Allianz für Gesundheitskompetenz

Nur noch konkret reden

Allianz für ... was? Gesundheitskompetenz!? 15 relevante Organisationen im Gesundheitswesen haben sich als „Allianz für Gesundheitskompetenz“ mit verschiedenen Maßnahmenpaketen am19. Juni auf den Weg gemacht, die Informationssituation der Patienten zu Gesundheits- wie Krankheitsfragen zu verbessern. Denn wenn es um valide, verlässliche, vor allem aber für den Patienten verstehbare Informationen zu diesen Themen geht, sehen alle Teilnehmer unisono erhebliche Defizite. Diese sollen nun in einer konzertierten Aktion mit dem BMG angegangen werden.

Nach aller Euphorie über den allzeit verfügbaren und angesichts der Informationsfülle schier allwissenden Dr. Google greift zunehmend Ernüchterung um sich. „Viel hilft viel“ ist gerade bei Gesundheits- wie auch Krankheitsinformationen eher kontraproduktiv. Gleiches gilt auch für das übliche Google-Ranking, denn der Algorithmus differenziert nicht nach inhaltlicher Richtigkeit. Und so gilt eben auch für Dr. Google „Dicht daneben ist auch vorbei“ und dies umso häufiger, sobald es sich um Gesundheitsinformationen handelt. Erschwerend kommt hinzu, dass 54 Prozent der Patienten über eine nur eingeschränkte Gesundheitskompetenz verfügen. Das beginnt bereits damit, die für sie relevanten Informationen überhaupt zu finden, zu bewerten und für sich umzusetzen, so Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in seinem Einführungsstatement. Aber wie will man als Laie erkennen, ob eine Information im Netz zuverlässig ist?

Also hilft doch nur der echte Heilberufler, der Experte aus Fleisch und Blut? Mitnichten, wie der Moderator der Veranstaltung, Dr. Eckhart von Hirschhausen, statuiert. Denn abgesehen von der Informationsasymmetrie auf der Sach- und Fachebene zwischen Experte und Patient „sind wir in unserer Sprache meilenweit von dem entfernt, was die Menschen verstehen“. Er machte dies an den auf Patientenverständnis „getrimmten“ Formulierungen in den Beipackzetteln der Arzneimittel und deren Angaben zu möglichen Nebenwirkungen deutlich. Als häufig gilt: Ein Ereignis auf 1 bis 10 Behandelte von 100 (1 bis 10 Prozent). Würde ein Patient dies als häufig bezeichnen? Wohl eher nicht, denn wenn ein Fußballspieler von zehn geschossenen Elfmetern nur einen verwandelt, ist das landläufig eben selten und nicht häufig!

„Ich fühle mich nicht gesehen, wenn ich nicht geröntgt wurde“

Die Schlussfolgerung des Ministers: „Wir brauchen dringend mehr verständliche Gesundheitsinformationen. Denn nur wer gut informiert ist, kann Gesundheitsrisiken vermeiden und im Krankheitsfall durch eigenes Verhalten zu einer erfolgreichen Behandlung beitragen. Doch es ist nicht immer einfach, im Dickicht der oft unverständlichen Gesundheitsinformationen den Durchblick zu bewahren.“ Um dieser unbefriedigenden Situation abzuhelfen, initiierte das Bundesgesundheitsministerium „Die Allianz für Gesundheitskompetenz“.

„Nicht das Internet bearbeiten, sondern den Patienten!“

Und was genau wollen die Akteure nun erreichen? „Diese Allianz ist eine Kooperations- und Koordinierungsinitiative. Sie dient der Stärkung der allgemeinen Gesundheitskompetenz, der besseren Kommunikation zwischen den im Gesundheitswesen Tätigen und den Patientinnen und Patienten sowie der informierten und gemeinsamen Entscheidungsfindung. Die Beteiligten erarbeiten für ihren jeweiligen Zuständigkeits- und Regelungsbereich entsprechende Empfehlungen und Maßnahmen in den drei Handlungsfeldern und setzen dieses nach Information der anderen Beteiligten in ihrem Bereich eigenverantwortlich um“, so der Wortlaut der gemeinsamen Erklärung.

