglichen Null-Respondern.
• Simeprevir plus Sofosbuvir +/-Ribavirin für
zwölf Wochen bei Interferon-Unverträglichkeit oder Kontraindikationen: Die Zulassung der interferonfreien Kombinationstherapie aus dem nukleosidischen Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir und dem NS3-Protease- Inhibitor Simeprevir mit oder ohne die Gabe von Ribavirin basiert auf Daten einer Phase-II-Studie. Die Kombination ist per Zulassung auf den Einsatz bei Patienten mit Kontraindikationen oder Unverträglichkeit von Interferon-alfa und gleichzeitiger dringender Therapieindikation beschränkt.
Die Therapie aus Sofosbuvir und Simeprevir wurde mit und ohne die zusätzliche Gabe von Ribavirin für zwölf oder 24 Wochen bei Patienten mit einer HCV-Genotyp-1-Infektion mit und ohne Leberzirrhose als Erst- oder Re-Therapie (Null-Responder) untersucht. Dabei wurden SVR-Raten von über 90 Prozent unabhängig von der Therapiedauer beziehungsweise der Gabe von Ribavirin erreicht.
• Daclatasvir plus Sofosbuvir +/-Ribavirin für zwölf beziehungsweise 24 Wochen: Eine grundsätzliche Einschränkung der Zulassung dieser Kombination für Patienten mit IFN-Unverträglichkeit beziehungsweise IFN-Kontraindikationen und hoher Therapiedringlichkeit besteht nicht. In den Leitlinien wird jedoch explizit darauf hingewiesen, dass es bislang kaum Daten zur Wirksamkeit der Kombination bei Patienten mit Leberzirrhose gibt, da dieses Kollektiv von den Studien ausgeschlossen wurde.
Genotyp 2:
Patienten mit einer HCV-Infektion vom Genotyp 2 sind nach den aktuellen Therapieempfehlungen üblicherweise mit Sofosbuvir und Ribavirin für zwölf Wochen zu behandeln.
Genotyp 3:
Bei einer Infektion mit dem Genotyp 3 sind wiederum verschiedene Regime möglich:
• Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin für zwölf Wochen,
• Sofosbuvir plus Ribavirin für 24 Wochen oder
• Daclatasvir plus Sofosbuvir plus Ribavirin für 24 Wochen bei Patienten mit Leberzirrhose.
Genotyp 4:
Bei Patienten mit einer Genotyp-4-Infektion werden folgende Therapieoptionen empfohlen:
• Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin für zwölf Wochen
• Simeprevir, PEG-Interferon und Ribavirin für 24 Wochen
• Simeprevir plus Sofosbuvir +/-Ribavirin für zwölf Wochen bei Interferon-Unverträglichkeit beziehungsweise -Kontraindikationen
• Daclatasvir plus Sofosbuvir +/-Ribavirin für zwölf beziehungsweise 24 Wochen
Genotyp 5 bis 6:
Für Patienten mit einer HCV-Genotyp-5- oder -6-Infektion raten die Experten zu Sofosbuvir, PEG-Interferon und Ribavirin für zwölf Wochen oder Sofosbuvir plus Ribavirin für zwölf bis 24 Wochen.
In Kürze ist nach Angaben in den Leitlinien zudem mit der Zulassung weiterer neuer Wirkstoffe zur Behandlung der Hepatitis C zu rechnen. Erwartet wird die Zulassung des NS5A-Inhibitors Ledipasvir in Kombination mit Sofosbuvir und als weitere Substanzen für eine antivirale Vielfachkombinations- therapie den Protease-Inhibitor ABT-450/r, den NS5A-Inhibitor Ombitasvir und den nicht-nukleosidischen Polymerase-Inhibitor Dasabuvir. Mit diesen Substanzen werden sich die Therapiemöglichkeiten der Hepatitis C nochmals erweitern.
Christine Vetter
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