Die Entwicklung des Zahnarztberufs (9)

Genese des zahnärztlichen Verbandswesens

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Der Erfolg einer jeden Berufspolitik ist stets an eine funktionierende Interessenvertretung gebunden – umso mehr, wenn die Bedeutung eines noch jungen, beziehungsweise noch nicht konsolidierten Berufsstandes erst in politischen Auseinandersetzungen erstritten werden muss. Dieser Beitrag befasst sich mit der Entwicklung eines schlagkräftigen deutschen zahnärztlichen Verbandswesens.

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte von einer Organisation der Zahnärzte keine Rede sein. Erst 1848 wurde der erste zahnärztliche Verein gegründet. Bis 1870 folgten lediglich sieben weitere, zumeist lokale Vereine, von denen allerdings zum Zeitpunkt der Gründung des Deutschen Reiches (1871) nur noch zwei aktiv waren. Der „Verein Deutscher Zahnärzte“ existierte lediglich von 1859 bis 1862. In diesem war – aller Wahrscheinlichkeit nach – bereits 1859 der „Verein der Zahnärzte in Berlin“ aufgegangen. Auch der 1855 gegründete „Zahnärztliche Verein in Sachsen“ stellte seine Aktivitäten – wohl mangels Resonanz – 1869 ein. Der 1862 in Breslau konstituierte „Zahnärztliche Verein für Schlesien“ trat erst gar nicht öffentlich in Erscheinung. Ebenso wenig Bedeutung erlangte der ebenfalls seit 1862 bestehende „Verein der Berliner Zahnärzte“, ohne dass dieser jedoch offiziell aufgelöst worden wäre. Selbst der 1857 gegründete „Zahnärztliche Verein in Hamburg“ führte seit der Mitte der 1960er-Jahre nur eine „Scheinexistenz“.

Somit traten zum Zeitpunkt der Reichsgründung (1871) nur der 1859 gegründete „Central-Verein deutscher Zahnärzte“ (CVdZ) – die Vorgängerorganisation der heutigen DGZMK – sowie der „Verein deutscher Zahnärzte zu Frankfurt am Main“ öffentlich in Erscheinung. Dass der nationale Central-Verein anders als die heutige, wissenschaftlich ausgerichtete DGZMK auch stark standespolitisch orientiert war, lässt sich seiner Satzung entnehmen: Nach § 2 der Statuten galt die „Hebung des Standes der Zahnärzte in wissenschaftlicher und sozialer Beziehung“ als Hauptziel der Organisation. Seit 1861 erschien als Presseorgan des CVdZ die „Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde“.

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Die Kurierfreiheit politisiert die Zahnärzteschaft

Die geringe Entwicklung des zahnärztlichen Verbandswesens dürfte erklären, warum in der Zeit unmittelbar nach der reichsweiten Freigabe der Heilkunde und Zahnheilkunde für Laienbehandler („Kurierfreiheit“, 1871) kaum zahnärztliche Gegeninitiativen erfolgten. Erst im Verlauf der 1870er-Jahre kam es allmählich zu Protest. Dabei war es nicht der Central-Verein, der den Kampf gegen die Behandlung durch Laien einleitete, sondern eine Gruppe von Berliner Zahnärzten, die 1874 als Reaktion auf die Kurierfreiheit eine weitere Gesellschaft gründete. Robert Baume war der herausragende Vertreter dieser Vereinigung, zugleich aber auch neuer Schriftleiter der Deutschen Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde.

Dementsprechend lag es nahe, dass Baume in ebendieser Zeitschrift die Gründung der „Gesellschaft Berliner Zahnärzte“ mitteilte. Dabei schrieb er: „Wir Berliner Zahnärzte haben den Impuls gegeben zu einer Bewegung, deren Wirkung für Alle von höchster Wichtigkeit ist, jedoch bedürfen wir dazu der ausgiebigsten Unterstützung von seiten aller Collegen“ [Baume, 1874]. Dass sich die Berliner Gesellschaft als erste direkte Interessenvertretung der Zahnärzte verstand, ging auch aus den weiteren Erläuterungen hervor; so bezeichnete Baume es als wichtigste Aufgabe des Verbands, „für die Wahrung der zahnärztlichen Interessen zu sorgen“. Alle bis dahin gegründeten Vereinigungen hatten sich ebenso auch der Wissenschaft, der Kollegialität und der Ausbildungsfrage verschrieben. Schon im Februar 1874 verfasste eine von den Berliner Zahnärzten eingesetzte Kommission eine Petition an das Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten, in der baldige Abhilfe gegen die Kurpfuscherei auf dem Gebiet der Zahnheilkunde gefordert wurde [Groß, 1994].

