Neues IDZ-Buch: Stand der Forschung zur Praxisgründung

Die Zukunft der zahnärztlichen Niederlassung

David Klingenberger
Junge Zahnärzte und Zahnärztinnen wollen heute so arbeiten, wie es ihren Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht. Die Niederlassung ist nicht mehr ein Muss, nur noch ein Kann. Für die eigene Praxis entscheiden sie sich, wenn das Gründungsumfeld und die Lebensbedingungen stimmen.

Die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der zahnärztlichen Existenzgründer haben sich im Verlauf der letzten Dekade umfassend verändert. Durch eine Reihe von Gesetzes­novellen wurden sukzessive die Berufsausübungs­möglichkeiten für Zahnärztinnen und Zahnärzte ausgeweitet und in diesem Zusammenhang auch die rechtlich zulässigen Formen der Praxisausübung erweitert. Eine Niederlassung kann mittlerweile auch in Form einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft, einer Partnergesellschaft, einer Kapitalgesellschaft sowie eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) erfolgen [Kuntz, 2016].

Die Ausweitung von Handlungsoptionen wird von Soziologen als ein generelles Signum der Moderne beschrieben und in seinen ambivalenten Wirkungen problematisiert [Gross, 1994; Rosa, 2005]. Ambivalent wird diese Ausweitung insofern gewertet, als die Vervielfältigung der Optionen mit der gleichzeitigen Auflösung von Gewissheiten einhergeht. Die Entscheidung der jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte für einen konkreten Berufsweg wird zunehmend komplexer empfunden, die überblickten Zeiträume werden (subjektiv) kürzer. Dabei muss die Entscheidung für eine Nieder­lassung nicht notwendigerweise eine Fest­legung für den gesamten Zeitraum der Berufs­tätigkeit bedeuten – bestimmender dürfte hier die bereits getroffene Wahl des Studienfachs Zahnmedizin sein.

Die Bereitstellung von empirischen Daten soll in dieser Situation der „neuen Unübersichtlichkeit“ [Habermas, 1985] die notwendige Transparenz schaffen beziehungsweise diese verbessern, um niederlassungswilligen Zahnärztinnen und Zahnärzten eine gesicherte Basis für eine informierte Entscheidung bieten zu können. Die Analyse der Gründungsmotive verdeutlicht, dass die „Notwendigkeit“ einer Niederlassung in freier Praxis (beispielsweise zur Verhin­derung von Arbeitslosigkeit) faktisch nicht mehr besteht. Nach dem Wegfall der Push-Faktoren muss also die Option einer Niederlassung auf die jungen Zahnärzte „anziehend“ genug wirken, damit diese dann den Schritt zur Gründung einer eigenen zahnärztlichen Praxis auch vollziehen. Hier können ideelle Motive („Wunsch, Menschen zu helfen“) ebenso Teil der individuellen Selbstverwirklichung sein wie materielle Ziele (Einkommen).

Notwendig ist die eigene Praxis nicht mehr

Dass im Rahmen der zahnärztlichen Niederlassung in aller Regel nicht nur der betriebswirtschaftlich erforderliche Return on Investment zur Erzielung eines nachhaltigen Praxisgewinns erwirtschaftet werden kann, sondern auch eine angemessene „Bildungsrendite“ (= aus dem Studium resultierende Einkommenserhöhung) für das zeit- und kostenintensive Zahnmedizinstudium erzielt wird, ist empirisch belegt [Piopiunik et al., 2017]. Generell kann man also sagen, dass die Vielfalt der individuellen Motivezur Studien- und Berufswahl sowie die bestehenden Optionen einer Spezialisierung im Rahmen der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung ihre Entsprechung in der oben angedeuteten Formenvielfalt der realisierten Niederlassungen findet.

uf dem Praxisabgabemarkt ist – beginnend mit dem Jahr 2006 – ein Angebotsüberhang entstanden, der für zahnärztliche Existenzgründer aktuell gute bis beste Übernahmemöglichkeiten bietet. In vielen Regionen wird man mittlerweile von einem Käufermarkt sprechen können, das heißt, die Verhandlungsmacht der potenziellen Käufer von Zahnarztpraxen dürfte tendenziell gestiegen sein. Der quantitative Überhang von zum Verkauf stehenden Praxen bedeutet allerdings nicht, dass jeder Kaufinteressent seine Wunschpraxis findet – die subjektiven Vorstellungen der (zumeist jungen) Käufer und der (in der Regel älteren) Verkäufersind nicht immer in Übereinstimmung zu bringen und die objektiven Gegebenheiten (medizinischtechnische Praxisausstattung) entsprechen ebenso wenig automatisch den Wünschen des potenziellen Praxis­erwerbers.

