Wachstum im Dentalmarkt (Teil 1)

Was Investoren wollen

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015 wächst die Zahl der zahnärztlichen MVZ. Ein Trend, der sich mit den durch das Bundessozialgericht 2017 erweiterten Gründungsmöglichkeiten noch verstärkt hat. Diese für klassische Freiberufler völlig neuen Rahmenbedingungen bieten mutigen, unternehmerisch denkenden Zahnärzten Freiräume – rufen aber auch Investoren auf den Plan. Steuerberater Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff beleuchtet in diesem Beitrag, welche Konzepte Investoren verfolgen.

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015 wächst die Zahl der zahnärztlichen MVZ. Ein Trend, der sich mit den durch das Bundessozialgericht 2017 erweiterten Gründungsmöglichkeiten noch verstärkt hat. Diese für klassische Freiberufler völlig neuen Rahmenbedingungen bieten mutigen, unternehmerisch denkenden Zahnärzten Freiräume – rufen aber auch Investoren auf den Plan. Steuerberater Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff beleuchtet in diesem Beitrag, welche Konzepte Investoren verfolgen.

Die Mehrheit aller Zahnarztpraxen in Deutschland wird von Freiberuflern geführt. Bei knapp 82 Prozent handelt es sich um Einzelpraxen, fast 16 Prozent sind Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) mit zwei Inhabern. Der Anteil der BAG mit drei oder mehr Inhabern oder Kapitalgesellschaften beträgt nur etwas über 2 Prozent [KZBV-Jahrbuch 2017, S. 182]. 

Freiberuflichkeit bedeutet, dass zahnärztliche Leistungen nach bestem Wissen und Gewissen im Interesse des Patienten erbracht und von Zahnärzten persönlich und fachlich verantwortet werden. Die Praxis unterliegt dabei dem Wirtschaftlichkeitsgebot, ist aber in ihrer Zielsetzung nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. 

Neue unternehmerische Gestaltungsräume

Mit der Ausweitung der unternehmerischen Gestaltungsräume für Zahnarztpraxen verändert sich der Markt grundlegend. Zahnärzte können heute in MVZ unbegrenzt Kollegen anstellen und gleichzeitig ihren Zulassungsstatus behalten. So darf es nicht überraschen, dass es immer mehr Praxen gibt, deren jährliche Einnahmen mittlerweile die 10-Millionen-Marke übersteigen. Da MVZ auch als GmbH gegründet werden können, steht auch einer Beteiligung von Investoren nichts im Wege. 

Dies sind natürliche oder juristische Personen, die Geld in Zahnarztpraxen investieren, um daraus Gewinne zu schöpfen. Häufig wird das Geld verschiedener Investoren in einem Investmentfonds gesammelt. Dafür suchen professionelle Managementgesellschaften dann geeignete Anlagenobjekte aus, mit denen sie die notwendige Rendite erwirtschaften sollen. 

Die Managementgesellschaft erwirbt im Auftrag und mit dem Geld der Investoren ein Krankenhaus, das an der kassenärztlichen Versorgung teilnimmt. Dies darf sich gemäß § 95 SGB V auch an MVZ (medizinisch und zahnmedizinisch) beteiligen oder solche betreiben. An MVZ GmbHs mit Investoren sind oft auch Zahnärzte beteiligt, jedoch in aller Regel als Minderheitsgesellschafter und damit ohne beherrschenden Einfluss (Grafik 1).

