Legionellen in der Zahnarztpraxis

Vermieter in die Pflicht nehmen!

Heftarchiv Praxis
sg
Was tun, wenn die Trinkwasserversorgung in der Praxis durch Legionellen verunreinigt ist? Dies kann für die Patienten massive gesundheitliche und für Praxisinhaber erhebliche betriebswirtschaftliche Folgen haben. Doch Zahnärzte angemieteter Praxisräume sind nicht wehrlos, wenn der Befall zu Behinderungen des Betriebs geführt hat – wie diesbezügliche Urteile zeigen.

Die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) legt dem Inhaber der Trinkwasseranlage, das ist in der Regel der Vermieter der Praxisräume, eindeutige Pflichten auf. Er muss dafür sorgen, dass das abgegebene Wasser immer genusstauglich, rein sowie frei von krankheitserregenden Keimen ist. Gemäß § 8 Abs. 1 TrinkwV müssen die festgelegten chemischen und mikrobiologischen Grenzwerte am Austritt derjenigen Zapfstellen eingehalten werden, die der Entnahme von Trinkwasser dienen.

Die S2k-Leitlinie „Zahnärztliche Behandlungseinheiten, hygienische Anforderungen an das Wasser“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) [DGKH, DGZMK, 2014] konkretisiert die Verantwortlichkeiten für die Qualität des Wassers. Es wird explizit darauf hingewiesen, dass die Verantwortung des Inhabers der häuslichen Trinkwasseranlage bis zur Entnahmestelle, d.h. bis zur Einspeisung des Wassers in die Behandlungseinheit, gegeben ist. Ab Entnahmestelle übernimmt der Praxisinhaber die Verantwortung für die Erhaltung des Betriebswassers, das er bei der Behandlung, für den Betrieb und die Aufbereitung der Medizinprodukte einsetzt.

Eine jährliche Entnahme von Proben, eine Dokumentation zu den Betriebsparametern (Temperaturverhältnisse, tatsächliche Wasserverbräuche) sowie genaue Kenntnisse über den baulichen Zustand der Anlage (Speichervolumen, keine Totstränge) sind für den Vermieter zwingend vorgeschrieben, um ein haftungsbegründendes Fehlverhalten zu vermeiden. Er muss nachweisen, dass er selbst oder ein von ihm beauftragtes Fachunternehmen sich kontinuierlich mit dem Betriebszustand und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Anlagensicherheit befasst (hat). Bei schuldhaften Verstößen gegen die in der Trinkwasserverordnung festgelegten Pflichten drohen dem Vermieter ordnungsrechtliche Bußgelder oder Strafverfahren [Hardt, 2015].

Muss der Vermieter sanieren, kann ich weiterarbeiten?

Aufgrund des ubiquitären Vorkommens von Legionellen in der Umwelt ist die Gefährdungsbeurteilung eines Legionellen-Nachweises nicht einfach. Als Grundlage für die Objektivierung des Ausmaßes der Kontamination des Trinkwassers kann daher die Technische Regel Arbeitsblatt W 551 des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVWG) herangezogen werden [DVGW, 2004]. Unverzügliche Maßnahmen zur direkten Gefahrenabwehr sind bei der Feststellung einer Konzentration von 10.000 KBE/100 mL erforderlich. Kurzfristige Sanierungsmaßnahmen sind bei einer mehrmaligen Feststellung von Kontaminationen in Konzentrationen 1.000 KBE/100 mL unumgänglich.

Ist erst einmal eine derart erhebliche Kontamination festgestellt, kann sich dies natürlich auf die Fortführung des Praxisbetriebs auswirken – und dies sowohl aus Sicht der Infektionsprävention und der Aufbereitung von Medizinprodukten als auch aus der Sicht des Arbeitsschutzes. Denn:

  • Laut der Empfehlung „Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die Hygiene“ der beim Robert-Koch-Institut angesiedelten Kommission für Krankenhaus hygiene und Infektionsprävention (KRINKO) aus dem Jahr 2006 darf in Dentaleinheiten nur Wasser in Trinkwasserqualität eingespeist werden.

  • Die Aufbereitung und der Betrieb von Medizinprodukten mit Wasser, das nicht die Vorgaben der TrinkwV erfüllt, verstößt gegen die von der KRINKO ausgegebenen Anforderungen und gegen die Bestimmungen der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) [KRINKO, 2012; MPBetreibV, 2002, 2014]. Hier wird explizit auf die Einhaltung der Trinkwasserqualität und auf die Abwesenheit fakultativ pathogener Mikroorganismen hingewiesen. Zudem fordern die Angaben der Hersteller von Medizinprodukten, dass die Geräte ausschließlich mit Wasser einer der TrinkwV entsprechenden Qualität betrieben werden.

  • Die persönliche Schutzausrüstung, die den Beschäftigten zur Verfügung stehen sollte, ist – gemäß den Vorgaben etwa der Biostoff-Verordnung – nicht auf eine Tätigkeit mit Legionellen-haltigen Aerosolen ausgerichtet [BioStoffV, 2013; ABAS, 2015].

Welche wirtschaftlichen Konsequenzen drohen?

Die Kontamination des in die Praxis abgegebenen Wassers kann durchaus zu unmittelbaren negativen wirtschaftlichen Folgen für die Praxis führen. So kann es etwa zur akuten Gefahrenabwehr erforderlich sein, Patienten auf unbestimmte Zeit abzubestellen, was einen Honorarausfall zur Folge hat. Zur akuten Gefahrenabwehr und Wiederherstellung des Praxisbetriebs könnte der Praxisinhaber zudem erhebliche Kosten in Vorleistung auf sich nehmen müssen.