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1874: CVdZ-Vorsitzender spricht die Missstände an

Ein gesteigertes Selbstvertrauen verriet nun auch die Rede des Vorsitzenden des CVdZ, Gustav Klare, anlässlich der Jahresversammlung des Central-Vereins 1874 in Kassel. Klare sprach nun die zutage getretenen Missstände offen an: „die zahllose Schar der Zahntechniker, die, ihre Befugnisse weit überschreitend, sich dem nicht unterrichteten Publikum als Zahnärzte vorstellt“, sei „ganz dazu angethan, die Begriffe zu verwirren, und, indem Zahnärzte und Techniker vielfach als Einer Klasse angehörig beurtheilt werden, dem Ansehen des Standes zu schaden“ [Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1874].

Offensichtlich führten die Folgen der Kurierfreiheit 1874 allmählich zu einer Protestbewegung. So wies der Vorsitzende des Central-Vereins, Adolf Hartung, 1877 auf der Jahresversammlung des CVdZ in Leipzig auf gesteigerte Aktivitäten hin: „Der Central-Verein wird es sich zur Aufgabe zu machen haben, immer mehr klar zu legen, in welcher Weise unser Stand am wenigsten geschädigt aus der grossen Krisis hervorgehen kann“ [Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1877]. Eine wesentliche Rolle spielte die neue Politik auch auf der Jahresversammlung des CVdZ 1878 in Coburg. Der nunmehrige Vorsitzende Hartung prangerte die staatliche Gesetzgebung unverhohlen an. So erklärte er: „Werthe Collegen, ich brauche sie hoffentlich nicht zu versichern, dass ich kein Socialdemokrat bin aber ich spreche es hier offen und frei aus, dass alle unsere staatlichen, socialen und kirchlichen Gesetze deshalb so Reform bedürftig sind, weil sie uns mehr oder minder aufgedrängt und fabricirt worden sind, am Schreibpulte, ohne praktische Anschauungen [...] Wer hat diese heute noch massgebenden Gesetze gemacht? Medicinalpersonen ohne alle zahnärztliche Fachkenntniss und ohne irgend einen Fachmann zugezogen zu haben“ [Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1878].

Im Weiteren verlangte Hartung eine Akademisierung der Zahnärzteschaft. Höhere Anforderungen seien eine wirksame Waffe gegen die „Auswüchse“ der Kurierfreiheit: „Das Publicum würde dann mit ganz anderen Augen auf den medicinisch gebildeten Zahnarzt blicken und den Unterschied zwischen einem wirklichen Zahnarzt und einem Zahntechniker rasch begreifen“ [Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1878].

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1878: Mit Statistik gegen die Pseudokollegen

Auf der gleichen Tagung stellte das CVdZ-Mitglied Ebenbusen erfolgreich den Antrag, statistische Untersuchungen über die Kurpfuscherei auf dem Gebiet der Zahnheilkunde durchzuführen. Anlässlich der 18. Jahresversammlung des CVdZ 1879 in Bremen erstattete der Berliner Zahnarzt Karl Sauer Bericht über die durchgeführten statistischen Erhebungen [Tiburczy, 1982; Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1879]. Dabei ging Sauer ausführlich auf die (mangelhafte) Vorbildung nichtapprobierter Zahnbehandler ein. Die früheren Berufe der Betreffenden waren hiernach: „Barbiere, Friseure, Gastwirthe, Porzellanreisende, Goldarbeiter, Barbierstochter, Gelbgiesser, Uhrmacher, Malergehülfe, Buchhändler, Lazarethverwalter, ein entlassener Kreisgerichtssecretair, der in der Folge Leinewandhändler und dann Cassirer war, Schauspieler, Kegelbahnwirth, Thierarzt, Drechslergeselle, ehemaliger Candidat der Medicin, Kaminfeger, Wundarzt, Schauspielerswithwe, Opernsänger, Invalide“ [Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1879]. Angesichts der zutage getretenen Ergebnisse schloss er seinen Bericht mit den rhetorischen Fragen: „Sollen wir da nicht versuchen, unsere Patienten und uns gegen solche Pseudocollegen zu schützen? Sollen wir da nicht eine vollständige Umänderung der betreffenden Gesetze der Gewerbefreiheit anstreben?“ Sauer erhielt daraufhin den Auftrag, seine Untersuchungen zu diesem Thema fortzuführen.

