Reform verabschiedet – Finanzen unklar
Am 31. März stellten Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, Bundesforschungsministerin Prof. Johanna Wanka sowie Vertreter der Gesundheits- und Kulturministerkonferenz der Länder und Vertreter der Koalitionsfraktionen des Deutschen Bundestages der Öffentlichkeit den Masterplan Medizinstudium 2020 vor. Der Plan war mit Spannung erwartet worden, denn noch vor ein paar Wochen war die Entscheidung über das Papier kurzfristig von der Agenda der Kultusministerkonferenz gestrichen und vertagt worden. Grund war die fehlende Finanzierung der 37 aufgelisteten Maßnahmen. Doch auch mit der jetzigen Veröffentlichung bleibt dieser Punkt ungeklärt.
Mehr Praxisbezug
Gröhe zeigte sich dennoch mit dem Ergebnis zufrieden: Mehr Praxisbezug im Studium und eine Stärkung der Allgemeinmedizin seien gerade mit Blick auf die gute Versorgung im ländlichen Raum von großer Bedeutung. Zugleich werde die Befähigung zu wissenschaftlichem Arbeiten gestärkt. Mit dem Masterplan würden die Herausforderungen an die nächste Medizinergeneration definiert und Weichen für deren Ausbildung gestellt, ergänzte Bundesforschungsministerin Wanka. Das Studium erhalte mehr Praxisbezug, die kommunikativen und die sozialen Fähigkeiten würden stärker gewichtet und die Allgemeinmedizin werde ausgebaut. Zugleich würden Maßnahmen zur Sicherstellung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung getroffen.
Auf zusätzliche Medizinstudienplätze konnten sich die Länder nicht einigen. Zunächst soll eine Expertengruppe die Auswirkungen des Masterplans evaluieren. Wer dieser Gruppe angehören soll, steht noch nicht fest. Der zusätzliche Finanzbedarf der Fachressorts zur Umsetzung des Masterplans ist erst nach der Ermittlung der finanziellen und kapazitären Auswirkungen der Neustrukturierung des Studiums bestimmbar. Die vollständige Umsetzung steht unter Haushaltsvorbehalt der Länder.
300 Millionen Euro Bedarf
Die geplanten Regelungen sind weitgehend freiwilliger Natur. Bundesministerin Wanka erläuterte bei der Vorstellung des Plans, das BMBF stelle drei Millionen Euro zur Verfügung zur Messung und Bewertung von neuen Zulassungskriterien für das Medizinstudium wie beispielsweise Sozialkompetenz.
20 Millionen Euro stelle das BMBF außerdem für den Aufbau eines Forschungsnetzwerks aus Allgemeinmedizinischen Praxen zur Verfügung, in denen die Studenten im Rahmen ihres Studiums tätig sein sollen. Der Sprecher der Kultusministerkonferenz Ulrich Steinbach zitierte Schätzungen, nach denen die Umsetzung des Masterplans jährlich rund 300 Millionen Euro kosten wird. Was auf die Haushalte an Belastungen zukommen könnte, soll nun die Expertenkommission errechnen.
Die wichtigsten Punkte
Hier die wichtigsten Punkte der Reform im Überblick:
Kompetenzorientierte Ausbildung:
Neben Wissen sollen die Studierenden auch Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen erwerben. Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) soll dazu als Basis dienen und Teil der Approbationsordnung werden.
Im Studium sollen die Grundlagen für eine gute ärztliche Gesprächsführung gelegt werden.
Die Zusammenarbeit mit Ärzten anderer Fachrichtungen und Gesundheitsberufen soll gestärkt werden.
Eine generelle Erhöhung der Studienplatzkapazität erfolgt nicht.
Praxisnahe Ausbildung:
Klinische und theoretische Inhalte werden vom ersten bis zum letzen Semester miteinander verknüpft. Lehrpraxen werden verstärkt in die Ausbildung einbezogen.
Allgemeinmedizin in der Ausbildung stärken:
Alle Studierenden werden im Staatsexamen in der Allgemeinmedizin geprüft.
Die Struktur des Praktischen Jahres wird von Tertialen auf Quartale umgestellt. Innere Medizin und Chirurgie bleiben Pflichtquartale. Zwei Wahlquartale kommen hinzu, von denen eines in der ambulanten Versorgung absolviert werden soll.
An allen hochschulmedizinischen Standorten sollen Lehrstühle für Allgemeinmedizin angeboten werden.
Ärztliche Prüfung in drei Abschnitten:
Nach dem ersten Studienabschnitt ist eine einheitliche staatliche Prüfung vorgegeben. Diese besteht aus einem schriftlichen (nach vier Semestern) und einem mündlich-praktischen Teil (nach sechs Semestern).
Den zweiten, schriftlichen Abschnitt der Staatsprüfung wird das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen gemeinsam mit dem Medizinischen Fakultätentag überarbeiten.
Die dritte staatliche Prüfung am Ende des Studiums beinhaltet wie bisher die Prüfung am Krankenbett.
Zulassung zum Studium:
Neben der Abiturnote sollen mindestens zwei weitere Kriterien berücksichtigt werden, so etwa soziale und kommunikative Kompetenzen oder einschlägige Berufserfahrungen.
Mehr Nachwuchs für eine flächendeckende hausärztliche Versorgung:
Es sollen mehr Lehrkrankenhäuser auch im ländlichen Raum angeboten werden.
Die Landarztquote: Bis zu zehn Prozent der Medizinstudienplätze sollen vorab an Bewerber vergeben werden, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der fachlichen Weiterbildung Allgemeinmedizin bis zu zehn Jahren in der hausärztlichen Versorgung in ländlichen Regionen tätig zu sein.
