Sprechen heilt
Seit Jahrzehnten stellen ausländische Ärzte gemeinsam mit ihren deutschen Kollegen in Krankenhäusern, Praxen, Medizinischen Versorgungszentren sowie im öffentlichen Gesundheitswesen die Versorgung der Patienten sicher. Doch die zunehmende Beschäftigung von Medizinern aus dem Ausland führt trotz fachlich hervorragender Qualifizierung mitunter zu erheblichen Problemen – insbesondere dann, wenn die allgemeinen sprachlichen Voraussetzungen und die fachbezogenen Deutschkenntnisse unzureichend sind.
Denn eine gute zwischenmenschliche Kommunikation und das Verständnis für die jeweiligen kulturellen Hintergründe sowie Empathie sind im Arzt-Patienten-Verhältnis Grundlage für die optimale Behandlung und eine vertrauensvolle Versorgung. Sprachliche Defizite können zudem die kollegialen Beziehungen belasten und die qualifizierte ärztliche Weiterbildung der Ärzte aus dem Ausland erschweren.
Kommunikation zwischen ausländischen Ärzten, Pflegern und Patienten stärken
Das fünfjährige Modellprojekt „Empathisch-Interkulturelle Arzt-Patienten-Kommunikation“ (EI-AP-K) in Nordrhein-Westfalen (NRW) will dieses Problem an der Wurzel packen und die Kommunikation zwischen ausländischen Ärzten, Pflegenden und Patienten fördern. Dabei sollen auch Ärzte zu Dozenten für „empathisch-interkulturelle Kommunikation“ ausgebildet werden, um dann an anderen Kliniken in NRW zu lehren. Denn allein in NRW hat sich die Zahl ausländischer Ärzte in den vergangenen zehn Jahren auf fast 9 000 verdoppelt. Der Mangel an ärztlichen und pflegerischen Kräften in Deutschland führt zudem dazu, dass die Zahl von Fachkräften aus dem Ausland in der Versorgung voraussichtlich bundesweit weiter steigen wird.
Realisiert wird das Projekt am Universitätsklinikum Essen (UK Essen) in Zusammenarbeit mit den akademischen Lehrkrankenhäusern „Stiftung Krankenhaus Bethanien“ in Moers sowie dem „Alfried Krupp Krankenhaus“ in Essen. Das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) des Landes fördert die geplante Lehrplanentwicklung mit rund einer Million Euro. Das EI-AP-K-Modell setzt sich aus vier Säulen zusammen. Die erste Säule startete bereits im Sommer vergangenen Jahres und umfasst eine ein Jahr dauernde berufsbegleitende sprachliche (Nach-)Qualifizierung von ausländischen Ärzten in den beteiligten Kliniken. Hierbei lernen die Teilnehmer in wöchentlichen Schulungen, wie eine patientengerechte Kommunikation in den einzelnen Fachgebieten in Theorie und Praxis funktioniert.
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Schauspieler simulieren Krankheiten
Die Ausbildung umfasst auch die Simulation von typischen Arzt-Patienten-Situationen aus dem Klinikalltag unter der Supervision eines Arztes und einer Sprachdidaktin. „Die Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen setzt solche Simulationspatienten für die Ausbildung der Studierenden bereits seit Jahren ein“, erklärt Stefanie Merse, ärztliche Projektleiterin des Modellprojekts. „Die Schauspieler stellen verschiedene Krankheitsbilder und Szenarien dabei realitätsnah dar. Mit ihrer Hilfe sollen die Ärztinnen und Ärzte den richtigen Umgang und eine verständliche Kommunikation mit den Patienten von der Anamnese über die körperliche Untersuchung bis hin zur Chefarztvisite lernen, führt Merse aus. Dabei geht es auch um die nonverbale Kommunikation zwischen den Beteiligten. Die Situationen werden auf Video aufgenommen und später mit den Ausbildern zusammen analysiert. Ein weiteres Ausbildungselement umfasst Rollenspiele, bei denen die Ärzte selbst zu Patienten werden, um sich besser in die Lage der Erkrankten hineinzuversetzen.
In einer zweiten Säule werden zugewanderte Ärzte, die eine Facharztreife in Deutschland erlangen wollen, in Rahmen von Kleingruppen gezielt auf die bundesweit verpflichtend vorgeschriebene Sprachprüfung auf dem C1-Niveau bei den Ärztekammern vorbereitet. Die dritte, Anfang dieses Jahres gestartete und vom MGEPA geförderte Säule dient dazu, ein konkretes Ausbildungsprogramm zur Qualifizierung von Sprachdidaktinnen und Ärzten als Dozenten zu entwickeln. „Wir setzen auf das sogenannte Tandem-Teaching, macht Merse deutlich. „Hierbei bilden wir Fachpersonal im Team aus, damit diese als Multiplikatoren an ihren Kliniken in NRW das EI-AP-K-Konzept implementieren können. So erreichen wir mittelfristig die größtmögliche Anzahl von Ärztinnen und Ärzten und stellen sicher, dass die direkte Arzt-Patienten-Kommunikation sowie die begleitende Team-Kommunikation möglichst schnell verbessert werden.“
Ärzte mit einer derartigen Zusatzqualifikation könnten später dann in ihrer Einrichtung sowohl medizinisch als auch als Kommunikationscoach tätig werden. Vereinbarungen über die entsprechende Aufteilung der Arbeitszeit müssten individuell mit dem Arbeitgeber getroffen werden, erklärt Merse. Als Kommunikationscoach würden die Ärzte dann gemeinsam mit einem Sprachdidakten nicht nur Kurse geben, sondern zum Beispiel auch bei Auswahlgesprächen mit ausländischen Bewerbern oder bei Verständigungsproblemen auf den Stationen einspringen.
Interkulturell sprechen lernen
In der Säule vier sollen die Ergebnisse von EI-AP-K in die Ausbildung der Medizinstudierenden an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen am UK Essen einfließen. „Für das Wintersemester 2015/ 2016 planen wir, einen semesterübergreifenden Kurs zur empathisch-interkulturellen Arzt-Patienten-Kommunikation als festen Bestandteil der Studierendenausbildung zu etablieren“, so Merse. Einige Bausteine des Modells, etwa Anamnesegespräche oder die kommunikative Vermittlung einer palliativen Behandlung seien schon seit Jahren an vielen Stellen fest in die Ausbildung implementiert. Auch gehen bei der Projektleitung nach Angaben von Merse bereits die ersten Anfragen von Kliniken aus ganz NRW ein, die Fachpersonal ins Ruhrgebiet schicken wollen, um sie als Tandem-Team für die empathisch-interkulturelle Arzt-Patienten-Kommunikation innerhalb der eigenen Einrichtung ausbilden zu lassen.
Petra SpielbergAltmünsterstr. 165207 Wiesbaden