Die von Sauer geschilderten Missstände veranlassten den Central-Verein 1880 zu einem Gesuch an den Preußischen Staatsminister Hoffmann. In der Bittschrift wurde in erster Linie auf die unzureichende Ausbildung der Nichtapprobierten aufmerksam gemacht. Sauer selbst trat als Verfasser der Petition in Erscheinung [Deutsche Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde, 1880]. Sie blieb erfolglos, führte jedoch zu einer erneuten Bittschrift, die diesmal an den Reichstag gerichtet wurde [Groß, 1994]. Auch hierbei wurde kein Ergebnis erzielt: Das Reichstagsbüro teilte dem Vorstand des CVdZ 1883 mit, dass die Petition nicht mehr zur Beratung gelangt sei.

Die Jahrestagung des CVdZ 1888 in München stand ganz im Zeichen der Ausbildungsfrage [Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde, 1888]. Doch dieses Thema war nicht unabhängig von der Nichtapprobiertenfrage zu erörtern: Während beispielsweise der Zahnarzt Andreae das Maturum als notwendige Vorbedingung zur Aufnahme des zahnärztlichen Studiums forderte, da nur so die gesellschaftliche Geltung des Zahnarztberufs zu heben sei, argumentierte Otto Walkhoff, dass dem ausgebildeten Zahnarzt bei entsprechend längerem Schulbesuch im Vergleich zur Konkurrenz der Zahnkünstler einige Berufsjahre verloren gingen [Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde, 1888]. Aber auch eine Umorganisation des Verbandswesens wurde auf der Versammlung in München ins Auge gefasst.

###more### ###title### Wunsch nach wirksamer Interessenvertretung wächst ###title### ###more###

Wunsch nach wirksamer Interessenvertretung wächst

Da die berufspolitischen Ziele unter der Führung des CVdZ trotz aller Bemühungen auch 20 Jahre nach der Einführung der Kurierfreiheit nicht erreicht waren, forderten mehr und mehr Zahnärzte eine wirksamere Form der Interessenvertretung. Ziel war nunmehr die Errichtung einer Organisation, die hauptsächlich für berufspolitische Aufgaben zuständig sein sollte. Der Central-Verein sollte sich dagegen der Förderung der Wissenschaft und der Kollegialität widmen. Letztlich konnte der Vorstand des CVdZ, wie Seefeldt formulierte, „bei allem Bemühen [...] nicht mehr den revolutionären Ideen nach einer Neuordnung des Standes Einhalt gebieten“ [Seefeldt, 1937].

Bereits 1889 wurde auf der Jahresversammlung des Central-Vereins in Hamburg ein Antrag gestellt zur „Bildung eines Verbandes der Lokal- respektive Provinzialvereine mit dem Central-Verein“ [Parreidt, 1909]. Zuvor hatte die „Gesellschaft Deutscher Zahnärzte zu Berlin“ alle zahnärztlichen Vereine zu einer Tagung nach Berlin eingeladen, in der die Stellung der Zahnmediziner zu den Ortskrankenkassen beraten, aber auch das Verhältnis zwischen den Provinzialvereinen und dem CVdZ geklärt werden sollte. Seefeldt bezeichnete diese Versammlung bereits als „ersten Delegiertentag zur Bildung des Vereinsbundes“, obwohl nicht alle existierenden Organisationen teilnahmen [Seefeldt, 1937].

1891: Die Gründung des Vereinsbundes

Der „Zahnärztliche Verein für Niedersachsen“ ergriff im selben Jahr eine weitere berufspolitische Initiative. Der Vereinsvorsitzende Kuhns ließ Fragebögen erstellen, die vom Vorstand des CVdZ an sämtliche Zahnärzte im Deutschen Reich gesandt wurden. Damit wurde allen Kollegen die Möglichkeit gegeben, zum Ausbildungsproblem Stellung zu nehmen. Wie die schriftliche Umfrage ergab, forderten die meisten Zahnmediziner das Abitur als künftige Zulassungsvoraussetzung für das zahnärztliche Studium [Groß, 1994].

