„Wir brauchen mehr schwarze Zahnärzte!“
Robert Tanner Freeman wurde als – wie sein Name sagt – „freier Mann“ 1846 in Washington D.C. geboren. Dort begann er – noch als Teenager – als Assistent für den weißen Zahnarzt Dr. Noble zu arbeiten. Freeman wollte unbedingt selbst Zahnarzt werden, doch zwei verschiedene Ausbildungsstätten lehnten ihn aufgrund seiner Hautfarbe ab. An der Harvard University School of Dental Medicine klappte es schließlich – nach einem Gespräch mit dem Direktor, der sich fortan gegen die Rassendiskriminierung aussprach. Freeman wurde 1869 der erste afro-amerikanische Absolvent der Zahnheilkunde und ein Vorbild für viele andere.
1880 zählte die erste Pionier-Generation gerade einmal ein Dutzend ausgebildete Zahnärzte in den gesamten USA, 1900 waren es rund 300. 1881 gründete sich das Howard University College of Dentistry in Washington D.C., 1886 das Meharry Medical College in Tennessee, beide Lehrstätten richteten sich an afro-amerikanische Mediziner. Bis heute bilden sie die über‧wiegende Mehrheit der afro-amerikanischen Zahnärzte, Dentalhygieniker und Zahn‧techniker aus. Da die größte zahnärztliche Vereinigung der USA, die American Dental Association (ADA), nicht-weiße Anwärter hartnäckig ausschloss, bildeten diese ihre eigenen Verbände und Gesellschaften auf lokaler und nationaler Ebene, um sich beruflich professionalisieren und sozial besser unter‧stützen zu können.
Als wichtigste Institution entstand 1932 die National Dental Association (NDA). Sie setzt sich für zahnmedizinische Karrieren gesellschaftlicher Minderheiten ein. Während der Bürgerrechtsbewegung der 60er-Jahre waren viele ihrer Mitglieder besonders aktiv am Kampf gegen Rassendiskriminierung beteiligt. Sie protestierten unter anderem gegen diskriminierende Praktiken von Ver‧sicherungsgesellschaften oder gegen den schlechten Zugang zu staatlichen Förderungen und zahnärztlichen Forschungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Prominente Aktivisten dieser Zeit waren etwa die Zahnärzte Roy C. Bell und Reginald Hawkins. Hawkins, ein Freund des 1968 erschossenen Martin Luther King, wurde bekannt, als er 1957 die schwarze Schülerin Dorothy Counts in eine weiße Schule in Charlotte, North Carolina, begleitete: Die 15-Jährige und der Zahnarzt gingen durch einen Regen an Spucke und Beschimpfungen. Das Mädchen gab nach vier Tagen Schulunterricht und Schikane auf. Auch die Bürgerrechtler erlebten Rückschläge, aber genauso Erfolge: So bekannte sich die ADA Ende des Jahrzehnts zur Akzeptanz jeder Person – unabhängig von Rasse, Farbe, Glaubensbekenntnis oder nationaler Herkunft. Nach und nach öffneten bislang rein weiße Fakultäten ihre Türen für afro-amerikanische Studenten.
Nur 300 Absolventen von 5.000 sind heute schwarz
Mit den Jahrzehnten stieg die Zahl afro-amerikanischer Zahnärzte langsam. Die NDA repräsentiert heute mehr als 7.000 Mitglieder, sie ist weltweit die größte und älteste Organisation, die Minderheiten innerhalb der Zahnärzteschaft vertritt. Gemessen an der Größe der afro-amerikanischen Bevölkerung ist der Anteil schwarzer Zahnärzte jedoch immer noch gering.
Die American Dental Education Association (ADEA) fordert: „Wir brauchen mehr schwarze Zahnärzte!“ Denn nur 300 Absolventen zahnmedizinischer Schulen sind schwarz – von jährlich insgesamt 5.000. Und schwarze Zahnärzte behandeln größtenteils schwarze Patienten (laut ADEA zu 62 Prozent). Ein afro-amerikanischer Zahnarzt in einer weißen Nachbarschaft hat also immer noch Seltenheitswert.
Sonja Schultz,
Fachredakteurin aus Berlin