Wo die Betelnuss gekaut wird
„Wir sind seit 2008 in Myanmar und ich kann im eigenen Wirkungsfeld Fortschritte erkennen“, berichtet Dr. med. dent. Juliane Frühbuss, Zahnärztin und Public-Health-Expertin. Sie untersucht und behandelt im Rahmen ihrer Einsätze einmal pro Jahr zwei Monate lang mit ihrem Team vornehmlich Kinder in staatlichen burmesischen Schulen.
Zahnmedizinisch ist Myanmar unterversorgt. Die Zahl der Behandler beziffert Frühbuss auf etwa 4.000 bei rund 52 Millionen Einwohnern. Davon arbeiteten die meisten in den Großstädten Yangon und Mandalay sowie in kleineren Städten. Die Landbevölkerung komme nur selten zu einem Zahnarztbesuch – ein klassisches Stadt-Land-Gefälle. Durchschnittlich 108.000 Kyat (73 Euro) verdiene ein Burmese aus der Unterschicht im Monat, Tagelöhner 5.000 bis 6.000 Kyat (3 bis 4 Euro) pro Tag. Für beide Gruppen sei ein Zahnarztbesuch oft nicht bezahlbar.
Deutsche Zahnärzte spielten eine geringe Rolle im Land. Frühbuss: „Die burmesische Zahnärzteschaft ist eine fast geschlossene Gesellschaft, zu der nur wenige Ausländer Zutritt haben. Ich habe auf den Jahrestagungen von 2011und 2013 vor Ort unser deutsches System der Gruppenprophylaxe vorgestellt und einen möglichen Public-Health-Ansatz thematisiert.
Doch das Interesse der Zahnärzte richtet sich mehrheitlich auf neue Technologien, deutsche Zahntechnik ist sehr bekannt. 2014 wurde eines unserer Mitglieder, ein Zahntechnikermeister, zu einem Workshop ins Dental Council eingeladen und hat auf Wunsch des Präsidiums über keramische Veneers und deren Herstellungsprozess referiert.“
Myanmar orientiere sich sonst sehr viel eher an den USA, Großbritannien, Japan und den südostasiatischen Nachbarländern Thailand, Malaysia und Singapur, wo viele Exilburmesen arbeiten. Und japanische Zahnärzte hätten in Myanmar einen so hohen Stellenwert, weil sie Förderprogramme für Doktoranden zur Verfügung stellen.
Die bürokratischen Hürden sind streng und anstrengend, sagt Frühbuss: „Für alle in Myanmar tätigen Zahnärzte gibt es ein Dental Council Law, also ein Kammergesetz. Das ist auch für uns verbindlich und schreibt vor, dass wir uns mit einem Lebenslauf, der Approbation sowie einem ‚Certificate of good Standing‘ [ausgestellt von der jeweiligen Landeskammer in Deutschland, gültig für sechs Monate] beim ‚Ministry of Health‘, sprich dem Gesundheitsministerium, anmelden müssen. Dieses erteilt dann die Genehmigung, die durch das Dental Council ausgestellt wird. Das Genehmigungsverfahren durch die Regierung ist kostenlos.
Trotzdem erhebt das Dental Council auch für Charity-Organisationen pro Zahnarzt für einen limitierten Zeitraum und für fest definierte Orte 100 US-Dollar Gebühr. Die Regelung entspricht nicht den Vorgaben der Regierung und wird auch nicht gebilligt. Aber bisher konnte nichts dagegen unternommen werden.“ Und wer ohne Lizenz behandelt, kann zu einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren plus Bußgeld verurteilt werden.
Längst nimmt Frühbuss nicht mehr das komplette dentale Equipent mit auf die lange Reise: „In der Regel kaufen wir die Materialien vor Ort. Mittlerweile sind einige Geschäfte in Yangon so gut ausgerüstet, dass man problemlos an die meisten Produkte kommt. Wir haben lediglich Materialien bei uns, die als Sachspenden eingegangen sind. Und Produkte, mit denen wir aus persönlicher Präferenz arbeiten möchten.“ In den ersten Jahren habe das Team noch Zahnbürsten mitgenommen. Die Zeiten sind vorbei, große Läden bieten bekannte Sorten zu günstigen Preisen an.
Große Sorgen macht immer noch der in asiatischen Ländern sehr weit verbreitete Konsum der Betelnuss, er führt seit Jahren gehäuft zu Mundschleimhaut-Krebserkrankungen. Es handelt sich dabei um die Nuss der Arekapalme. Sie wird gehackt, mit Kalk, Gewürzen und Tabak vermischt und dann gekaut. Dass sie nicht, wie fälschlicherweise beschrieben wird, zu einer Unterdrückung des Hungergefühls führt, hätten jetzt Forschungsarbeiten belegt. Ein Verkaufsverbot soll erlassen werden. Zunächst sind, laut Frühbuss, umfangreiche Aufklärungskampagnen geplant.
Und woran krankt das Land selbst? „Nach meiner Beobachtung scheint das Hauptproblem in Myanmar die Finanzierung des staatlichen Gesundheitswesens und die wenig ausgebaute Kooperation und Vernetzung in allen Gesundheitssektoren zu sein.
Der neue Gesundheitsminister, Dr. Myint Htwe, Arzt und Public-Health-Experte, promoviert an der Johns Hopkins University in Baltimore/USA, legt seinen Schwerpunkt laut Veröffentlichungen des Gesundheitsministeriums auf die Kooperation zwischen allen Gesundheitssektoren“, ergänzt Frühbuss. Die geringen finanziellen Ressourcen sollen gebündelt und in Zusammenarbeit konzentriert auf die Gesundheitsprobleme verteilt werden.