31. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI)

Sicher implantieren

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„Was können wir tun, um Komplikationen zu vermeiden? Lassen Sie uns hinterfragen, ob unsere Wege auch sicher sind!“ Der Appell von Kongresspräsident PD Dr. Gerhard Iglhaut prägte drei Tage eine Fortbildung vom Feinsten: 60 Top-Referenten aus neun Ländern diskutierten auf der DGI-Jahrestagung alte und neue Problemstellungen der Implantologie.

Ein besonderes Highlight im Internationalen Forum: Parodontologie- und Implantologie-„Papst“ Prof. Dr. Jan Lindhe aus Göteborg erläuterte das Management der frischen Extraktionsalveole. Als Wunde im Alveolarfortsatz bestehe dieser Hartgewebedefekt aus den Resten des parodontalen Ligaments und dem Bündelknochen. Wichtig sei, bereits vor der Extraktion den richtigen parodontalen Typus zu erkennen, um nach der Insertion eines Implantats in die frische Extraktionsalveole das Gewebe optimal zu modellieren. 

Auf dem Workshop der Firma Dentsply Sirona Implants zu Periimplantitis fragten sich PD Dr. Stefan Fickl, Würzburg, Prof. Dr. Andrea Mombelli, Genf, und PD Dr. Dr. Markus Schlee, Forchheim, ob die resektive, die regenerative oder die konservative Periimplantitistherapie die beste ist. Sie versuchten, den Stellenwert der Periimplantitis in der Implantologie zu klären („Fake-News oder Realität?“) und diskutierten, ob es ein klares Konzept zur Diagnostik und Prophylaxe der Periimplantitis gibt. Ihre Antwort: Die Periimplantitis tritt immer erst nach einigen Jahren auf. 

Die betroffenen Patienten sollten daher engmaschig in den Recall bestellt werden, möglichst alle zwei Monate. Rauhe Implantatoberflächen würden dabei eher von Bakterien besiedelt als glatte, führte Mombelli aus, der einteilige Implantate den zweiteiligen vorzieht. Fickl sprach sich gegen ein Antibiogramm vor der Behandlung aus, weil ihm dies nicht selektiv genug sei und man schnell handeln müsse: „Jeder Tag zählt!“

 Für Schlee sind Sondieren und BoP keine zuverlässigen Diagnoseverfahren, um die Periimplantitis zu diagnostizieren. Er empfiehlt: „Streichen Sie zuerst mit einem Silikon- oder Wattepellet außen am Sulkusrand mit leichtem Druck entlang. Sehen Sie Pus oder Sekret, können Sie sicher sein, dass es sich um ein erkranktes Implantat handelt. Dann muss geröntgt werden. Tritt nichts aus, nehmen Sie die Sonde und streichen innen im Sulkus vorsichtig entlang. Kommt es zu keiner Blutung, so dürfen Sie mit einem Druck von 20 N vorsichtig sondieren. Aber behutsam: Der Taschenboden ist oft keratinisiert, so dass Sie unbewusst fester drücken! Damit setzen Sie Verletzungen, die bis zum Knochenabbau führen können. Meistens finden Sie Zementreste, oder ein inadäquates Weichgewebemanagement ist Ursache für die Entzündungsreaktion.“ 

Mombellis gab verschiedene Tipps: „Verwenden Sie niemals Komposite, um die Implantatprothetik zu fixieren. Auch Zemente sollten Sie nicht nehmen, denn diese sind zu 80 Prozent die Ursache für eine spätere Periimplatitis! Verschrauben Sie lieber, da sind Sie auf der sicheren Seite!“ 

Die Publikumsfrage „Wann explantieren Sie?“ wurde klar beantwortet: „Heute viel früher als früher!“ Prof. Anton Sculean fügte noch hinzu: „In der ästhetischen Zone sieht eine herkömmliche Prothetik (wie die Klebebrücke) oft sehr viel besser aus als ein doppeltes, also erneuertes Implantat!“ 

Ein Streifzug durch die Vortragsräume

Prof. Dr. Knut Achim Grötz aus Wiesbaden erinnerte bei der Einleitung in die Session „Risikofaktoren“ daran, dass jeder dritte Patient aus der Altersgruppe 60 plus, der mit einer Implantatindikation in die zahnärztliche Praxis kommt, ein potenzieller Risikopatient ist. Alle Allgemeinerkrankungen, die in irgendeiner Weise Einfluss auf die Durchblutung und auf das Immunsystem nehmen, bewirkten eine verminderte Vaskularisierung des das Implantat umgebenden Knochens und wirkten sich damit hemmend auf die Neubildung von Knochenmaterial aus – mit der Folge einer minderen Einheilung und im schlimmsten Fall eines Implantatverlusts. 