Doch vor die öffentlichkeitswirksame Unterschrift der obersten Vertreter der jeweiligen Organisationen zum Start der Allianz hatten die Veranstaltungsplaner im BMG eine Interviewrunde mit dem Doktor der Medizin und Moderator Eckart von Hirschhausen gesetzt. Einige Statements seien nachfolgend aufgeführt: Den Interviewreigen eröffnete der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel. Er betonte die Wichtigkeit des Gesprächs zwischen Patient und Arzt, „als Pfeiler des Vertrauens. Jede Therapie ist immer eine Entscheidung des Patienten, nicht des Arztes.“ Dass die zahnärztliche Kommunikation funktioniert, zeigen die Ergebnisse der DMS V. „Wir sind Präventionsweltmeister. Und dennoch kommen wir an die letzten 20 Prozent nicht richtig heran.“ Hier will die BZÄK verstärkt mit dem Konzept der sogenannten Teach-back-Methode arbeiten, um auch die Restgruppe der Nicht-Gesundheitskompetenten zu erreichen.

Die Partner der „Allianz für Gesundheitskompetenz“

15 Organisationen machen mit: vonseiten der Politik das BMG, die Gesundheitsministerkonferenz der Länder, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten und Pflege, seitens der Heilberufler BZÄK und BÄK, KZBV und KBV, ABDA, seitens der Pflege der Deutsche Pflegerat, seitens der Kassen der GKV-Spitzenverband sowie der Verband der PKVen, der G-BA, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und seitens der Patientenorganisationen die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe. Und zu guter Letzt ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen dabei.

Deutlich schwieriger hatte es da der Unparteiische Vorsitzende des G-BA, Prof. Josef Hecken, den Anteil des Gemeinsamen Bundesausschusses bei der Verbesserung der Gesundheitskompetenz zu vermitteln. Wie will man auch Patienten plausibel machen, was als Leistung ausreichend, wirtschaftlich und zweckmäßig ist? Frei nach dem Motto „Ich fühle mich nicht gesehen, wenn ich nicht geröntgt wurde“ geht es häufig um schwer zu beeinflussende Parameter der Gefühlswelt. Dieses Unverständnis sei jedoch nicht an den Bildungsstand gebunden, wie Hecken feststellte, denn „wir haben es hier nicht mit einem Prekariatsproblem zu tun“.

„Nicht das Internet bearbeiten, sondern den Patienten“, so lautete die Empfehlung von Prof. Frank Ulrich Montgomery. Der Präsident der Bundesärztekammer sieht zwei wesentliche Ansatzpunkte: einerseits die Gesundheitskompetenz durch eine verbesserte Bildung bereits ab der Grundschule aufzubauen und andererseits den Ärzten mehr Zeit für das Patientengespräch zu ermöglichen. Denn „Zeit ist das wertvollste Gut, da hilft auch kein gesponserter Zugang zu der Cochrane-Datenbank“, so seine Antwort auf den Einwurf des Moderators, allen Ärzten für 1 Euro pro Monat einen entsprechenden Zugang zu „gesichertem Wissen zu ermöglichen“. Wichtiger sei das Gespräch, frei nach der ehemaligen Familienministerin Ursula Lehr: „Der alte Arzt spricht Latein, der junge Arzt Englisch, der gute Arzt aber mit seinen Patienten.“

Stichwort Schule: Ein wesentlicher Baustein für die Präventionserfolge in der Zahnmedizin war und ist, so Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV, „dass die Zahnärztinnen und Zahnärzte bereits seit 20 Jahren in den Kitas und Schulen aktiv sind und die Kinder ganz praktisch aufklären. Nur über Bildung gelingt es, dass die Menschen zu Managern ihrer eigenen Gesundheit werden.“ Im Hinblick auf die Eltern und eine mundgesunde Ernährung der Kleinsten bleibe jedoch noch einiges zu tun. Frühkindliche Karies, ECC, nimmt nämlich trotz aller Erfolge in der Prävention zu statt ab. Um hier eine Verbesserung zu erreichen, ist eine enge Vernetzung mit Kinderärzten und Allgemeinmedizinern notwendig.

