IDS 2017

Welche digitale Praxisausrüstung passt zu mir?

Heftarchiv Zahnmedizin
Christian Ehrensberger
Es ist keine Frage mehr, ob eine Zahnarztpraxis digitale Technologien braucht. Vielmehr geht es darum: Welche eignen sich für den eigenen Praxisschwerpunkt? Einen Wegweiser bieten die folgenden Zeilen – auch zur Vorbereitung auf den Rundgang durch die Messehallen der Internationalen Dental-Schau (IDS )in Köln.

Eine Allgemeinzahnarztpraxis benötigt eine andere digitale Grundausstattung als eine endodontische, implantologische oder kieferorthopädische Spezialpraxis. Das betrifft die Hardware (zum Beispiel  Intraoralscanner, Röntgengeräte) ebenso wie die Software (etwa zur Auswertung digitaler Bilddaten) und die Kompatibilität und Kommunikationsfähigkeit (etwa zu zahntechnischem CAD/CAM-Equipment). Unabhängig von der Ausrichtung ist grundsätzlich anzustreben, dem Patienten eine Zahnmedizin auf dem Stand der Technik zugutekommen zu lassen.

Welche Investitionen dazu sinnvoll sind, kann nur ein persönlich vorgenommener Vergleich der Geräteleistungen (und auch von Amortisierungsmodellen) zeigen.

Wie viel Röntgen will ich?

Die Überlegungen zur Ergänzung der vorhandenen Ausrüstung beginnen bereits bei der Diagnostik und hier insbesondere im Bereich des zahnärztlichen Röntgens. Zu den bekannten Vorteilen digitaler zweidimensionaler Aufnahmen tritt immer häufiger der Wunsch nach der Volumentomografie hinzu (DVT). Denn damit lassen sich zum Beispiel zusätzliche Wurzelkanäle inklusive ihres genauen Verlaufs identifizieren oder die Größe einer Aufhellung besser einschätzen. Darüber hinaus dürfte der Allgemeinzahnarzt in Zukunft verstärkt – schon aufgrund der demografischen Entwicklung – implantologische Behandlungen selbst vornehmen und benötigt daher Informationen für die dreidimensionale Planung.

Zurzeit wird man in der Regel von der Möglichkeit Gebrauch machen, im Einzelfall an einen Spezialisten zu überweisen. Dieser fertigt gegebenenfalls das benötigte DVT an. In Zukunft könnte – je nach Praxisgröße, -lage, -klientel und mehr – aber auch für den Allgemeinzahnarzt das dreidimensionale Röntgen interessanter werden. Dabei wird vermutlich nicht das groß dimensionierte DVT, wie es Spezialisten oder externe Röntgenzentren besitzen, auf der Wunschliste stehen, womöglich aber kompakte 2-D-/3-D-Kombi-Systeme.

Entscheidungsrelevant wird die Frage sein, inwieweit diese sowohl für den Bereich des zweidimensionalen als auch für den des dreidimensionalen Röntgens gleichermaßen qualitativ hochwertige Ergebnisse liefern. Beim 2-D-Modus hilft intelligente Software, aus einer Mehrschicht-Aufnahme die interessierenden beziehungsweise schärfsten Anteile herauszufiltern und auf die Diagnose abgestimmt zusammenzusetzen. Im 3-D-Modus bieten avancierte Systeme ein optimiertes field of view (FOV), wobei sich das erfasste Volumen eng an der Anatomie des menschlichen Kiefers orientiert.

Für den Endodontologen wiederum ist die Möglichkeit zur Fokussierung auf kleinste Strukturen besonders wichtig. Bei der Diagnose unterstützen ihn immer häufiger spezialisierte 3-D-Auswertungssoftwares. Bei der Behandlung setzt sich zurzeit der Trend zur digitalen Abformung fort. Labors sind in der Lage, die Datensätze immer häufiger und immer problemloser zu übernehmen, selbst bei Systemen unterschiedlicher Hersteller – hier spürt man das steigende Kompatibilitätsniveau.