Univ.-Doz. DI Dr. Reinhard Gruber , Wien, Spezialist für Orale Biologie, zeigte die physiologischen Prozesse der Osseointegration. Epidemiologische Studien verdeutlichten die guten Langzeitergebnisse in der Implantologie und erlaubten die Definition von Risikofaktoren auf der Basis von Misserfolgs- und Komplikationsraten. Medizinische Risikofaktoren seien Erkrankungen und deren pharmakologische Therapie, wobei darunter nicht nur die Osteoporose und ihre Behandlung mit Bisphosphonaten falle, sondern auch kardiovaskuläre Erkrankungen und Arzneistoffe, die im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System wirksam sind, wie Sartane sowie auch Betablocker. 

Chronische Entzündungen, die die Anwendung von Kortison erfordern, oder Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer und Protonenpumpenhemmer kämen zusätzlich als medikamentöse Risikofaktoren in Betracht. Ein Östrogenmangel beispielsweise habe eine Reduktion der Osteoblasten sowie einen Überschuss von Osteoklasten zur Folge, was unweigerlich zu einer katabolischen Entwicklung der Knochen bei geriatrischen Patienten führe. Dies sei auch bei Post-Menopause-Patientinnen zu berücksichtigen. 

Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake aus Göttingen erinnerte daran, dass eine erfolgreiche Insertion dentaler Implantate immer mit einer Entzündungsreaktion des Körpers im Rahmen des knöchernen Einbaus verbunden ist. Die Keimfreiheit an der Durchtrittstelle müsse gewährleistet sein, um den Erfolg der Implantatversorgung langfristig zu sichern. Patienten mit eingeschränkter Immunabwehr stellten somit eine potenzielle Risikogruppe für die Insertion dentaler Implantate dar. 

Die körpereigene Abwehr könne iatrogen durch Medikamente im Rahmen der Behandlung von Autoimmunerkrankungen geschwächt sein wie auch bei einer Immunsuppression nach Organtransplantationen oder durch erworbene Immundefizienzsyndrome (AIDS). Medikamentös stabil eingestellte Risikopatienten hätten weder eine schlechtere Prognose für ein Implantat noch ein erhöhtes Risiko für eine Periimplantitis.

Die Durchblutung des Kieferknochens sei nicht nur eine Voraussetzung für einen physiologischen Knochenmetabolismus, sondern auch für eine stabile Osseointegration und für die Einheilung von Knochenersatzmaterialien nach Augmentationen wichtig. Bei beiden Vorgängen spiele die Kopplung zwischen Osteogenese und Angiogenese eine große Rolle, wie Prof. Dr. Werner Götz aus Bonn erklärte. 

Eine eingeschränkte Vaskularisation wirke sich negativ auf beide Prozesse am Kieferknochen aus. Leider sei der Forschungsstand zur physiologischen und gestörten Durchblutung des Kieferknochens bislang noch ungenügend, doch lieferten bildgebende Verfahren bereits Hinweise darauf, dass sich ein normaler Zahnverlust, der mit einer Alveolaratrophie einhergeht, negativ auf die Vaskularisation auswirke. Diese Faktoren seien besonders im Unterkieferknochen für die Einschränkung der zentrifugalen Gefäßversorgung verantwortlich.

Götz stellte die klinische Relevanz bei lokalen Gefäßschädigungen durch Osteoradionekrosen heraus. Er ging auf die Nebenwirkungen von modernen anti-angiogenen Substanzen wie Bevacizumab, Sunitinib, Everolimus oder Aflibercept ein, die zur Behandlung von Tumorerkrankungen eingesetzt werden. Obwohl immer wieder – zumeist negative – Wechselwirkungen bei systemisch verwendeten Medikamenten mit Auswirkungen auf Gefäße und die Angiogenese mit dem Knochenstoffwechsel beschrieben sind, fehlen ihm zufolge immer noch verlässliche Daten für den Kieferknochen. Er fasste zusammen: „Das Ziel sollte trotz Risikofaktor immer eine Verbesserung der Angiogenese sein, dann kann es auch zu einer guten Einheilung eines Implantats in den Knochen kommen!“

Prof. Dr. Kai-Hendrik Bormann, Hamburg, konnte mit einteiligen Keramikimplantaten auch nach fünf Jahren sehr gute Ergebnisse erzielen: „Ziel bei der Insertion von Keramikimplantaten ist nicht, die Titanimplantate zu verdrängen. Im individuellen Patientenfall ist es durchaus sinnvoller und vor allem ästhetisch besser, sie anzuwenden.“ Seiner Erfahrung nach haben Keramikimplantate, vorwiegend im Bereich der oberen 3er, aufgrund des geringen Knochenangebots ihre Vorzüge, weil das Implantat nicht „durchscheint“.