Ein zweiter Delegiertentag fand vom 4. bis zum 6. August 1890 – ebenfalls in Berlin – unter der Teilnahme von neun Organisationen statt [Parreidt, 1909]. Am 2. April 1891 erfolgte schließlich im Rahmen eines dritten Delegiertentages in Breslau die endgültige Gründung des „Vereinsbundes Deutscher Zahnärzte“ (VbDZ), der sich in der Folgezeit ausschließlich berufspolitischen Zielen widmete. Damit gelang den Zahnärzten schließlich eine organisatorische Angleichung an die Ärzteschaft, die bereits 1873 einen „Ärztevereinsbund“ gegründet hatte, der den Zahnärzten als Vorbild galt [Seefeldt, 1937].

Die ersten Entwürfe zu einer verbindlichen „Standesordnung“ finden sich bereits 1892 im Beiblatt der Monatsschrift. Doch letztlich fand die Berufsordnung keine Mehrheit. Zwar wurde deren grundsätzlicher Nutzen nicht infrage gestellt, doch wurde ein Problem darin gesehen, dass die Bestimmungen nur für Mitglieder bindend gewesen wären. In diesem Punkt blieben die Zahnärzte somit hinter den Ärzten zurück: Bereits 1890 besaßen 105 der 225 im Ärztevereinsbund zusammengeschlossenen Verbände eine geschriebene „Standesordnung“. Weitere 61 Organisationen verfügten über einen gewählten Ehrenrat [Huerkamp, 1985].

Im Januar 1894 kam es zur Gründung des „Vereins für freie Zahnarztwahl in Berlin“, der in der Folgezeit zahlreiche Prozesse führte, um die Interessen der Zahnärzte gegenüber den Krankenkassen und der nichtapprobierten Konkurrenz zu wahren. Auch hier dienten die Ärzte, die seit Beginn der 1890er-Jahre in vielen Städten Vereine zur Einführung freier Arztwahl gegründet hatten, als Vorbild [Seefeldt, 1937].

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1895: Erstes zahnärztliches Vereinsblatt

Ab 1895 brachte der Vereinsbund mit dem „Zahnärztlichen Vereinsblatt“ ein eigenes Presseorgan heraus [Groß, 1994], das fortan alle 14 Tage erschien. Allein zwischen 1896 und 1898 konnte der VbDZ 14 neue zahnärztliche Organisationen aufnehmen. Nun entkrampfte sich auch das Konkurrenzverhältnis zwischen Central-Verein und Vereinsbund. Während der Vorsitzende des Central-Vereins, Friedrich Louis Hesse, noch 1896 erklärt hatte, dass er von einer Entlastung des CVdZ durch den Vereinsbund nichts gespürt habe und dass sich der Central-Verein auch künftig um standespolitische Belange zu kümmern gedenke [Parreidt, 1909], schlug er 1898 versöhnliche Töne an. Hier hieß es, von einer „Rivalität des Central-Vereins mit dem Vereinsbund kann also nicht entfernt die Rede sein, was jene für sich begehren, wollen wir ja gern los sein, und was wir beanspruchen, ist ihnen principiell und faktisch unerreichbar“ [Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde, 1898].

1898 gehörten dem VbDZ bereits 23 zahnärztliche Vereinigungen an. Diese hohe Zahl erklärt sich durch zahlreiche Neugründungen, die in der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts stattfanden [Schulz, 1966].

1909: Etablierung eines Wirtschaftsverbands

Als die deutsche Ärzteschaft 1900 in Leipzig den „Verband der Ärzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen“ (später „Hartmannbund“ genannt) gründete [Schadewaldt, 1975; Huerkamp, 1985], waren auch unter den Zahnärzten erste Bestrebungen im Gange, den wirtschaftlichen Belangen größeres Gewicht beizumessen. Der Vereinsbund sah jedoch in einer solchen Maßnahme seine Kompetenzen beschnitten und veröffentlichte eine Stellungnahme, in der eine wirtschaftliche Organisation als überflüssig bezeichnet wurde [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1909].