Nach wie vor sind bei nicht sichtbarer Präparationsgrenze Vorabmaßnahmen zum Weichgewebemanagement erforderlich – allerdings nicht für die Erfassung einer Implantatposition. Dafür reicht der Scan von Scanbodys (= Pfosten für die digitale Abformung). Noch interessanter wird es in der klassischen Kronen-und-Brücken-Prothetik, vom Intraoral-Scan direkt zur Chairside- Herstellung des Zahnersatzes weiterzuschreiten. Denn schloss dies zunächst im Wesentlichen Inlays, Teilkronen und Kronen ein, so lassen sich heute selbst dreigliedrige Zirkonoxid-Brücken in der Praxis herstellen. Für umfangreichere oder auch farblich kritische Sanierungen kommt automatisch dann das Labor ins Spiel.

Wie digital soll mein Workflow sein?

Eine neuere Option für einen durchgehenden digitalen Workflow besteht in der Anfertigung einer Totalprothese unter Verzicht auf analoge Zwischenstufen – bis zur fertigen Arbeit. So lassen sich Totalprothesen schließlich im CAD/CAM-Verfahren fräsen. Dabei werden Rohlinge verwendet, in denen die Zahnaufstellung und die Okklusion bereits vorgegeben sind und die Basalfläche individuell angepasst wird [Häge-Betz S., 2015]. Der gegenüber dem konventionellen Vorgehen reduzierten Anzahl der Arbeitsschritte entspricht eine schnelle Versorgung, im Idealfall in nur zwei Sitzungen. Inwieweit solche Verfahren „in die Breite gehen“, lässt sich zurzeit schwer absehen. Da könnte sich die Frage, ob sie für die eigene Praxis interessant sind, nach eingehender Prüfung sogar sicherer beantworten lassen.

Die digitale Technik hilft natürlich auch im Bereich von Organisation, Administration und Rezeption sowie beim Hygiene- und Qualitätsmanagement. Im Fall moderner Programme benötigt eine Praxis für ein Arbeiten „ohne Papier“ heute zwei Softwares: eine für die Abrechnung und eine zweite für alles andere (Sterilgut- und  Medizinproduktemanagement, Bestell- und Lagerwesen, Gerätebeschreibungen) [Oskamp W., 2016]. Eine Alternative heißt „Outsourcing“. Da hierbei Anbieter mit unterschiedlichen Modellen unterwegs sind, lohnt sich an dieser Stelle auf jeden Fall ein genauer Blick. Die Abrechnung lässt sich sogar komplett in spezialisierte Servicezentren auslagern.

Damit bietet sich dem Allgemeinzahnarzt eine Reihe von Möglichkeiten, seine Praxis durch digitale Technologien auf den modernen Patienten auszurichten. Etwas mehr darf es zum Beispiel beim Implantologen sein. Hier wird man eher ein umfangreicheres 3-D-Navigationssystem oder einen digitalen Artikulator antreffen. Ziel ist das „backward planning“ vom anvisierten prothetischen Therapieabschluss bis zur genauen Position und Angulation der Implantate oder zu einer Vorausplanung der Implantat- beziehungsweise MKG-OP. Dazu werden verschiedene Bilddaten (wie Röntgenbild, gegebenenfalls DVT, CT, Intraoralscanner, gescannte Modelldaten) überlagert und daraus individuelle Behandlungsstrategien abgeleitet.

Damit stellt die Implantologie geradezu das Paradebeispiel für einen digitalisierten Workflow dar. Während die dafür erforderlichen Werkzeuge„im Prinzip“ schon länger auf dem Tisch liegen, dürfte in naher Zukunft die Kompatibilität der verschiedenen Komponenten noch einmal auf ein höheres Niveau gehoben werden. Gleichzeitig macht die CAD/CAM-Fertigung neue oder zumindest bisher wenig gebräuchliche Werkstoffe attraktiv. Ein konkretes Beispiel dafür sind aus PEEK-Kunststoff (Polyetheretherketon) gefräste Primärkronen (auf Titanbasen) und Sekundärkronen für die Teleskoptechnik.

Wie kann ich Zeit und Sicherheit gewinnen?