Wachstum ist nicht gleich Wachstum

Seit gut einem Jahr kaufen Investoren über solche Konstrukte Praxen auf – mit zunehmender Intensität. Inzwischen haben sogar die ersten Investoren aufgekaufte Praxen an andere Investoren weiterverkauft. Viele der Investoren verfügen über medizinisches Know-how und über entsprechende Erfahrungen mit Praxisketten im Ausland. An dieser Stelle sei auf einen sensiblen Punkt hingewiesen: Hier treffen zwei Welten aufeinander, die Wachstum unter Umständen aus zwei völlig verschiedenen Perspektiven begreifen. Da steht auf der einen Seite der Freiberufler Zahnarzt, der seinen Beruf gern und tagtäglich selbst am Patienten ausübt. Patientenzufriedenheit ist ihm wichtig, weil diese die Voraussetzung für Empfehlungen, finanzielle Sicherheit und Wachstum ist. Auf der anderen Seite befindet sich der Investor, der Geld in die Hand nimmt, um es in ein Anlageobjekt – hier die Zahnarztpraxis – zu investieren, das er emotional distanziert betrachtet. Sein Ziel ist, eine gute laufende Rendite oder später einen hohen Verkaufspreis zu erzielen. Für beides müssen genügend Patienten mit möglichst hohem Ertrag behandelt werden. Beide Perspektiven können durchaus zum gleichen Ergebnis führen, doch Motive und Methoden unterscheiden sich erheblich. Deshalb ist es für jeden Zahnarzt wichtig, sich die derzeitigen Marktprozesse klar zu machen, die Motivationen des Investors zu verstehen und sich über die eigene Position und Zielsetzung klar zu sein, um erfolgreich in etwaige Investorengespräche einzusteigen. 

Skalierbare Konzepte versprechen Gewinn

Es leuchtet schnell ein, dass ein Investor, der mit der Anlage seines Geldes eine gute Rendite erzielen will, eine Vorliebe für skalierbare Konzepte hat. In der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre versteht man unter „economies of scale“ etwas vereinfacht, dass mit zunehmender Menge die Kosten pro Stück oder pro Behandlung sinken. Wird zum Beispiel ein neuer DVT für Aufnahmen von 20 Patienten genutzt, kostet jede Aufnahme mehr, als wenn er für 100 Patienten eingesetzt werden kann. Wird ein gutes Konzept nur für eine Praxis entwickelt, belastet dies den Gewinn mehr, als wenn es für 20 oder 30 gleichartige Praxen genutzt wird. 

Erreichen kann man dieses Ziel auf unterschiedlichen Wegen. 

  • Die geklonte Praxis

Ein zurzeit noch beliebtes Konzept ist es, eine besonders erfolgreiche Praxis zu übernehmen und diese an anderen Standorten zu „klonen“. Bei der Auswahl stehen vor allem Praxen mit klarer Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen oder Behandlungen hoch im Kurs. Jede weitere, gleich strukturierte Praxis (so dabei die Überlegung des Investors) birgt sinkende finanzielle Risiken. Es entstehen also Kostenvorteile durch Degressionseffekte. Das Risiko für den Investor liegt in der teuren Entwicklung einer brauchbaren Schablone, das heißt, eines skalierbaren Praxiskonzepts. Ob sich diese Investition gelohnt hat, weiß der Investor erst hinterher. 

  • Die Preisführerschaft

Platte Niedrigpreiskonzepte haben sich bisher nicht ausgezahlt. Aber Potenzial besteht, wenn solche Konzepte für lukrative Behandlungen, wie zum Beispiel bei implantologischen Behandlungen umgesetzt werden. Hierzu ein Beispiel: Gelingt es, die Behandlungszeit für eine implantologische Versorgung durch große Behandlungsroutine zu minimieren, kann eine solche Praxis trotz eines weit unterdurchschnittlichen Preises zu höheren Honoraren pro Behandlungsstunde kommen, als es einer durchschnittlichen Praxis je gelingen kann. Wenn die von Investoren betriebenen Praxen es schaffen, hierbei eine gute Qualität zu liefern, führen solche Konzepte zu einem zunehmenden Preiswettbewerb und setzen kleinere Mitbewerber am Standort unter Druck. 

So rechnet ein Preisführer

Euro

Implantologische Versorgung ab

998

Material

30

Implantat

70

Suprakonstruktion

80

= Zahnärztliches Honorar/Implantat

818

Bei einer durchschnittlichen Behandlungszeit von zwei Stunden sind das 414 Euro/Behandlungstunde. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 250 Euro.

