Transparenz gegen Bares
Hartnäckig hält sich unter Anlegern das Gerücht, dass die Beratung an den Tresen der Banken und Sparkassen für die Kunden umsonst ist. Der nette Berater hält eine Empfehlung für die Anlage bereit und er weiß, was am besten geeignet ist, kennt er doch seit Jahren den Kontostand sowie die beruflichen und familiären Gegebenheiten seines Gegenübers. Eigentlich sind dies ja auch die optimalen Voraussetzungen für die Entwicklung einer sinnvollen Anlagestrategie, wäre da nicht die Tatsache, dass der Bankangestellte in erster Linie seinem Arbeitgeber verpflichtet ist. Und dieser bestimmt, welche Fonds oder anderen Anlagen verkauft werden müssen. Im Sinne der Bank dürften das diejenigen sein, an denen das Haus am meisten verdient, also die mit den höchsten Provisionen. Diese fließen zum Beispiel bei Investmentfonds in Form von Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren. Der Kunde überweist seinen Anlagebetrag und die Kosten für die Anlage werden automatisch abgezogen. Er merkt also gar nicht, dass seine Investition gleich um ein paar Hundert Euro schmaler ausfällt.
Verbraucherschützer wettern seit Jahren gegen diese Praxis. So auch Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzen beim Verbraucherzentrale Bundesverband: „Die Provisionsberatung ist scheinbar kostenlos. Das Preisschild für diese Dienstleistung fehlt einfach.“ Ihrer Meinung nach müssen Bankkunden besser aufgeklärt werden. Als wirksames Gegenmittel zur provisions-basierten Beratung empfiehlt sie die Honorarberatung. Das Konzept: Der Kunde bezahlt den Berater für passgenaue Anlage- und Vorsorgeempfehlungen. Und weil der Berater sein Honorar vom Kunden bekommt und nicht auf Provisionen angewiesen ist, rät er ihm ausschließlich zu Produkten, die seinem Klienten von Nutzen sind. So der Idealfall.
Gewerbeamt passt auf
Die Voraussetzungen dafür sollte ein Gesetz „zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente“ schaffen, das seit August vergangenen Jahres in Kraft ist. Es erklärt, was Honorarberatung bedeutet, und verpflichtet Provisionsberater offenzulegen, wie sie sich finanzieren. Die Honorarberater werden in zwei Gruppen eingeteilt: Honoraranlageberater sind in der Regel bei Banken angestellt und beraten zum kompletten Angebot von Wertpapieren wie Aktien oder Zertifikate. Sie unterstehen der Aufsicht der BaFin. Dort müssen sie registriert sein. Berater, die nur so tun, als ob sie gemeldet sind, riskieren 50 000 Euro Bußgeld. Die Gruppe der Honoraranlagefinanzberater darf nur Investmentfonds und öffentlich angebotene geschlossene Fonds anbieten. Sie wird von den Gewerbeämtern beaufsichtigt.
Für beide Gruppen gelten strenge Regeln. Sie dürfen ausschließlich Honorarberatung anbieten. Empfehlen sie ein Produkt, das es nur auf Provisionsbasis gibt, müssen sie die Provisionen an ihre Kunden weiterreichen. Streicht der Berater einen Teil selbst ein, drohen ihm bis zu 100 000 Euro Strafe. Angestellte Honorarberater dürfen nicht nur hauseigene Produkte anbieten, sondern müssen eine breite Palette mit Angeboten bereithalten. Gibt es in derselben Firma auch Provisionsberater, müssen diese Bereiche klar getrennt sein. Honorarberatung hat ihren Preis. Wer sein Vermögen individuell verwalten lässt, zahlt dafür meist zwischen 1 und 1,5 Prozent pro Jahr von der verwalteten Summe. Einmalige Beratungen liegen zwischen 100 und 200 Euro pro Stunde. Erfahrungswerte der Verbraucherschützer belegen, dass eine Erst-beratung etwa drei bis vier Stunden dauert.
Unterm Strich steht dann ein Honorar zwischen 400 und 800 Euro, für die meisten Sparer zu viel, zumal die Summe auch fällig wird, wenn man den Empfehlungen des Beraters nicht folgt. Seit vergangenem Jahr müssen die Berater darüber informieren, ob sie Provisionen kassieren oder nicht, allerdings nicht über deren Höhe. Dass eine provisionsbasierte Beratung letztendlich noch mehr kosten kann, wird erst dann deutlich, wenn alle Zahlungen offengelegt werden.
