Volker Looman über gemischte Kapitalversicherungen

Lebensver(un)sicherung

Vorsicht, im Überschwang ist eine dynamische Kapitalversicherung schnell unterschrieben. Und dann beginnt das lange Leiden. Unser Autor Volker Looman erklärt, warum.

Die gemischte Lebensversicherung in jungen Jahren ist grober Unfug. Mir ist bewusst, dass die Aussage hart ist, doch die Unternehmen und ihre Vertreter können mich wahlweise federn, teeren oder vierteilen. Die Mixtur war, ist und bleibt eine Fehlkonstruktion, weil nicht zusammengehört, was nicht zusammenpasst.

Die Rente bei Berufsunfähigkeit, die Versorgung von Hinterbliebenen und der Aufbau von Vermögen sind in meinen Augen nur mithilfe getrennter Verträge lösbar.

Bitte schauen Sie sich in Ruhe an, was bei Privatleuten zwischen dem 25. und dem 45. Geburtstag passiert. In diesen beiden Jahrzehnten geht es in den Beruf, wird ein Auto gekauft, kommen Kinder auf die Welt, wird ab und zu geheiratet, wird ein Haus gebaut, und mit Mitte 40 geht jede zweite Ehe in die Brüche. Können Sie mir bitte sagen, wie in diese Biografie(n) eine gemischte Kapitalversicherung hineinpasst?

Schauen wir uns die Sache im Detail an: Ein Berufsanfänger startet, wenn er Diplom oder Staatsexamen in der Tasche hat, mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3.500 bis 4.000 Euro. Davon bleiben bei Ledigen nach Abzug von Sozialabgaben und Steuern zwischen 2.100 und 2.300 Euro übrig. Das heißt im Klartext, dass die junge Zahnärztin und der junge Zahnarzt weniger die Rente, sondern eher das Risiko vor Augen haben sollten, durch Arbeitslosigkeit, Invalidität oder Scheidung aus der Bahn geworfen zu werden.

Für das erste und das dritte Risiko fühle ich mich nicht zuständig, und die Überweisung einer Rente von 2.000 Euro bei Berufsunfähigkeit ist mithilfe einer gemischten Kapitalversicherung kaum bezahlbar. Der Grund ist ganz einfach. 2.000 Euro mal zwölf Monate führen zu einer Jahresrente von 24.000 Euro, so dass die Hauptversicherung mindestens 100.000 Euro betragen muss, weil die Zusatzversicherung nicht höher als 24 Prozent sein darf.

Bei dieser Vertragssumme sollten Sie, meine Damen, auf der Hut sein, wenn Ihnen der flotte „Berater“ einschlägiger Verkaufstruppen schöne Augen macht. Ganz bestimmt sind Sie es wert, doch ich vermute, dass der wahre Grund eher die Provision von 6.000 Euro ist, die in dem Vertrag steckt. Ich bin der Meinung, dass die Police, die monatlich 250 Euro kostet, überhaupt nicht zu Ihnen passt. Sie brauchen zwar die Absicherung bei Berufunfähigkeit, doch wer braucht schon Geld, wenn Sie morgen ums Leben kommen, und warum denken Sie mit 25 Lenzen schon an den Ruhestand? Sind da vorher nicht wichtigere Dinge zu erledigen?

Gehen wir zehn Jahre weiter. Sie sind Mitte 30, meine Herren, und Sie haben sich im Beruf die ersten Sporen verdient. Auch zu Hause sieht es nicht schlecht aus. Sie leben im Glauben, die richtige Frau geheiratet zu haben, und der lebende Beweis dieser Überzeugung sind zwei Kinder im Alter von vier und zwei Jahren. Ich bin mir sicher, dass auch Ihre liebe Frau in dem Glauben lebt, in Ihnen den richtigen Mann gefunden zu haben. Sie wäre aber keine Frau, wenn sie sich nicht hin und wieder Gedanken macht, wie es mit den Kindern und ihr weitergehen würde, falls Sie der Schlag trifft.

Lebensversicherungen sind zwar keine Garantie für eheliches Glück, doch sie können dazu beitragen. Das hat freilich (s)einen Preis. Wenn Angehörige über einen Zeitraum von 20 Jahren eine Monatsrente von 2.000 Euro bekommen sollen, die jedes Jahr um zwei Prozent steigt, ist bei einem Anlagezins von zwei Prozent eine Todesfallleistung von 476.000 Euro nötig. Wollen Sie noch wissen, dass die monatliche Prämie dieser Kapitallebensversicherung bei 1.150 Euro liegt? Oder darf ich Ihnen gleich sagen, dass der richtige Vertrag eine Risikolebensversicherung mit fallender Todesfallsumme ist, die im Monat nur 25 Euro kostet.

Der letzte Beweis, warum die gemischte Kapitallebensversicherung, abgeschlossen in jungen Jahren, eine Katastrophe ist, ist das Eigenheim. Dafür ist nicht viel Fantasie nötig. Stellen Sie sich eine Familie vor, die beiden Eltern 38 und 36 Jahre alt, die Kinder sieben und fünf Jahre jung. Es ist zwar Geld da, doch das Geld steht nicht so zur Verfügung, wie es im Moment nötig ist. Hier ist ein Sparbrief, der erst in zwei Jahren fällig wird, da ist ein Bausparvertrag, der noch zuteilungsreif ist, außerdem ist die Frage zu klären, was mit den beiden Riester-Verträgen passieren soll.

Das mit Abstand größte Problem sind freilich Kapitalversicherungen. Ich könnte Ihnen stundenlang Geschichten erzählen, wie sich Ärzte und Zahnmediziner ihre Haare raufen, weil sie vor Jahren im  Überschwang dynamische Kapitalversicherungen abgeschlossen haben.

Das Geld ist zwar nicht weg, doch es steht nur zur Verfügung, wenn die Verträge gekündigt werden. Das ist für viele Anleger ein Offenbarungseid, der in der Regel aber nicht zu verhindern ist, da die Eigenkapitaldecke so kurz ist. Vielleicht verstehen Sie jetzt meinen Unmut über gemischte Kapitalversicherungen in jungen Jahren. Sie passen einfach nicht in die finanzielle Lebensplanung der Menschen. Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps. In diesem Sinne gilt beim Geld die Devise: Risikovorsorge ist Risikovorsorge und Vermögensaufbau ist Vermögensaufbau. Das eine hat mit anderen nichts zu tun, und aus diesem Grund habe ich mit Versicherungen und Vermittlern kein Mitleid. Möge die gemischte Kapitalversicherung endlich in der Versenkung verschwinden und in Form passender Einzelverträge auferstehen!

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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