„Nach der Praxis habe ich Kopfschmerzen!“
„Jeden Tag höre ich neue Worte, die ich notieren kann“, sagt Wassim Mukdessi. „Ich schreibe das Wort, wie ich es verstanden habe, dazu die Bedeutung in Arabisch. Dann korrigieren die Schwestern der Praxis die deutsche Schreibweise. Nach der Praxis habe ich dann Kopfschmerzen.“ Zu Hause überträgt er die Fachwörter in eine Datei. Denn Mukdessi will nicht einfach nur Deutsch lernen. Der Hospitant von Dr. Joachim Hoffmann im Implantarium Jena will das erste dentale Wörterbuch in Arabisch und Deutsch auflegen. 80 Seiten umfasst das Buch bereits, das am Ende im Web erscheinen soll. Mukdessi: „Das ist für mich eine gute Methode zu lernen und vielleicht kann ich später anderen arabischsprachigen Kollegen helfen.“ Das Wichtigste aber ist für den syrischen Zahnarzt, die zahnärztliche Fachsprache in Deutsch zu lernen, um dann die Fachsprachenprüfung zu bestehen. Erst dann wird seine Approbation der Universität Latakia anerkannt. Das ist kein Pappenstiel: „Die deutsche Sprache ist noch schwieriger als Anatomie!“
Mukdessi kam nicht als Flüchtling hierher: Von Anfang an wollte der syrische Zahnarzt in Deutschland sein Know-how erweitern, denn das Niveau der Zahnmedizin hält er für „sehr, sehr hoch“: „Die Zahnärzte in meiner Heimat müssen gerade bei der Hygiene viel verbessern. Hier sehe ich selbst nach großen Operationen kaum Infektionen.
Das ist in Syrien sogar nach viel kleineren chirurgischen Eingriffen oft der Fall.“ Nachdem er seine Zeugnisse in der Botschaft in Beirut vorgelegt hatte, erhielt er ein Visum für die Sprachausbildung zur Berufsvorbereitung. „Meine Ausbildung wird von meiner Familie in Syrien finanziert. Natürlich spielten die Zerstörung und die Perspektivlosigkeit in unserem Land eine Rolle für meinen Wunsch hier zu arbeiten, aber auch die Möglichkeiten der modernen Zahnmedizin in Deutschland. Es muss toll sein, hier in Deutschland als Zahnarzt zu arbeiten. Einige Zahnärzte und Professoren in Latakia und Damaskus haben in Deutschland studiert. Sie waren die besten Zahnärzte in Syrien. Manchmal kamen Zahnärzte von hier nach Syrien und zeigten uns neue Behandlungsmethoden.“ Sein Traum: „Hier in Deutschland einen Master zu machen.“ Und na klar: Er möchte später auch gern wieder nach Syrien zurück, doch das hänge auch von der dortigen Situation ab.
Für Hoffmann war es kaum überraschend, plötzlich einen syrischen Hospitanten zu haben: „In Jena wurden ja schon vor 1989 Kollegen aus Syrien in verschiedenen medizinischen Fachrichtungen ausgebildet. Auch in unserer Praxis haben wir gelegentlich ausländische Hospitanten.“ Er selbst war zwischen 2004 und 2010 zweimal jährlich in Syrien, um dort Kollegen in Implantatchirurgie und -prothetik auszubilden – „insofern setzt sich hier eine Tradition fort, wenn auch unter veränderten Voraussetzungen“.
Mutig findet er, sich auf die wegen der Sprache erschwerten Zulassungsbedingungen in Deutschland einzulassen. Seiner Meinung nach hätte es Mukdessi im arabischsprachigem Raum viel einfacher gehabt: „Dort werden die syrischen Kollegen wegen ihrer guten Ausbildung mit Kusshand genommen und gut bezahlt. Im gesamten Nahen Osten gelten sie als die geschicktesten.“
Gelegentlich hospitiert Mukdessi bei den Operationen: „Wenn möglich, erklärt mir Dr. Hoffmann dabei Ausdrücke der Behandlung. Manchmal, wenn sehr offene Patienten behandelt werden, bittet er mich, zu beschreiben, was er gerade macht. Dann wird es zuweilen lustig.“ Für Hoffmann und sein Team steht jetzt schon fest: „Egal ob das, was Wassim jetzt lernt, später Patienten in Syrien zugute kommt oder ob er dazu beiträgt, den absehbaren Zahnärztemangel in Deutschland zu lindern – wir helfen ihm gern, in der Fachsprache und in der Zahnmedizin Fuß zu fassen.“