Neue Präventionsleistungen für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen
Schon 2015 hatte der Gesetzgeber den G-BA mit der Regelung konkreter zahnärztlicher Präventionsleistungen beauftragt. Anfang 2016 brachte die KZBV dann einen eigenen Richtlinienentwurf in den G-BA ein, um die Beratungen zu beschleunigen.
„Für die Betroffenen, die in der Regel nicht eigenverantwortlich für ihre Mundhygiene sorgen können, gab es bislang keine adäquate Versorgung“, verdeutlicht der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer das Problem. Gerade diese Patienten seien jedoch auf besondere Unterstützung angewiesen, da ihre Mundgesundheit bekanntlich im Schnitt deutlich schlechter ist als die der übrigen Bevölkerung.
Eßer: „Das Risiko für Karies-, Parodontal- und Mundschleimhauterkrankungen ist bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen besonders hoch. Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass mit der neuen Richtlinie nun ein wichtiger Schritt getan wurde, um für diese vulnerable Patientengruppe die gleiche Teilhabe an einer bedarfsgerechten, zahnärztlichen Versorgung zu ermöglichen.“
Die neuen Leistungen
Mit den neuen Leistungen haben Betroffene erstmals Anspruch auf präventive Betreuung beim Zahnarzt – insbesondere darauf,
- dass der Mundgesundheitsstatus erhoben,
- ein Plan zur individuellen Mund- und Prothesenpflege erstellt und
- über die Bedeutung der Mundhygiene aufgeklärt wird sowie
- dass Maßnahmen zur Erhaltung der Mundgesundheit
- und einmal im Kalenderhalbjahr harte Zahnbeläge entfernt werden.
- Pflege- oder Unterstützungspersonen sollen zudem in die Aufklärung und die Erstellung des Pflegeplans einbezogen werden.
Aufgrund des besonderen Versorgungsbedarfs von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen hatte die Zahnärzteschaft bereits im Jahr 2010 ihr umfassendes Konzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ (AuB-Konzept)* vorgestellt.
Seitdem wirbt die KZBV in der Politik – mit Erfolg – kontinuierlich für die Umsetzung dieser Inhalte und die Notwendigkeit einer gesetzlichen Implementierung: Nachdem der Gesetzgeber zunächst mit den § 22a, § 87 Abs. 2i und § 87 Abs. 2j SGB V wichtige Teile des AuB-Konzepts aufgegriffen hatte, erfolgt mit der Verabschiedung dieser Richtlinie jetzt die Umsetzung in die Versorgung.
Ein wichtiger Meilenstein
Der Beschluss ist auch ein wichtiger Meilenstein für die Arbeitsgemeinschaft für Zahnmedizin für Menschen mit Behinderung (AG ZMB). Die AG wies auf ihrer zweiten Jahrestagung am 16. September auf die Bedeutung der Richtlinie für die Versorgung hin und adressierte in einem offenen Brief weiteren Handlungsbedarf.
„Mit der Umsetzung der gesetzlich vorgegebenen Inhalte in der Richtlinie ist ein erster wichtiger Schritt gelungen. Zukünftig werden damit auch die Kollegen honoriert, die seit Jahren diese Patienten engagiert und uneigennützig betreuen“, betonen die beiden Vorsitzenden Prof. Andreas Schulte und Dr. Imke Kaschke.
Als Sachverständige hatten Schulte und Kaschke mit Verweis auf das Versorgungskonzept der KZBV bereits in den Beratungen im G-BA ausgeführt, warum die Leistungen für diese Patientengruppe besonders ausgestaltet werden müssen. Sie weisen daher auch darauf hin, dass mit dem Inkrafttreten der Richtlinie nur ein Teil der Forderungen aus dem AuB-Konzept erfüllt wird: „Unser Appell lautet deshalb, auch die übrigen Forderungen aus dem AuB-Konzept zu erfüllen. Konkret ist nun der G-BA am Zug und muss darauf aufbauend über weitere notwendige Prophylaxeleistungen beraten.“
Der Ball ist weiterhin im Feld des G-BA
Auch Eßer sieht den Ball weiterhin im Feld des G-BA: „Die Verabschiedung der Richtlinie ist sehr zu begrüßen, aber kein Signal zum Ausruhen. Es gilt jetzt, in einem zweiten Schritt über weitere Leistungen zu beraten, die bislang aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung noch nicht in die Richtlinie überführt werden konnten.“
* Das Konzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ können Sie auf der KZBV-Website abbrufen.
RA Christian Nobmann
Leiter Abteilung Koordination Gemeinsamer Bundesausschuss in der KZBV