Quelle: KZBV-Jahrbuch 2015

  • Zentrum mit Satelliten auf dem Land

Hier erwirbt oder gründet ein Investor eine zentral gelegene, sehr gut ausgestattete Praxis. Diese bietet hochwertige zahnmedizinische Versorgungen an, zum Beispiel Implantologie oder Endodontie mit sehr guter technischer Ausstattung. Statt für diese Praxis teures Marketing zu betreiben, kauft der Investor im ländlichen Umland Einzelpraxen auf. Diese – meist schwer verkäuflichen – Praxen werden für vergleichsweise kleines Geld erworben. Um den Patientenstamm zu halten, wird der Praxisabgeber – wenn möglich – verpflichtet, für eine Übergangszeit zum Beispiel an drei vollen Tagen in der Woche in der Praxis zu arbeiten. Die fehlende Behandlungszeit wird durch junge Zahnärzte ausgeglichen, die sich im modern ausgestatteten Zentrum beworben haben und schließlich zwei Tage die Woche in einer Landpraxis arbeiten. 

Anders als im Zentrum liegt der bewusst gewählte Fokus des Investors in den Landpraxen auf Funktionstüchtigkeit und nicht auf moderner Ausstattung. Der Grund: Von den Patienten werden keine hochmodern ausgestatteten Praxen erwartet. Vielmehr ist man froh, dass man in Wohnortnähe überhaupt einen Zahnarzt hat, der die Basisversorgung (Füllungen, PZR, Einzelkronen) sicherstellt. Für höherwertige Arbeiten werden Patienten in das Zentrum verwiesen. Statt in teure Werbung für das Zentrum zu investieren, werden die Landpraxen zur Empfehlerschiene für das Zentrum entwickelt. 

  • Die Optimierer

Bei diesen Praxen fallen zunächst keine äußerlich erkennbaren Besonderheiten auf. Sie sind „einfach nur“ hoch rentabel. Das heißt, sie haben eine Kostenquote, die deutlich unter den branchenüblichen Werten liegt. Sie sind meist von wenigen Personen stark geprägt, die jeden Tag aufs Neue darauf achten, das Prozesse „schlank“ bleiben und Kosten optimiert werden. Natürlich verführt ein solches Konzept zu der Annahme, dass eine optimierte Praxis leicht zu duplizieren und als Benchmark für weitere Standorte zu übernehmen ist. Aber die Seele dieses Konzepts ist der aufmerksame, kostenbewusste Zahnarzt und nicht der rechnende Controller des Investors. Denn dieser weiß nicht konkret genug, wie laufend optimiert werden kann, damit Kosten niedrig und Erträge hoch bleiben. Im Markt gibt es bereits einige Negativ-Beispiele, bei denen die Investoren die Rolle des Praxisinhabers für die Rentablität und das Wachstum unterschätzt haben. 

Fazit: Erfahrene Investoren suchen auf dem deutschen Markt ganz systematisch nach Zahnarztpraxen, die in ihr Portfolio passen und für eines der oben genannten Konzepte geeignet erscheinen. Im zweiten Teil werden die Spielregeln der Investoren bei den Verhandlungen mit Zahnärzten beleuchtet.

Der professionelle Blick des Investors auf eine Zahnarztpraxis kreist um Begriffe wie Anlageobjekt, Rendite, Patienten-Ertrag und Wiederverkaufspreis.

Investoren im Dentalmarkt

Prof. Bischoff ist seit 1985 geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der Unternehmensgruppe Prof. Dr. Bischoff & Partner® mit Sitz in Köln, Chemnitz und Berlin. Bischoff lehrt seit 1996 Controlling an der Bergischen Universität Wuppertal.  

In einem dreiteiligen Beitrag beleuchtet er, welche Konzepte Investoren verfolgen (Teil 1), wie sie vorgehen (Teil 2) und welche Wachstumsmöglichkeiten es gibt (Teil 3).

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