Im Rahmen der Tischdemonstrationen beantwortete Prof. Dr. Stefan Fickl aus Würzburg die Frage „Am Limit: Zahnerhalt oder Implantat – welche Faktoren sind ausschlaggebend?“. Individuelle Erkrankungen, das Knochenangebot, die Lage des N. mandibularis und selbst das individuelle Praxiskonzept beeinflussten die Entscheidung. Gerade in der geschlossenen Zahnreihe sollten jedoch die Möglichkeiten, einen Zahn zu erhalten, maximal ausgeschöpft werden, wie Fickl anhand von Beispielen aus seinem Klinikalltag erläuterte.

Poster-Demonstrationen mit komplizierten OPs, zur Materialkunde oder über neue Methoden zu seltenen Patientenfällen, zeigten in den Gängen und Nischen des Kongressgeländes die Forschungsaktivitäten einzelner Hochschulen und Praxen. 

Zahntechnikermeister Franz-Josef Noll aus Koblenz stellte neue Materialien für Zahnersatz – insbesondere für den unbezahnten Kiefer – vor. Er machte klar: „Jeder Patient möchte den Zahnersatz haben, der zu ihm passt!“ Er selbst favorisiere das Material PEEK (Techno-Polymer Polyetheretherketon), besonders für Senioren, die in Heimen leben: „Es handelt sich hierbei um ein sehr flexibles Material, das sich durch seine Allergiefreiheit auszeichnet, aber durch die Flexibilität auch für das Pflegepersonal leicht aus dem Mund zu nehmen ist, um es zu reinigen.“ Er erklärte das Herstellungsverfahren, das relativ einfach und daher auch kostengünstig sei, und empfahl es besonders für Prothesen für Hochbetagte.

„Mit wie vielen Implantaten kann ich im zahnlosen Kiefer eine feste Prothetik zaubern?“ Laut Prof. Dr. Nicola Zitzmann aus Basel ist die alte Regel „Pro Zahn ein Implantat“ „out“. Stattdessen sei in den vergangenen Jahren vermehrt experimentiert worden, eine festsitzende Versorgung an einem, zwei, drei, vier oder mehr Implantaten zu befestigen.

Dabei sei immer zu unterscheiden, ob die Versorgung im Ober- oder im Unterkiefer erfolgt. Bei der Minimalvariante mit dem „All-on-four“-Konzept würden die Prämolarenregionen durch posterior angulierte Implantate unterstützt und die anatomischen Strukturen der Sinus maxillares im Oberkiefer und das Foramen mentale im Unterkiefer geschont. Der erschwerte Zugang für die spätere Reinigung der Implantate limitiere allerdings den Indikationsbereich. Zitzmann selbst favorisiert sechs Implantate im zahnlosen Unterkiefer, um eine optimale prothetische Versorgung mit einer langen Kauflächenleiste zu erhalten. Weitere Einflussfaktoren wie die Implantatoberfläche (möglichst moderat rau), der Anteil noch vorhandener Knochensubstanz, die Möglichkeit einer Augmentation sowie die Belastungssituation sind für sie entscheidend für den Langzeiterfolg einer festsitzenden Implantatrekonstruktion im zahnlosen Kiefer. 

Auch die Frage „Wieviel Prothetik braucht die Chirurgie?“ wurde in Düsseldorf diskutiert. Prof. DDr. Michael Payer aus Graz: „Der Chirurg ist häufig der Dienstleister für den prothetisch/restaurativ tätigen Zahnarzt und somit nicht immer in alle prothetischen Planungsschritte und die dem chirurgischen Eingriff folgenden prothetischen Maßnahmen involviert.“ Er plädiere daher für eine intensive Kommunikation zwischen Prothetiker und Implantologe schon weit im Vorfeld der geplanten OP. Denn nur bei einer umfassenden Planung und Begutachtung beider Kollegen habe die Behandlung Aussicht auf Erfolg. Der Chirurg solle selber auch über ein profundes prothetisches Verständnis und Wissen verfügen, damit er für den Prothetik-Kollegen entsprechend „vorarbeiten“ könne.