Erst 1909 beschäftigte man sich auf einer Versammlung in Berlin mit dem Thema Wirtschaftsverband. Ein Vertreter des Leipziger Ärzteverbands referierte über Ziele und Vorgehensweise seiner Organisation und betonte deren Bedeutung bei der Auseinandersetzung mit den Krankenkassen. Die Versammlung beschloss daraufhin, eine Kommission einzusetzen, die die Gründung eines Wirtschaftsverbands vorbereiten sollte [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1937]. Während der VbDZ nur Vereine als Mitglieder hatte, sollte der wirtschaftliche Verband „jedem Zahnarzt Deutschlands zugänglich“ werden. Angesichts der Beratungen zur Reichsversicherungsordnung (RVO) sei „die Schaffung eines wirtschaftlichen Verbandes [...], wie es der Hartmann-Bund für die Aerzte darstelle, als eine zwingende Notwendigkeit zu betrachten“ [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1937]. Die Gründungsversammlung des „Wirtschaftlichen Verbandes deutscher Zahnärzte“ (WVdZ) fand am 6. Mai 1909 in Würzburg statt. Trotz seiner zunächst ablehnenden Haltung erklärte sich der Vorstand des VbDZ bereit, mit dem WVdZ zusammenzuarbeiten: In der Delegiertenversammlung des Vereinsbunds stimmten 86 Personen der Neugründung zu. Gegen die wirtschaftliche Organisation sprachen sich lediglich 17 Personen aus [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1937].

Am 1. Juli 1910 wurde mit den „Zahnärztlichen Mitteilungen“ eine verbandseigene Zeitschrift gegründet [Groß, 1994]. Zudem war eine Resolution verabschiedet worden, in der folgende Fassung des die Zahnärzte betreffenden Paragrafen der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorgeschlagen wurde: [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1910] „Bei Zahnkrankheiten kann, sofern und solange im Bezirk eines Versicherungsträgers nicht genug Zahnärzte und Aerzte vorhanden sind, welche die Behandlung übernehmen, widerruflich auch Zahntechnikern die selbständige Behandlung übertragen werden. Wer als Zahntechniker im Sinne des Gesetzes widerruflich zugelassen ist, wird durch Verordnung der obersten Verwaltungsbehörde bestimmt. Die oberste Verwaltungsbehörde kann bestimmen, unter welchen Voraussetzungen auch Heildiener und Heilgehilfen bei Zahnkrankheiten selbständige Hilfe leisten können.“

Auch in der Folgezeit blieb der Ausschluss Nichtapprobierter von der Kassenbehandlung oberstes Ziel des WVdZ. Misst man den Erfolg des WVdZ an diesem Anspruch, so blieb er erfolglos. Die endgültige Fassung der Reichsversicherungsordnung erlaubte die Zulassung der Zahntechniker zur Krankenkassenbehandlung und stand damit in diametralem Gegensatz zu den Forderungen des WVdZ [Groß, 1994].

###more### ###title### 1906: In Baden wird die erste Kammer gegründet ###title### ###more###

1906: In Baden wird die erste Kammer gegründet

1915 verlegte der WVdZ seine Geschäftsstelle in das ein Jahr zuvor gegründete „Deutsche Zahnärztehaus in Berlin“ [Tidick, 1921]. Am 20.05.1914 wurde das Haus offiziell eingeweiht. Bereits am darauffolgenden Tag fand hier die Jahresversammlung des Central-Vereins statt [Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde, 1914]. Die neue Institution wurde von Anfang an von den Zahnärzten stark genutzt [Tidick, 1921].

Während die Ärzte und Apotheker bereits 1887 beziehungsweise 1896 staatlich anerkannte Berufsvertretungen in Form eigener Kammern erhalten hatten, blieben gleichlautende Forderungen der Zahnärzte lange Zeit unbeachtet [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1898].

Die erste Zahnärztekammer wurde erst am 10. Oktober 1906 in Baden errichtet. Grundlage dieser Institution war das „Gesetz betreffend die Rechtsverhältnisse des Sanitätspersonals“ [Deutsche zahnärztliche Wochenschrift, 1906]. Die Kammer setzte sich zusammen aus elf Mitgliedern und ebenso vielen Stellvertretern. Wahlberechtigt waren alle Zahnärzte des Landes. Der Wirkungsbereich der neuen Institution umfasste die Vertretung der „Gesamtinteressen des zahnärztlichen Standes“, die Teilnahme an der öffentlichen Gesundheitspflege, die Gründung von Wohlfahrtseinrichtungen, das Recht der Umlageerhebung sowie das Disziplinarrecht. Erst 1912 gelang auch in Preußen die Gründung einer Zahnärztekammer [Groß, 1994]. Der Zahnärztekammer wurden hierin folgende Befugnisse zugestanden:

[Reichs-Medizinal-Kalender, 1914] „§ 2: Der Geschäftskreis der Zahnärztekammer umfasst die Erörterung aller Fragen und Angelegenheiten, die den zahnärztlichen Beruf, insbesondere die zahnärztliche Fortbildung, die zahnärztlichen Standesinteressen oder die Zahngesundheitspflege betreffen.“

Im Gegensatz zur badischen Kammer wies die preußische eine sehr eingeschränkte Disziplinargewalt auf. Der Vorstand erhielt lediglich die Befugnis, Zahnärzten, die ihre Berufspflichten verletzt hatten, das Wahlrecht und die Wählbarkeit zeitweise oder dauernd zu entziehen. Der hiervon betroffene Zahnarzt konnte jedoch innerhalb einer vierwöchigen Frist gegen einen derartigen Beschluss Beschwerde beim Minister einlegen [Zahnärztliche Rundschau, 1913]. Die für eine moderne Profession charakteristische Selbstkontrolle durch eigene Verbände war damit keinesfalls erreicht.

Dennoch wurde mit der sukzessiven Einführung von Kammern der langjährigen Forderung der Zahnärzteschaft auf staatlich anerkannte Körperschaften entsprochen. Sie garantierten zumindest das Recht, bei den Ministerien Anträge zu stellen. Auch die Präsenz von Ministerialvertretern bei den Sitzungen des Vorstands bot eine wichtige Voraussetzung, um das Bewusstsein der Behörden für die Belange der Zahnärzteschaft zu wecken. Die Zahnärztekammern schlugen somit eine institutionelle Brücke zwischen den berufspolitischen Interessen der Zahnärzte und den Belangen der Ministerien und sicherten den Zahnärzten eine Mitwirkung an Entscheidungen der öffentlichen Gesundheitspflege.

###more### ###title### Der Organisationsgrad nimmt zu ###title### ###more###

Der Organisationsgrad nimmt zu

Ebenso aufschlussreich wie die Entwicklung des zahnärztlichen Verbandswesens erscheint die Frage nach der Entwicklung des betreffenden Organisationsgrades – gerade auch im Vergleich zur deutschen Ärzteschaft: Im Gründungsjahr 1859 nahm der CVdZ seine Arbeit mit 21 Mitgliedern auf. Bis 1875 waren knapp 130 von rund 500 deutschen Zahnärzten im Central-Verein organisiert. Es liegt nahe, diesen Wert mit dem der ärztlichen Berufsgruppe zu vergleichen. Erste zuverlässige Angaben zum Anteil der organisierten Ärzte liegen für 1874 vor. Zu jenem Zeitpunkt bestanden 111 ärztliche Vereine mit insgesamt 6.165 Mitgliedern. Der Organisationsgrad betrug rund 50 Prozent – die Ärzteschaft wies damit einen deutlichen Organisationsvorsprung auf.

Erst nach 1900 stieg die Zahl der Mitglieder des CVdZ deutlich an. 1909 wurden erstmals mehr als 1.000 Mitglieder gezählt [Schaeffer-Stuckert, 1934]. Damit war den Zahnärzten eine Annäherung an die Ärzte gelungen. Deren Organisationsgrad betrug 1898 63,3 Prozent [Huerkamp, 1985]. 1906 waren immerhin 63,9 Prozent der deutschen Zahnärzte in Verbänden organisiert – nämlich 1.286 von 2013 im Deutschen Reich registrierten Zahnärzten.

Der Organisationsgrad des 1910 gegründeten WVdZ blieb in den beiden ersten, mit Blick auf die Kassenfrage jedoch entscheidenden Jahren gering. Bis 1912 gehörten dem Verband lediglich 1.500 Zahnärzte an. Zwei Jahre später betrug ihre Zahl dagegen bereits 2.967. Der Prozentsatz der im WVdZ organisierten Zahnärzte stieg damit bis Ende des Jahres 1910 von 11,6 Prozent auf 29,8 Prozent an, machte aber immer noch weniger als ein Drittel der deutschen Zahnärzte aus. Bis 1914 stieg diese Zahl dann auf beachtliche 74,2 Prozent. Sie entsprach damit annähernd der dem Leipziger Verband angeschlossenen Prozentzahl der Ärzte [Meerwarth, 1932].