Ein Plus an Sicherheit lässt sich durch Bohrschablonen erreichen. Sie können sowohl über einen Zentralfertiger geordert als auch von der Praxis oder dem zahntechnischen Labor selbst hergestellt werden. Der zweite Weg kann, wo dies für den Patienten wichtig ist, zu einer schnelleren Abfolge der Termine oder sogar zur Einsparung einer Sitzung beitragen. Inwieweit dies für die einzelne Praxis relevant ist, entscheidet sich selbstverständlich danach, worauf die Klientel besonderen Wert legt.

Ein weiterer Vorzug der 3-D-Planung betrifft patientenindividuell CAD/CAM-gefertigte Knochenblöcke. Ihre Geometrie basiert auf 3-D-Röntgendaten. Die Knochenblöcke lassen sich passgenau inserieren, und die Erfolgschancen, beispielsweise bei Augmentationen oder Osseotransplantationen, erhöhen sich.

Die oben aufgeführten digitalen Techniken halten nun auch verstärkt Einzug in die Kieferorthopädie (wie 3-D-Röntgen mit Panorama- und DVT-Funktion, gegebenenfalls softwareunterstützte Kiefergelenkdiagnostik). Inzwischen ist sogar die Schwelle erreicht, ab der ein kompletter digitaler Workflow – wie bei der Herstellung prothetischer Arbeiten – möglich wird. Die entsprechenden Daten kann der Intraoralscanner liefern; diese gehen anschließend in den Planungsprozess ein. Die betreffende Apparatur kann zum Beispiel bei spezialisierten Zentralfertigern bestellt werden. Dies funktioniert für Aligner in der Schienentherapie ebenso wie für viele KFO-Apparaturen (zum Beispiel indirekte Klebeschienen, CAD/CAM-gefertigte Nitinol®-Retainer). Und das physische Modell für die Archivierung kommt aus dem 3-D-Drucker.

Alternativ zum Weg über einen Intraoralscanner steht eine semidigitale Variante zur Verfügung. Sie führt über die klassische Abformung, wobei anschließend entweder diese oder das Gipsmodell zu scannen ist. Dafür gibt es ein großes Angebot von Systemen – von kleinen, leistungsfähigen Tischgeräten, die auf jedem Schreibtisch Platz finden, bis hin zu Großgeräten.

Fazit: Zum Vorreiter der Entwicklung werden

Eine Herausforderung für die digitale Technik sind die klassischen, herausnehmbaren Geräte wie Dehnplatten, Aktivatoren und mehr. Solche Geräte am Computer zu planen ist eine Frage der Softwareprogrammierung – aber wie lässt sich die virtuell geplante Apparatur in die Realität umsetzen? Es gibt Antworten: Kunststoffanteil fräsen oder drucken, Klammern durch Biegeroboter formen, Dehnschrauben als Fertigteile bestellen. Bleibt die Frage, wie die einzelnen Komponenten am Ende zusammengefügt werden. Ob die digitale Technik bei diesem Schritt effizienter sein kann als die herkömmliche, bleibt einstweilen noch eine spannende Frage.

Nicht jede Praxis braucht das gesamte digitale Equipment, das im „Schaufenster Internationale Dental-Schau“ in Köln zu sehen und – im Wortsinn – zu begreifen sein wird. Es empfiehlt sich aber, gezielt diejenigen Optionen zu prüfen, die für die eigene Praxis und ihre Ausrichtung sinnvoll sein können. Für jeden bietet der Markt heute Hard- und Software, ob es sich dabei um bereits vielfach bewährte Systeme oder um interessante Neuheiten handelt. Von Fall zu Fall können sie eine Praxis mit einem Mal zu einem der Vorreiter in einer bestimmten Fachdisziplin machen.

Dr. Christian Ehrensberger, Dentaljournalist

Literatur:
1. Sandra Häge-Betz: Digitale Totalprothesen. Zahntech Mag 19(5), 2015, S. 377–381
2. Werner Oskamp: Strukturierte Praxisführungals Erfolgsfaktor für die Praxis. DENTAL KOMPAKT 2016, Spitta Verlag, Balingen, S. 217

Dr. Christian Ehrensberger

Dentaljournalist
Dentaljournalist
Frankfurt am Main 

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