Hierzu zählen zum Beispiel eine Umrüstung der Dentaleinheiten auf einen Betrieb mit einer separaten Wasserversorgung mittels sogenannter Bottle-Systeme oder die Installation von Bakterienfiltern sowie die Inbetriebnahme einer Entkeimungsanlage. Hinzu kommen können Aufwendungen für den Betrieb von Medizinprodukten (Autoklaven, Reinigungs- und Desinfektionsgeräten, Ultraschallbäder) sowie für die hygienische Händedesinfektion.

Wichtig:Veränderungen an Medizinprodukten dürfen nur vom Fachhandel durchgeführt werden, es darf dabei zu keinen unerlaubten Veränderungen in der Trinkwasser-Installation kommen. Eine Absprache mit dem Vermieter oder der Hausverwaltung ist daher empfehlenswert. Die Einleitung von Sanierungsmaßnahmen hat der Inhaber der Trinkwasser-Installation vorzunehmen.

Anhand schriftlicher Vorgaben und deren Umsetzung gilt Hygiene grundsätzlich als „regelbar“, das heißt, sie zählt zu den voll beherrschbaren Risiken. Jedem Betreiber einer Trinkwasser-Installation muss klar sein, dass hierbei die DIN-EN-Normen und die Vorgaben der TrinkwV einzuhalten sind [ LG Dortmund, Urteil vom 01.09.2010; KG Berlin, Urteil vom 08.12.2010]. Eine auch nur potenzielle Gesundheitsgefahr im Sinn einer Legionelleninfektion muss in einer zahnärztlichen Praxis ausgeschlossen werden können. Ist diese Gefahr nur durch vom Mieter eingebaute Bottle-Systeme oder Filter ausgeschlossen worden, kann sich der Vermieter darauf nicht berufen [LG Stuttgart, Urteil vom 12.5.2015].

Sind rechtliche Schritte möglich?

  • Schadensersatz des Erkrankten:Grundsätzlich können dem an Legionellosen-Pneumonie Erkrankten vertragliche und/oder deliktische Ansprüche etwa auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zustehen, wenn die Erkrankung durch eine Pflichtverletzung des Verantwortlichen der Trinkwasserversorgung verursacht worden ist [LG Saarbrücken, Urteil vom 11.12.2009]. Ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten setzt neben einem Mangel, einer Vertragsverletzung sowie deren Kausalität für die Erkrankung auch Verschulden (Fahrlässigkeit genügt) aufseiten des Schädigers voraus [BGH, Urteil vom 6.5.2015].

  • Schadensersatz des Praxisinhabers:Für den Praxisinhaber kommen bei den Schadensersatzansprüchen insbesondere die Kosten für eine chemische Desinfektion der wasserführenden Leitungen und die Umrüstung der Wasserversorgung der Dentaleinheiten über ein Bottle-System in Betracht. Bis zur Behebung der Legionellen-Kontamination durch den Vermieter können die laufenden Kosten für die erforderlichen Chemikalien zum Betrieb des Bottle-Systems ebenfalls geltend gemacht werden. Zusätzlich muss die Möglichkeit der Geltendmachung von Honorarausfällen aufgrund von Betriebsunterbrechungen sorgfältig geprüft werden. Achtung: In Kenntnis der Kontamination und einer sich hinziehenden Sanierung der Trinkwasserzufuhr liegt es in der Verantwortung des Zahnarztes, eine Gefährdungsbeurteilung der Situation durchzuführen und eventuell selbst das Bottle-System zu installieren, um den Praxisbetrieb aufrechtzuerhalten, um nicht selbst für Schädigungen der Patienten haften zu müssen. In jedem Fall ist jedoch eine ausreichende und unverzügliche Mängelanzeige und Fristsetzung zur Behebung der Kontamination dem Vermieter gegenüber zwingend rechtlich erforderlich.

  • Mietminderung:Eine Mietminderung tritt verschuldensunabhängig kraft Gesetzes (§ 536 BGB) ab Mängelanzeige gegenüber dem Vermieter ein. Solange der Praxisinhaber als Mieter befürchten muss, dass eine endgültige und sichere Sanierung der Wasserversorgungsanlage im Hause nicht erfolgt ist, kann die Miete gemindert werden. Bei einer erheblichen Legionellenbelastung ist eine Minderung von 50 Prozent angemessen; bei anschließend noch latenter Gefahr einer Belastung kann die Minderung immer noch 25 Prozent betragen [LG Stuttgart, Urteil vom 12.5.2015]. Nach Ansicht des AG Dresden ist ein Mietobjekt bereits dann mangelbehaftet, wenn es nur in der Befürchtung einer Gefahrverwirklichung genutzt werden kann [AG Dresden, Urteil vom 11.11.2013]. Eine deutlich höhere Legionellenkonzentration im Trinkwasser als nach der Trinkwasserverordnung festgelegt (im Fall des AG Dresden 14.000 KBE/100 ml statt 100 KB/ml) rechtfertigt eine Mietminderung von 25 Prozent.

  • Fristlose Kündigung:Ist es dem Vermieter nach mehrfacher Aufforderung durch den Mieter nicht gelungen, den Mangel der Trinkwasserversorgung dauerhaft zu beseitigen, steht dem Mieter das Recht zur fristlosen Kündigung zu [LG Stuttgart, Urteil vom 12.5.2015].

    Anwaltskanzlei Lachmair Kollegen, 
    RA Brigitte Schmolke, 
    München Anwaltskanzlei

    Hartmut Hardt,
    Essen
    Dr. Francisco X. Moreano
    CONSULTOR!O Zahnärztliche Unternehmensführung, 
    Erdingceo@consultorio.management

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