Förderkreis Clinica Santa Maria e.V. in Bolivien

Süßes an jeder Ecke

30 Teelöffel Zucker konsumiert der Bolivianer pro Tag Fruchtzucker nicht mit eingerechnet. In Lateinamerika ist der Zuckerkonsum damit deutlich höher als in Europa und in Nordamerika. Kommt dazu noch eine ungenügende Mundhygiene, kann dies fatale Folgen haben. Kinderzahnärztin Dr. Anna Kensche berichtet.

Seit Beendigung meines Zahnmedizinstudiums ist der Wunsch in mir gereift, irgendwann einmal als Zahnärztin in einem Entwicklungsprojekt tätig zu sein. Anfang des Jahres habe ich es gewagt: Im Rahmen meines Jahresurlaubs war es mir möglich mit dem Förderkreis Clinica Santa Maria (FCSM) von Februar bis Anfang April für insgesamt fünf Wochen nach Bolivien zu reisen. Unser Hilfseinsatz begann in der Kleinstadt Tarabuco, die rund 70 Straßenkilometer östlich entfernt der Departamento-Hauptstadt Sucre liegt. Im hiesigen Krankenhaus konnten wir unsere portablen Einheiten aufbauen. Erstmalig die gesamte Ausstattung inspizierend, habe ich wirklich gestaunt, dass sowohl Kompositfüllung, minimalinvasive Therapie, Extraktionen und selbst einfache Endos ohne weiteres möglich wären.

Am ersten Arbeitstag wurde unser Elan jedoch gebremst, da kaum ein Bolivianer von unserer Anwesenheit zu wissen schien. Es dauerte ein paar Tage bis unser zahnmedizinisches Angebot wirklich registriert wurde. Wir haben Plakate gemalt, auf offener Straße Zahnreinigungen angepriesen und uns im Radio beworben. Dann ging es los: Viele unserer Patienten zeigten einen umfangreichen Sanierungsbedarf. Wir haben versucht konsequent zu behandeln, da die regelmäßige zahnmedizinische Betreuung aufgrund mangelhafter Sorgfaltspflicht, sowohl von Patienten-, als auch von Zahnarztseite, in Bolivien fraglich ist. Bei etwa 15 bis 20 Patienten am Tag haben wir viele okklusale Füllungen gelegt, viele Cp-Behandlungen gemacht, unzählige Zähne und insbesondere Wurzelreste extrahiert. Im Vergleich zu später besuchten Orten habe ich die Compliance der Patienten während der Behandlung hier immer als sehr gut empfunden. Wie vereinbart wiedergekommen sind sie oft jedoch nicht und so haben wir versucht in einer Sitzung möglichst viel zu schaffen, Prophylaxemaßnahmen durchzuführen, viel zu zeigen und insbesondere auch aufzuklären.

Während der zweiten Hälfte unseres Arbeitsaufenthaltes sind wir in verschiedene Einrichtungen um Sucre gefahren. Darunter war eine Schule in Llinfi, welche die anderen bereits in der ersten Woche besucht hatten. Der Direktor hatte unser Wiederkommen eindrücklich erbeten. Leider ist während dieser Woche eine unserer portablen Einheiten ausgefallen, so dass sich die Therapiemaßnahmen eines Teams auf Zahnreinigungen und Extraktionen beschränkten. Dennoch hatten wir auch hier relativ gut zu tun. Während der letzten Arbeitswoche sind wir dann noch in Waisenheime für Jungs beziehungsweise Mädchen gefahren. Obschon es im ‚Hogar de Nazareth‘ sogar einen zahnärztlichen Behandlungsstuhl gab, verbrachten wir zunächst einen halben Tag damit benutzten Schleifer zu entfernen, blutbespuckte Tupfer zu eliminieren und die Turbine als nicht funktionsfähig zu diagnostizieren. Anschließend haben wir dennoch versucht die Jungs des Heimes fertig zu sanieren und ihnen mit Zahnputzübungen auch etwas pädagogisch Aufmerksamkeit zu vermitteln. Zudem waren wir motiviert, auch den einen oder anderen Jugendlichen der nebenan befindlichen JVA zu behandeln. So extrahierten wir zerstörte Zähne und entfernten gleich noch die Nähte der letzten Schlägerei. Obschon die Jungs sehr freundlich und dankbar waren, hielt sich die Unterstützung des Aufsichtspersonals in Grenzen und unser Angebot wurde trotz mehrfachen Nachfragens nur sehr sporadisch genutzt. Einen schönen Abschluss fand unsere Arbeitszeit dann mit einer Gruppe quirliger, wenn auch zunächst sehr schüchterner, Mädchen. Viel Geduld, die vertrauensvolle Unterstützung des Heimpersonals, Zahnputzübungen im Sonnenschein, aber wohl auch feste Umarmungen nach unter Gebrüll extrahierten Zähnen haben uns letztendlich aber uneingeschränkte Zuneigung und Vertrauen geschenkt.

Welches Gefühl bleibt am Ende? Ich vermute, es wird noch eine Weile dauern, bis die Erfahrungen dieser fünf Wochen verarbeitet sind und ihren Platz im hiesigen Dasein gefunden haben. Allem voran bin ich jedoch unbeschreiblich dankbar einen Beruf gewählt zu haben, der mir ein derartiges Erleben möglich macht.

Dr. Anna KenscheZahnärztin Poliklinik Zahnerhaltung mit Bereich Kinderzahnheilkunde Uniklinikum Dresdenanna.kensche@uniklinikum-dresden.de

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.