Dr. Frederic Hermann aus Zug in der Schweiz stellte die Frage, inwieweit die periimplantäre Gewebestabilität vom Zeitpunkt der Implantation abhängt. Er erklärte die Bedeutung des frühen zeitlichen Regimes, mittels Sofortimplantation. Hierbei steuere der richtige Zeitpunkt die Entscheidung für oder gegen eine Sofortimplantation und/oder Sofortversorgung. Berücksichtigt man alle diagnostischen Möglichkeiten und Risiko-Einschätzungen, sei eine Gewebeprävention durch Stützung und Erhalt der knöchernen Alveole und des weichgewebigen Anteils möglich. Er ist für das „Zeit lassen“ im Rahmen der parodontalen Vorbehandlung und für ein „Zeit nehmen“ für die postoperative parodontale und periimplantäre Betreuung. 

Auffüllen mit Granulat oder Blöcken? Prof. Dr. mult. Robert Sader, Frankfurt, gab Empfehlungen für die Praxis. Dabei stelle die Rekonstruktion von vertikalen sowie lateralen Knochendefekten die Behandler immer wieder vor große Herausforderungen, denn häufig sei aufgrund der sehr komplexen Anatomie der zu rekonstruierenden Fläche der Einsatz von Granulaten limitiert. Wurde neuerdings immer wieder postuliert, dass für die Behandlung dieser Knochendefekte besser Knochenersatzmaterialblöcke indiziert seien, verdeutlichte Sader, dass eine Vielzahl von Knochenblöcken (xenogen, allogen oder synthetisch) nicht immer zur suffizienten Rekonstruktion komplexer mehrdimensionaler Knochendefekte beitragen konnte. Systematische histologische und histomorphometrische Untersuchungen zeigten, dass das anorganische Gerüst dieser Materialien ein Knochenwachstum nicht über das Material-Knochen-Interface hinaus erlaubt. So dienten diese Knochenblöcke in ihren vertikalen und lateralen Enddimensionen nur als eine Art Platzhalter oder Stabilisator. Sader hält die Anwendung von granulärem Material deshalb für sinnvoller, jedoch müsse diese „Aufschüttung“ geformt und „gehalten“ werden. Am Beispiel eines umfangreichen Defekts am Unterkieferknochen eines resezierten Tumorpatienten demonstrierte er, wo er mittels eines individuell geformten Meshes auch in vertikaler Richtung ein erhebliches Höhenwachstum erzielen konnte. In dem Fall sei zur Unterstützung der Vaskularisierung ergänzend PRF (Platelet-Rich-Fibrin) eingesetzt worden, das analog dem beschriebenen LSCC (Low-Speed-Centrifugation-Concept) gewonnen und mit einem granulären Knochenersatzmaterial vermischt worden sei. Studien zeigten, dass mit der PRF-Technik auch groß-dimensionierte Knochendefekte, vor allem auch bei immunkompromittierten Patienten, knöchern rekonstruiert werden können.

Festvortrag

Kopf oder Bauch?

PD Dr. Volker Busch ist Facharzt für Neurologie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Lehrstuhl der Uni in Regensburg. Sein Festvortrag „Kopf oder Bauch – wie wir die klügeren ärztlichen Entscheidungen treffen“ sollte auf die Fortbildung einstimmen: Jeder Berufstätige trifft rund 10.000 Entscheidungen pro Tag. Diese finden im Präfrontalen Cortex (PFC) statt, während die „Bauchentscheidungen“ aus dem Limbischen System kommen. Zu 70 Prozent sind intuitiv getroffene Entscheidungen richtig.

Um bei einer autologen Augmentation einen zweiten Eingriff an der Entnahmestelle zu vermeiden, ist die Zahnmedizin seit Jahrzehnten auf der Suche nach dem idealen Knochenersatzmaterial. Autologer Knochen gilt aber nach wie vor als der Goldstandard. PD Dr. Dr. Markus Schlee aus Forchheim fragte, ob Knochenersatzmaterial dem autologen Augmentat überlegen ist. Er zeigte die aktuelle Umbrellatechnik, bei der in die stark resorbierten Regionen Umbrella-Schrauben für eine Tentpole-Technik so inseriert werden, dass sie eine gewisse Distanz zum Knochen haben, womit die geplante Außenkontur des Knochenaufbaus festgelegt wird. Mit allogenen Granulat-Partikeln und PRF werde der Defekt dann aufgefüllt, so dass die Umbrella-Schrauben dem partikulären Augmentat Raum und Ruhe gäben. Das Augmentat werde mit einer Kollagenmembran abgedeckt. Schlee diskutierte die Vorzüge dieses Verfahrens und zeigte klinische und histologische Daten über einen Zeitraum von zwölf Jahren.

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