Durchweg kritisch ist unter Fachverbänden die fehlende Finanzierung des Masterplans aufgenommen worden. Der Medizinische Fakultätentag beispielsweise begrüßt zwar die Ziele des Plans, befürchtet aber für den weiteren Reformprozess, dass die Hängepartie weitergeht. Der Masterplan beinhalte viele sinnvolle Punkte, etwa die Kompetenzorientierung der Ausbildung oder die frühe Verknüpfung theoretischer und klinischer Lehrinhalte über den gesamten Verlauf des Studiums, kommentiert MFT-Präsident Heyo K, Kroemer. Andere Maßnahmen wie die Einführung eines vertragsärztlichen Pflichtquartals für alle Studierenden außerhalb bislang etablierter Lehrstrukturen seien aber ohne die Bereitstellung zusätzlicher Mittel nicht möglich.
Kritik an fehlender Finanzierung
Ärztepräsident Prof. Dr. Frank-Ulrich Montgomery zeigte sich angesichts des Haushaltsvorbehalts enttäuscht: Statt auf Kostenschätzungen einer Expertenkommission zu warten, sollten die Länder jetzt ihrer Verantwortung für die ärztliche Nachwuchsförderung gerecht werden und die nötigen Mittel bereitstellen. Montgomery: „Allen Beteiligten sollte klar sein: Wer die Ausbildung der Mediziner ändert, muss etwa 15 Jahre warten, bis die Ergebnisse in der Patientenversorgung ankommen.“
Erleichtert äußerte sich die Präsidentin der DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin), Prof. Erika Baum: Sie begrüßte vor allem die Aufwertung der Allgemeinmedizin im Studium, mehr Praxisnähe und die Aufwertung des Hausarztberufs. Ihr Vorgänger im Amt, Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Frankfurt, erklärte laut einem Pressebericht, dass in der Gegenfinanzierung der verabschiedeten Maßnahmen zusätzliche Mittel genauso notwendig seien wie eine Prioritätensetzung.
Licht und Schatten für die Studierenden
Auch die Vertretungen der Medizinstudierenden meldeten sich zu Wort. Victor Banas, Vorsitzender des Sprecherrats der Medizinstudierenden im Marburger Bund, sieht Licht und Schatten dicht beieinander. Er begrüßt die größere Praxisnähe und die Überwindung der Trennung zwischen Vorklinik und Klinik. Aber: „Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass ein Ausbau der Studienplatzkapazitäten um mindestens zehn Prozent notwendig ist. Nur so kann dem Ärztemangel, der sich durch die bevorstehende Ruhestandswelle eher noch verstärken wird, sinnvoll entgegengewirkt werden.“
Mit der optionalen Landarztquote, einem zusätzlichen ambulanten Pflichtabschnitt im Praktischen Jahr und einer zu einseitigen Fokussierung auf das Fach Allgemeinmedizin setze man in wichtigen Fragen eher auf Zwang und Lenkung statt auf Motivation und Freiheit, kritisiert auch Moritz Völker, Vorsitzender des Ausschusses der Medizinstudierenden im Hartmannbund.
Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) sieht einerseits positive Aspekte. Sprecherin Carolin Siech: „Wir Studierenden sind erfreut, dass Praxis und Theorie bereits von Beginn des Studiums an miteinander verbunden werden sollen. Auch die Ausrichtung der Lehrinhalte auf ein Kerncurriculum, die Implementierung des Nationalen kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) sowie die Förderung der Wissenschaftlichkeit im Studium sind seit Langem von der bvmd geforderte Reformen.“ Aber: „Gleichzeitig bedauern wir sehr, dass der Entstehungsprozess des Masterplans von Geheimhaltung und Intransparenz geprägt gewesen ist und die Studierenden kaum beteiligt wurden“, schränkt Siech ein.
Statement
„Scheitert der Masterplan, steht die Zahnmedizin mit leeren Händen da!“
BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel | © BZÄK-Axentis.de
„Für mich sind der Masterplan Medizinstudium 2020 und die Novellierung unserer zahnärztlichen Approbationsordnung zwei Seiten einer Medaille. Aus ärztlicher Sicht soll die Allgemeinmedizin zu einem „Kernfach“ im Studium aufgewertet sowie auf die ärztliche Basisversorgung fokussiert werden. Der Referentenentwurf zur Neuregelung der zahnärztlichen Ausbildung (RefE der AO-Z) sieht eine stärkere Anbindung des Zahnmedizinstudiums an das Medizinstudium, hier insbesondere die verstärkte fachübergreifende Lehrkooperation mit der Medizin, vor.
Uns Zahnärzten wurde aus der Politik immer signalisiert, „erst setzen wir den Masterplan um, dann sofort eure AO-Z“. Nun heißt es aber seitens der Politik plötzlich, dass diese aufwendige Weiterentwicklung des Medizin- und Zahnmedizinstudiums nur mit vorhandenen Mitteln erfolgen solle.
Es sei noch einmal deutlich gesagt: Sowohl die erfolgreiche Umsetzung des Masterplans als auch die Novellierung der AO-Z kann nur durch ein belastbares Finanzierungskonzept von Bund und Ländern sowie die inhaltliche Einbeziehung aller Verantwortlichen gelingen. Eine gute Ausbildung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Umso wichtiger ist es, dass die über 60 Jahre alte AO-Z endlich zügig modernisiert wird, denn sollte der Masterplan scheitern steht die Zahnmedizin gänzlich mit leeren Händen da. Damit sind die Bundesländer aufgefordert, entsprechende finanzielle Mittel in die Hand zu nehmen, damit die neue Approbationsordnung für Zahnärzte nicht auf der Zielgeraden scheitert.“