Honorar statt Provision
Dazu Mohn: „Es sollte eine richtige Abrechnung gemacht werden. Außerdem stört mich der Kostenvergleich zwischen Honorar- und Provisionsberatung. Es geht doch um mehr. Die Honorarberatung bewahrt mich vor Fehlentscheidungen, die mich möglicherweise noch mehr Geld kosten würden.“ Dass die Honorare weniger abschreckend sein können als vermutet, hat das Verbraucherportal Finanztip gezeigt: „Bereits ab einer Geldanlage von durchschnittlich 5 500 Euro ist eine Honorarberatung güns-tiger als eine Vermittlung auf Provision.“
An weiteren Maßnahmen, die Honorar- beratung als System zu implementieren, arbeiten derzeit Experten der ESMA. Die European Securities and Markets Authority soll die politischen Vorgaben der überarbeiteten Finanzmarktrichtlinie Mifid II ausarbeiten, damit die Länder sie in die Praxis umsetzen können. Ziel ist, von 2017 an das Wertpapiergeschäft in Europa so sicher zu machen wie möglich. Und so sehen die Vorschläge der ESMA für die Beratung aus: Danach dürfen Banken und Sparkassen ihre Provisionseinnahmen künftig nicht mehr nutzen, um damit die Kosten für den laufenden Geschäftsbetrieb wie Miete, Personal und IT-Aufwendungen zu decken. Außerdem sollen sie auch Produkte von Anbietern verkaufen, zu denen keine Geschäftsbeziehungen bestehen. Inzwischen stecken die Aufseher zurück. Jetzt heißt es, dass die Geldindustrie Provisionen nur noch zur Qualitätsverbesserung der Kundenberatung einsetzen darf. Doch selbst diese vage Formulierung macht der Branche Angst. Sie läuft Sturm. So änderten die Sparkassen zum 15. April dieses Jahres ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Sie informierten ihre Kunden schriftlich darüber, dass sie die Provisionen von Drittanbietern wie etwa Fondsgesellschaften einbehalten werden, um die Beratung weiterhin finanzieren zu können. Wer nicht fristgerecht wider- sprochen hat, erklärte sich automatisch mit den neuen AGB einverstanden. Und der Bundesverband der Banken (BdV) „warnt vor dem Ende der Provisionsberatung“. BdV-Experte Andreas Krautscheid meint: „Nur mit der Provisionsberatung können wir alle Bevölkerungsschichten in der Fläche erreichen. Eine Beratung auf Honorarbasis lohnt sich nur für sehr reiche Kunden und wird in Deutschland kaum angenommen.“
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Streitfall Ausbildung
Bislang sind bei der BaFin nur 15 Berater registriert, bei den Gewerbeaufsichtsämtern sind es rund 50. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass es bislang keine einheitlichen Ausbildungsvorschriften für Honorarberater gibt. Kathrin Kleinjung vom Berufsverband deutscher Honorarberater sagt: „Eine einheitliche Ausbildung ist wünschenswert.“ Von den zuständigen Ministerien fordert sie eine Aufklärungskampagne über die Vorteile der Honorarberatung, damit die Verbraucher den Unterschied zwischen den Beratungssystemen endlich verstehen können. Kleinjung vertritt auch die Quirin-Bank in der Öffentlichkeit. Diese Bank arbeitet konsequent auf Honorarbasis. Für eine individuelle Beratung verlangt sie 1,2 Prozent vom Anlagebetrag oder 0,8 Prozent vom Anlagebetrag plus 15 Prozent vom Gewinn. Provisionen und Rückvergütungen (Kickbacks) gehen an den Kunden. Für Kunden, die sich diesen Aufwand nicht leisten können oder wollen, bietet die Bank auf dem Internetportal Quirion standardisierte Anlagemöglichkeiten, bei denen es sich um Kombinationen verschiedener ETFS in unterschiedlichen Risikoabstufungen handelt. Die Quirin-Bank hat sich bei der BaFin registrieren lassen. Auch Honorarberater Peter Hieber will sich noch in diesem Jahr bei der Aufsicht listen lassen. Er arbeitet aus Überzeugung ohne Provisionen. Weil er sich nur so unabhängig genug fühlt, um seine Kunden optimal und umfassend beraten zu können. Seine Dienste bietet er ab einem Stundensatz von 150 Euro an: „Für Menschen mit einem Nettoeinkommen von 2 000 Euro ist das zu viel. Aber ich weiß, dass die Kosten für Finanzprodukte mit Provisionen sehr viel höher sind als die Ausgaben für die Honorarberatung.“
Allerdings weiß auch er, dass viele Bankkunden sich mit den Unterschieden zwischen den Beratungssystemen nicht auskennen. Er fordert: „Der Verbraucher muss sich mehr mit der Geldanlage beschäftigen.“ Wie Finanzberatung ohne Provisionen aussehen kann, sieht man in Großbritannien. Dort ist sie Anfang 2013 eingeführt worden. Ein ähnliches Konzept gibt es in den Niederlanden. Dort müssen Anlageberater ihren Kunden unaufgefordert mitteilen, ob sie als unabhängige Vermögensberater über die gesamte Produktpalette verfügen oder ob sie nur eine begrenzte Auswahl von bestimmten Anbietern vertreiben. Ihre Unabhängigkeit von Provisionen bewirkt, dass sie den Markt mit den Augen der Kunden betrachten können. Die britische Finanzaufsicht FCA hat in einer Studie den Erfolg der Reform festgestellt. Die Beratung sei effektiver, die Berater dank strengerer Anforderungen durch die Aufsicht auch besser qualifiziert. Allerdings nehmen aufgrund der hohen Honorare nur wenige Interessenten diese Dienste in Anspruch. Da die Masse der Kunden die Honorarberatung nicht bezahlen will, haben sich viele Banken aus der persönlichen Beratung zurückgezogen. Stattdessen vermarkten sie ihre Produkte zunehmend übers Internet. Das ist allerdings nur mit einfach strukturierten Produkten möglich, die für die Kunden auch ohne Beratung leicht verständlich sind. Verbraucherschützerin Mohn sieht darin keinen Nachteil: „Wer seine Geldanlage übers Internet betreibt, muss sich zwangsweise selbst damit beschäftigen. Das ist gut.“ Komplizierte Produkte wie Zertifikate und Optionen dürfen in Großbritannien anders als in Deutschland sowieso nicht an private Kunden verkauft werden.
Wer weder eine Honorarberatung bezahlen noch übers Internet anlegen will, wird nicht angesprochen. Das räumt auch die britische Finanzaufsicht ein. Allerdings steht sie auf dem Standpunkt, dass keine Beratung besser ist als eine falsche. Das hätten die Skandale in der Vergangenheit gezeigt.
Marlene EndruweitFachjournalistin für Gesundheitm.endruweit@netcologne.de