„Der alte Arzt spricht Latein, der junge Arzt Englisch, der gute Arzt aber mit seinen Patienten“

Eine Sichtweise, die auch der Präsident der Bundesvereinigung der Apotheker (ABDA), Friedemann Schmidt, vertrat. „Erst die Kombination der Behandler erreicht das Problem.“ Er sieht die Apotheker für die Patienten in der Rolle „als Tor zum Gesundheitswesen“, vor allem deshalb, weil die Institution Apotheke für diese niederschwellig sei. Zudem sind, so Schmidt, „die Mitarbeiter in der Apotheke sehr dicht an der Sprache der Patienten“.

Für den Kommunikationserfolg, so der Tenor, komme es eben nicht nur darauf an, zu kommunizieren, sondern es mit den richtigen Worten in dem jeweiligen Kontext zu tun. Franz Wagner, der Vizepräsident des Deutschen Pflegerates, beschrieb es so: „Wir vergessen zu oft, vom Patienten aus zu denken. Dabei befindet sich der Patient meist in einer Ausnahmesituation. Unter Angst lernt und versteht man schlechter.“ Und ergänzte aus dem Bereich der Pflege: „Kommunikation ist die stärkste Intervention, die wir haben.“

Dass es nicht reicht, eine Struktur nur vorzuhalten, die Patienten Informationen und Fragen ermöglicht, erläuterte die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, Prof. Eva Quante-Brandt. Frei nach „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ sieht sie eine Verbesserung der Gesundheitskompetenz nicht in einem mehr an Information (eigenes Schulfach!), sondern vielmehr in der Integration und dem Andocken der notwendigen Gesundheitsinformationen in den entsprechenden Fächern wie z. B. Biologie und Sport. Die Aufgabe sei es also, „das in das Bewusstsein der Lehrkräfte zu bekommen. Die Schüler müssen von der Pike auf lernen, dass Gesundheit wichtig ist.“

„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“

Falls Sie noch eine Organisation in der illustren Runde der Allianz für Gesundheitskompetenz vermissen – auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit, kurz IQWiG, ist dabei. Dieses wurde vom Minister beauftragt, bis 2018 ein Konzept für ein Nationales Gesundheitsportal zu erarbeiten. Das Portal soll vertrauenswürdige, wissenschaftlich belegte und unabhängige Gesundheitsinformationen zusammenführen, so das Ministerium. Wie man sich das vorzustellen hat, ist noch nicht klar. Einen möglichen Vorgeschmack gab Dr. Doris Pfeiffer, die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, indem sie den Ausbau des IGeL-Monitors ankündigte und erneut die Wichtigkeit evidenzbasierter Information für die Patientenentscheidungen hervorhob. Auch in Anbetracht von mittlerweile 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland scheint der Beitrag des BMG zielführender zu sein: Im Rahmen des Nationalen Krebsplans wurde die Entwicklung eines Musterlehrplans „Kommunikation in der Medizin“ gefördert, um Studierenden über den gesamten Verlauf des Medizinstudiums Fähigkeiten zu vermitteln, Wissen zu Diagnose und Therapie verständlich zu erklären, auf die Fragen der Patienten und Angehörigen einzugehen und diese in der Therapie zu begleiten.

Und der Beitrag der KBV zur Allianz? Abgesehen von den Patienteninfomationen, die das Ärztliche Zentrum für Qualität (ÄZQ) herausgibt, und den im Internet bereitgestellten Checklisten, mit denen Patienten in die Lage versetzt werden sollen, Gesundheitsangebote zu überprüfen, will die KBV die Stärkung der Gesundheitskompetenz vor allem im Bereich Notfallversorgung ausbauen. Gefördert werden soll vor allem die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung in Sachen Gesundheit, so Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Nachdem alle Teilnehmer Ihre Unterschrift unter die „Allianz für Gesundheitskompetenz“ gesetzt hatten, war dem Hausherrn im BMG, Minister Hermann Gröhe, die Freude über den gelungenen Stapellauf nach der gut einjährigen Vorbereitungszeit deutlich anzumerken. Im Wahlkampf wird es sicher nicht schaden, dokumentieren die gelungenen Presse-Bilder mit wesentlichen Playern aus dem Gesundheitswesen doch tatkräftige ministerielle Gestaltung. Vielleicht war diese auch wieder nötig, um den Beteiligten zu verdeutlichen, dass nur in der Zusammenarbeit eine Verbesserung erreicht werden kann. Oder wie Gröhe sagte: Jeder erzählt, was er vorhat. Wir bündeln es und dann wird mehr draus …

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