Ein Konzern am Pranger
„Lebensfreude“ – ist für Coca-Cola das, was für die Zigarettenmarke Marlboro die „Freiheit“ war: „Mach Dir Freude auf“ und „taste the feeling“ waren und sind seit Jahren zentrale Werbesprüche des Weltmarktführers für Erfrischungsgetränke. Auf der Webseite von Coca-Cola Deutschland präsentiert sich das Unternehmen mit einer Historie „von über 130 Jahren Lebensfreude“. Sogar ein eigenes „Happiness Institut“ hat der Konzern gegründet, das nach eigener Aussage, „Lebensfreude eine Plattform geben soll“.
„Die Wahrheit könnte kaum weiter entfernt sein von diesem Image“, heißt es jedoch im Vorwort des „Coca-Cola-Reports“ von foodwatch. Die Verbraucherorganisation kritisiert darin die Marketing- und Lobbymaßnahmen scharf. So nehme der Konzern mit millionen s chweren Kampagnen im Internet und im Fernsehen bewusst Kinder und Jugendliche als Zielgruppe ins Visier, heißt es in dem 108- seitigen Dokument – obwohl sich Coca-Cola in einer Selbstverpflichtung genau dagegen ausspricht.
Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch und Autor des Coca-Cola-Reports, ergänzt, dass der Konzern außer ‧ dem gezielt versuche, wirksame Regulierungen wie Werbeverbote oder Sondersteuern zu torpedieren und nachweislich mit gekauften Wissenschaftlern Zweifel an der Schädlichkeit von zuckerhaltigen Getränken zu säen. Als Beispiel führt er an, wie 2015 die New York Times aufdeckte, dass Coca-Cola mit 1,5 Millionen US-Dollar eine vermeintlich unabhängige Forschungseinrichtung finan zierte. „Diese vertrat – ganz im Sinne von Coca-Cola – öffentlich die Position, nicht ungesunde Ernährung, sondern Bewegungsmangel sei das zentrale Problem für Übergewicht.“
foodwatch sieht daher die Politik in der Verantwortung, „den Konflikt mit Weltkonzernen wie Coca-Cola und der einflussreichen Lobby nicht länger zu scheuen“ und endlich „konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um der Epidemie ernährungsbedingter Krankheiten etwas entgegenzusetzen“. So müsse die Bundesregierung die Hersteller von stark überzuckerten Getränken verpflichten, eine Abgabe zu zahlen, betont Martin Rücker, Geschäftsführer foodwatch Deutschland.
Mehrere Länder – darunter Großbritannien, Frankreich, Irland, Belgien und Mexiko – haben eine solche „Zuckersteuer“ bereits beschlossen. In Großbritannien führte dies dazu, dass führende Hersteller schon vor Inkraft ‧ treten der Abgabe den Zuckergehalt ihrer Produkte senkten. So reduzierte auch Coca-Cola den Zuckergehalt von Fanta nach Ankündigung einer Zuckersteuer in Großbritannien unter die 5-Gramm-Marke – von 6,9 auf 4,6 Gramm. In Deutschland kommen weiterhin 9,1 Gramm Zucker auf 100 Milliliter.
„Nur mit Zucker lässt sich Geld verdienen“
Warum Coca-Cola nicht einfach insgesamt de Zuckergehalt in seinen Getränken senkt? Ganz einfach, antwortet Rücker. „Weil sich damit kein Geld verdienen lässt.“ Der foodwatch-Report zitiert einen Bericht von JP Morgen aus 2006 über globale Adipositas-Epidemie und die Rolle der Lebensmittelwirtschaft, aus dem hervorgeht, dass ein Unternehmen, das mehr gesündere Produkte verkauft, weniger rentabel ist. So errechneten die Analysten für „Softdrinks“ eine Profitabilität von knapp 17 Prozent – für „Wasser in Flaschen“ 11 und für „Obst und Gemüse“ ganze 4,6 Prozent.
foodwatch bezieht sich außerdem auf den Jahresbericht von Coca-Cola Company aus 2016. Darin wird eine Bruttomarge von 60,7 Prozent angegeben – weltweit ein Spitzen wert – vergleichbar mit der von Topmarken aus der Modebranche. „Dass man also auf die freiwillige Rezepturveränderung durch die Hersteller hofft“, sei schlichtweg ein Irrglaube, betont Rücker. „Ohne Druck von außen, wird sich nichts ändern.“
Und Coca-Cola? In einem Interview spricht sich Patrick Kammerer, Mitglied der Geschäftsleitung von Coca-Cola Deutschland, gegen die Einführung einer „diskriminierenden“ Zuckersteuer aus. Übergewicht sei zudem „ein komplexes Phänomen“. „Wenn es einen einfachen, direkten Zusammenhang zwischen dem Konsum von zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken und Übergewicht gäbe, müsste sich das in der Statistik zeigen.“ Als Beispiel nennt er Finnland, wo Jugendliche sehr wenig Softdrinks trinken und die Übergewichtsrate dennoch hoch sei. „Die Wahrheit ist offensichtlich komplizierter“, sagt Kammerer und bestreitet damit den direkten Zusammenhang von Zucker und Übergewicht.