Neuer Verdacht gegen Triclosan
Zwei neue Studien assoziieren eine Triclosanexposition mit einer veränderten männlichen Fertilität: Die Untersuchung eines polnischen Teams vom „Nofer Institute of Occupational Medicine“ in Lodz untersuchte dazu die Konzentrationen des Biozids im Urin bei 315 Probanden unter 45 Jahren mit normaler Spermienkonzentration. Dabei wurde Triclosan in 84 Prozent aller Urinproben nachgewiesen – sowie eine positive Assoziation zwischen den Harnkonzentrationen von Triclosan und dem Prozentsatz von Spermien mit abnormer Morphologie.
„Wir beobachteten“, schreiben die Wissenschaftler, „dass die Triclosanexposition den Anteil von Spermien mit anomaler Morphologie erhöhen kann.“ Diese Befunde liefern demnach einen ersten Hinweis auf mögliche negative Auswirkungen der Triclosanexposition auf die männliche Fertilität. Die Ergebnisse stützten die Hypothese, dass endokrine Disruptoren wichtige Faktoren für die sinkende männliche Samenqualität sind, müssten jedoch in zukünftigen Studien bestätigt werden.
Das BfR sieht „keinen Beweis“
Eine US-Studie am „National Institutes of Health“ konnte dies anhand der Urin- und Spermaproben von 501 Probanden nicht bestätigen, wies aber nach, dass verschiedene antimikrobielle Wirkstoffe als endokrine Disruptoren wirken. Im Fall von Triclosan wurde die Konzentration mit einer erhöhten Spermienanzahl assoziiert. Ganz neu ist der Vorwurf nicht: Bereits 2014 machte eine deutsch-dänische Forschergruppe des „Center of Advanced European Studies and Research“ die Wirkung des Stoffes auf die Funktion menschlicher Spermien potenziell mitverantwortlich für Fruchtbarkeitsstörungen.
Für das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist die Sache hingegen eindeutig: Die neuesten Studienergebnisse illustrierten, „dass eine Assoziation einen Hinweis auf mögliche Zusammenhänge geben kann, aber keinen wissenschaftlichen Beweis liefert“. Man werde die Studienlage auf diesem Gebiet aber „weiterhin im Auge behalten“.
Bereits 2009 hatte das wissenschaftliche Experten-Komitee der EU-Kommission (SCCP) eine Vielzahl von OECD-konformen Studien zur Entwicklungstoxizität und Teratogenität von Triclosan evaluiert und bewertet. Fazit war, dass keine Hinweise gefunden wurden, wonach Triclosan teratogen oder reproduktionstoxisch wirkt. Trotzdem hatte das BfR noch im selben Jahr empfohlen, Triclosan auf den medizinischen Bereich zu beschränken. Grund dafür ist, dass Triclosan aufgrund seiner antibakteriellen Eigenschaften zur Resistenzbildung beitragen kann. Trotzdem darf die Chemikalie bis zu einer Maximalkonzentration von 0,3 Prozent in Kosmetika eingesetzt werden.
CP Gaba: „Positiv für die Zahngesundheit“
Ein Abgleich mit der Rezepturdatenbank einer Apotheke und Rückfragen bei den Herstellern GlaxoSmithKline, Unilever, Henkel und CP Gaba ergaben, dass Triclosan aktuell nur in der Zahnpasta „Colgate Total“ (CP Gaba) enthalten ist. Auf Anfrage teilte das Unternehmen mit, die Bewertung der erwähnten Studien laufe noch, man sei jedoch davon überzeugt, dass Triclosan in Zahnpasten „sehr positive Auswirkungen auf die Zahngesundheit“ habe.
„In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Zahnpasten mit Triclosan und Copolymer zu einer deutlichen Reduktion von Plaque und Gingivitis führen, die Neubildung von Zahnstein um bis zu etwa 50 Prozent hemmen und einen gewissen präventiven Effekt auf Karies und Parodontitis haben“, erklärte das Unternehmen weiter. Der zahnmedizinische Nutzen sei unbestritten. Das Bewertungsergebnis des SCCP aus 2009 sei erst im April 2014 in einer Ergänzung der EU-Kosmetikrichtlinie erneut bestätigt worden.
„Triclosan sollte nur da eingesetzt werden, wo es einen nachgewiesenen Nutzen hat“, verdeutlicht CP Gaba. „Das ist für Zahnpasten und Mundspüllösungen ohne Zweifel der Fall.“ Das sei auch der Grund, weshalb die Zahnpasta Colgate Total nicht vom Triclosanverbot der US-Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA betroffen ist, das Ende 2018 in Kraft tritt und den Stoff ebenso wie 23 weitere Desinfektionsmittel etwa in Handseife für Endkunden verbietet.
Mit den neuen, bisher nicht bestätigten Studien weitet sich indes der Katalog der Verdachtsfälle gegen den bioziden Wirkstoff aus: Bereits in den 1990er-Jahren geriet Triclosan, dass auch in behandelten Textilien und Verbrauchsgütern verwendet wird, unter Beschuss, weil vermutet wurde, dass es Bakterien resistent gegenüber Antibiotika macht.
Kreuzresistenzen sind „wahrscheinlich“
2006 warnte dann das BfR unter dem Titel „Triclosan gehört nur in die Klinik und in die Arztpraxis!“, dass der mannigfaltige Einsatz dazu beitragen könne, dass sich vermehrt Kreuzresistenzen ausbilden. Noch sei zwar nicht eindeutig geklärt, ob das vermehrte Auftreten von Kreuzresistenzen gegen therapeutisch angewandte Antibiotika mit dem zunehmenden Einsatz von Triclosan zusammenhängt. „Ein solcher Zusammenhang ist jedoch wahrscheinlich und anzunehmen“, betont das BfR.
Trotzdem ist Triclosan bis heute weiterhin überall dort verarbeitet, wo seine antibakterielle Wirkung geschätzt wird: in Seife, Matratzen, Textilien, Müllbeuteln und Spielzeug. Das Problem: Aus manchen Produkten gelangt der Stoff ins Abwasser in reichert sich so in der Umwelt an. Ein Teil wird dabei mit dem Klärschlamm auf die Felder als Düngemittel aufgebracht, der Rest passiert die Kläranlagen und gelangt in Flüsse und Seen.
Wie Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig bereits 2012 zeigten, wurden etwa im Einzugsgebiet der Elbe die für Algen ungiftigen Triclosan-Grenzwerte teilweise um das Zwölffache überschritten. Auch ein im Januar 2016 veröffentlichter Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser verzeichnet mehrere deutliche Überschreitungen des empfohlenen Grenzwerts.