Meinung

Der zufriedene Patient ist die nachhaltigste Werbung

Michael Dreyer
Das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs ist bemerkenswert: Ein Arztbewertungsportal muss eine neutrale Rolle einnehmen, um das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung geltend zu machen.

Das Urteil „zur Zulässigkeit der Erhebung, Speicherung und Übermittlung von personenbezogenen Daten im Rahmen eines Arztsuche- und Arztbewertungsportals, wenn der Portalbetreiber seine Stellung als ‚neutraler‘ Informationsmittler verlässt“, weckte Hoffnung. Worum ging es? Eine Hautärztin wurde in der jameda-Ärzteliste geführt, ohne dass sie hierzu ihr Einverständnis erklärt hatte und klagte nun, dass ihre Daten bei dem Portal gelöscht werden. Die Kollegin monierte, dass jameda auf ihrer Profilseite auch für konkurrierende Hautärzte in der Nähe ihrer Praxis warb. Sie störte besonders, dass bei registrierten zahlenden Kunden von jameda keine Werbung für Konkurrenten eingeblendet wird, während dies bei ihr als nichtzahlender Ärztin der Fall war. 

Die Vorinstanzen hatten die Klage zurückgewiesen, weil es sei datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass die Daten der Ärztin auf jameda.de veröffentlicht werden und beriefen sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus 2014. Die Kollegin begründete ihre Klage, dass jameda durch die Werbung die gebotene Neutralität verlassen habe. Seitens jameda wurde argumentiert, die Anzeigen seien als solche gekennzeichnet und verstünden sich als Hinweis und nicht als Empfehlung.

Der BGH gab nun der Klage der Ärztin auf Löschung der Daten und des Profils auf jameda statt. Im Unterschied zu seinem Urteil aus 2014 spielte diesmal die Besserstellung der zahlenden Mitglieder eine entscheidende Rolle. Mit der beanstandeten Praxis habe jameda seine Rolle als neutraler Informationsvermittler verlassen. Aufgrund dieser Werbemaßnahmen könne das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nun nicht mehr zugunsten von jameda überwiegen, sondern das Recht der Ärztin auf informationelle Selbstbestimmung sei höher gestellt. Damit hat jameda kein schutzwürdiges Interesse mehr an der Nutzung der Daten der Ärztin.

jameda hat daraufhin die Fremdwerbung auf den Profilen eingestellt. War das nun ein Erfolg gegen die Ungleichbehandlung von zahlenden und nichtzahlenden Heilberuflern, vielleicht eine Beschränkung des Geschäftsmodells von Bewertungsportalen? Es bleibt abzuwarten, ob dies zu Einschränkungen des Buchungsverhaltens der Kollegen in den Portalen führt und damit zu finanziellen Einbußen der Betreiber. Als Nichtjurist kann ich die weiteren rechtlichen Möglichkeiten nicht beurteilen, eine Einschätzung wage ich trotzdem. Mit der Einstellung der Fremdwerbung wird für diese Klagerichtung kein neues Urteil zugunsten von Kollegen erfolgen. Es bleibt jedoch dabei, dass negative (unzutreffende) Bewertungen weiterhin nur schwierig zu entfernen sind.

Inwieweit Premiumkunden bei Arztbewertungsportalen im Hinblick auf die Veröffentlichung negativer Bewertungen durch die Portale besser gestellt sind, kann ich ebenfalls nicht beantworten. Die vorhandenen Statistiken – wie die im zm-Beitrag aus Ausgabe 8/2018 zitierte Analyse der ZEIT-Journalisten – zeigen jedoch deutliche Tendenzen zugunsten der zahlenden Kundschaft. Zusammen mit den Möglichkeiten, positive Bewertungen bei darauf spezialisierten Internethändlern zu kaufen (mit einer kurzen Google-Suche fand ich so nette Angebote wie 30 positive Bewertungen für nur 279 Euro) sowie der Möglichkeit der Negativmanipulation durch Konkurrenz, ehemalige Mitarbeiter oder den entsprechenden Scheidungsgegner, dürfte eine Neutralität der Bewertungen – wie es der BGH erwartet – kaum noch gewährleistet werden können.

Für mich stellt sich in erster Linie nicht die Frage nach weiteren rechtlichen Mitteln, sondern nach dem Selbstverständnis der Kollegen, die in den Portalen werben. War es kollegial, die Einblendung der eigenen Praxisadressen auf den Seiten der nichtzahlenden Kollegen zumindest billigend in Kauf zu nehmen und selber durch Zahlung davor geschützt zu sein? Steht hier wirklich noch die sachliche Information zu eigenen Leistungen, wie sie durch die Berufsordnung und die Kammern gefordert wird, im Vordergrund oder findet eine Vergewerblichung der Zahnheilkunde statt?

Liebe Kollegen, wollen Sie wirklich an einem Werbewettlauf um die besten Plätze in der Internetsichtbarkeit für immer höhere Startgebühren teilnehmen? Erwarten Sie wirklich bleibende Patienten aus diesen Portalen? Eröffnen nicht gerade Bewertungsportale Praxishopping, weil der Nachbarzahnarzt eine um 0,05 Prozentpunkte bessere Bewertung hatte, egal ob diese real oder angeschoben war?

Ich denke, auch im Internetzeitalter ist die persönliche Empfehlung durch den zufriedenen Patienten immer noch die sicherste und auch nachhaltigste Werbung. Machen Sie der sich abzeichnenden Spirale der Vergewerblichung ein Ende und überlegen Sie genau, welche Werbemaßnahmen Sie als ethisch denkender Zahnarzt wirklich brauchen.

Dr. Michael Dreyer

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