Obwohl die Dentisten- und die Kassenfrage weiterhin ungelöst waren, hatten die zahnärztlichen Organisationen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs durchaus Erfolge zu verzeichnen: Erst die Etablierung zahnärztlicher Verbände schuf die Voraussetzung für eine organisierte Öffentlichkeitsarbeit, aber auch für eine stärkere Solidarisierung der Zahnärzte (Kollegialitätsgedanke). Hinzu kamen handfeste berufspolitische Erfolge bei der Akademisierung des Faches (1909 Einführung des Abiturs als Studienvoraussetzung, 1919 Promotionsrecht im eigenen Fach). Auch in materieller Hinsicht kam dem zahnärztlichen Verbandswesen Bedeutung zu. So bemühten sich die Organisationen für ihre Mitglieder erfolgreich um günstige Bezugsquellen für zahnärztliche Bedarfsartikel und etablierten Unterstützungsmodelle für in Not geratene Berufskollegen und deren Familien [Fretzdorff, 1969].

1924 wurde der Wirtschaftsverband in „Reichsverband der Zahnärzte Deutschlands“ umbenannt [Maretzky/Venter, 1974], und im „Dritten Reich“ wurde daraus die – fortan maßgeblich von Reichszahnärzteführer Ernst Stuck geprägte – „Deutsche Zahnärzteschaft e.V.“ (1935). Der Central-Verein  wurde seinerseits 1926 in „Deutsche Gesellschaft für Zahn- und Kieferheilkunde“ und 1933 in „Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ (DGZMK) umbenannt, blieb jedoch als Organisation weitgehend unverändert und wurde ungeachtet des politischen Wechsels auch nach 1933 von Hermann Euler angeführt.

Die Lösung der beiden drängendsten standespolitischen Probleme – der Dentistenfrage und der Kassenfrage – gelangen den zahnärztlichen Interessenvertretern jeweils erst nach der Gründung der Bundesrepublik: Das „Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde“ vom 31. März 1952 regelte hierbei die Eingliederung der Dentisten in die zahnärztliche Berufsgruppe. Es galt ebenso wie das „Gesetz über das Kassenarztrecht“ (GKAR) vom 17. August 1955, die Neuschaffung eines Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) vom 1. Juli 1962 und die Gebührenordnung für Zahnärzte vom 18. März 1965 als wesentlicher Markstein in der fachlichen und wirtschaftlichen Entwicklung der zahnärztlichen Profession.

###more### ###title### Die Gründung von BZÄK und KZBV ###title### ###more###

Die Gründung von BZÄK und KZBV

Zu diesem Zeitpunkt war die deutsche Zahnärzteschaft allerdings in einzelnen Teilen bereits deutlich anders organisiert: So war 1953 in Rothenburg odT der „Bundesverband der Deutschen Zahnärzte“ (BDZ) gegründet worden, der seit 1993 offiziell den Namen „Bundeszahnärztekammer“ (BZÄK) trägt. 1954 hatte sich zudem die Arbeitsgemeinschaft der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) konstituiert, bevor durch das Gesetz über das Kassenarztrecht 1955 die förmliche Errichtung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) erfolgte. Demgegenüber hatte sich die DGZMK als wissenschaftliche Dachorganisation der Zahnärzteschaft bereits 1949 unter demselben Namen rekonstituieren können.

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Während die BZÄK seit den 1950er-Jahren als Arbeitsgemeinschaft der deutschen Zahnärztekammern die gesundheits- und professionspolitischen Interessen des Berufsstands vertritt, dient die KZBV als Organ der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung der Wahrung der Rechte der Zahnärzte gegenüber den Krankenkassen und der Wahrung ihrer Interessen gegenüber der Aufsichtsbehörde und dem Gesetzgeber. Die DGZMK vereint ihrerseits weit mehr als 30 spezialisierte Fachgesellschaften, Arbeitskreise und Arbeitsgemeinschaften und vertritt hierbei nach wie vor insbesondere die wissenschaftlichen Standpunkte der Zahnheilkunde.

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik GroßInstitut für Geschichte, Theorie und Ethik der MedizinMedizinische Fakultät und Universitätsklinik der RWTH Aachen E-mail:

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