Plötzlich Chef!
Herr Grüner, wie finde ich als Praxisgründer gute Mitarbeiter?
Stephan Grüner: Der Arbeitsmarkt für zahnärztliches Personal hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Konnten Praxen früher noch aus einer Vielzahl von Bewerbungen auswählen, so sind es heute die Praxen, die sich um qualifizierte Mitarbeiter „bewerben“ müssen. Das gilt insbesondere für qualifizierte Verwaltungskräfte und Prophylaxemitarbeiter.
Deshalb ist es wichtig, die eigene Praxis als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Das beginnt bei der Form der Stellenausschreibung und endet bei der Art und Weise, wie Personalarbeit in der Praxis täglich gelebt wird - daneben spielen natürlich auch Entwicklungsmöglichkeiten und das Gehalt eine Rolle. Bei vielen Praxen sehe ich da noch erhebliches Verbesserungspotenzial.
Gerade für Existenzgründer ist es wichtig, sich frühzeitig und intensiv mit dem Thema Personal auseinandersetzen. Der Erfolg einer Praxisgründung oder -übernahme hängt ganz maßgeblich davon ab, ob das Team mitzieht beziehungsweise ob man überhaupt passende Mitarbeiter findet.
Wer gute Mitarbeiter gefunden hat, muss sie natürlich auch halten können. Worauf kommt es da an?
Mitarbeiterbindung ist angesichts der aktuellen Arbeitsmarktsituation eine der wichtigsten Führungsaufgaben - das ist vielen Zahnärzten noch nicht so klar. Immer wieder sind Praxisinhaber völlig überrascht, wenn Mitarbeiter kündigen. So etwas zeichnet sich im Regelfall schon viel früher ab - Anzeichen für Unzufriedenheit oder nachlassende Arbeitsmotivation sollten auch einem jungen Chef nicht entgehen.
Das setzt einen regelmäßigen Kontakt zum Team voraus: In Teamsitzungen können Themen, die den Mitarbeitern wichtig sind, zur Sprache kommen. Hier ist es von Vorteil, sich als Chef in der Kunst des Zuhörens zu üben und Mitarbeitern das Gefühl zu geben, dass ihre Meinung zählt und diese in die Entscheidungen der Praxisleitung einfließt. In Mitarbeitergesprächen sollten, neben Lob und Verbesserungswünschen, immer auch individuelle Entwicklungsmöglichkeiten zur Sprache kommen.
Bei einer Praxisübernahme gibt es ja häufig schon ein eingespieltes Team. Wie binde ich als junger Chef die Mitarbeiter meines Vorgängers am besten ein?
Die erfahrenen Mitarbeiter des Vorgängers sind grundsätzlich die wichtigsten Stützen nach der Übernahme. Sie sollten von Anfang an gut in Entscheidungen eingebunden werden. Allerdings besteht natürlich auch die Gefahr, dass sich gerade ältere Mitarbeiter skeptisch gegenüber Veränderungen zeigen und diese manchmal offen oder heimlich boykottieren.
Für ein gutes Zusammenfinden sind am Anfang etwas Zurückhaltung und ein behutsamer Umgang mit - sicher notwendigen und berechtigten - Veränderungswünschen ratsam.
Im Übrigen empfehle ich bei Praxisübernahmen, dass die zukünftigen Chefs schon vor dem Stichtag der Übernahme für ein halbes Jahr oder Jahr in der Praxis als Angestellte mitarbeiten. In dieser Zeit sollten sie von ihrem Vorgänger dem Team gegenüber klar als zukünftige Chefs eingeführt werden. Offene Kommunikation ist hier geboten, keine Geheimhaltung!
Welche Fähigkeiten sollte ein Chef mitbringen, um von seinen Mitarbeitern respektiert und geschätzt zu werden?
Wer als Chef respektiert und geschätzt werden will, der sollte auch respektvoll und wertschätzend mit Mitarbeitern umgehen. Führung hat viel mit Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Fairness und authentischem Auftreten zu tun. Führung heißt auch, klare Entscheidungen zu treffen und zu diesen zu stehen. Außerdem sollte man eigene Fehler eingestehen können.
Stephan Grüner ist Referent auf dem Kongress „FutureDent“, der am 27. Oktober erstmals in München stattfindet. Veranstalter ist der Deutsche Ärzteverlag in Kooperation mit der Bayerischen Landeszahnärztekammer, der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns und dem Bundesverband der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa e.V. (BDIZ EDI).
Anmeldung und weitere Informationen auf futuredent.de.
Zahnärzte werden leider weder während des Studiums noch in der Assistentenzeit auf eine spätere Führungsverantwortung vorbereitet. Wer also später als Chef bestehen will und nicht schon ein Naturtalent in Sachen Führung ist, sollte sich mit der zukünftigen Führungsrolle rechtzeitig auseinandersetzen. In den Niederlassungsseminaren der BLZK und der eazf und der individuellen Existenzgründerberatung wird zu oft noch deutlich, welche Defizite die jungen Zahnärzte in Sachen Führung mitbringen. Insofern freut es mich, dass diesem Thema auch auf dem Kongress „FutureDent“ ein Forum gegeben wird.