Die Unterschiede zwischen Praxisformen verschwimmen

atürlich besteht weiterhin die Möglichkeit, anstelle einer Übernahme die Existenz­gründung in Form einer Neugründung zu realisieren. Auch wenn hier – im Unterschied zur Praxisübernahme – in den ersten Jahren der Praxistätigkeit erst ein eigener Patienten­stamm aufgebaut und insofern anfangs mit vergleichsweise geringeren Umsätzen gerechnet werden muss, so zeigen die empirischen Daten doch deutlich, dass die neugegründeten Praxen in der Folge dynamischer wachsen als die übernommenen Praxen. Neugegründete Praxen erlauben zudem möglicherweise eine generell bessere Passung zwischen den Zielen des Praxisgründers und dem realisierten Praxiszuschnitt und können somit die subjektive Zufriedenheit des Praxisinhabers mit der Praxisperformance erhöhen. Die Analyse hat gezeigt, dass die Entwicklung der letzten Dekade keineswegs zum Rückgang der Einzelpraxis geführt hat. Die Möglichkeiten der Beschäftigung von angestellten Zahnärzten haben vielmehr dazu geführt, dass die Unterschiede zwischen den (rechtlich definierten) Praxisformen zunehmend verschwimmen, da eine Einzelpraxis infolge des Einbezugs von angestellten Zahnärzten organisatorisch ebenfalls zu einer kooperativen Praxisform weiterentwickelt werden kann und von dieser Option auch zunehmend Gebrauch gemacht wird. Insofern wird eher der Einzelkämpfer als die Einzelpraxis verschwinden.

Wenn die Einzelpraxis auch in Zukunft Bestand haben wird, so verändert sie im Wettbewerb der Praxisformen doch ihr Gesicht. Die durchschnittliche Einzelpraxis wird größer, sie wird mehr Behandlungszimmer und Dentaleinheiten, mehr Beschäftigte und einen höheren Umsatz aufweisen. Mit steigender Praxisgröße wird eine Fixkostendegression möglich, die den Betriebsausgabenanteil senkt und somit positiv auf den Einnahmenüberschuss wirkt.

Die Flexibilität der Formen macht auch kreative Formen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich. Die Arbeitsbelastung in der Praxis lässt sich nicht nur in der Anstellung steuern, sondern auch in der Selbstständigkeit – beispielsweise durch die Beschäftigung angestellter Zahnärzte, die den beziehungsweise die Praxisinhaber genau da entlasten, wo es erforderlich ist. Das Einzelkämpfertum ist passé; die Praxisinhaber könnten sich auf ihre eigenen Kernkompetenzen konzentrieren, indem sie beispielsweise durch genossenschaftliche Kooperationen von anderen (Verwaltungs-)Aufgaben entlastet werden [Henke und Podtschaske, 2014].

Auch wenn der Existenzgründer den Zuschnitt seiner Praxis, den Standort, die Rechtsform, die Arbeitsschwerpunkte, die Finanzierung sowie die Aufbau- und Ablauforganisation nach eigenen Vorstellungen gestalten kann, so muss er doch das Gründungsumfeld inklusive perspektivischer Entwick­lungen mit in Betracht ziehen. Für den zahnärztlichen Existenzgründer stellen diese Umfeldbedingungen Faktoren dar, die auf seine berufliche Tätigkeit einwirken, aber zugleich von ihm selbst nicht beeinflusst werden können. Die Entwicklungsmöglichkeiten der sogenannten Mundgesundheitswirtschaft, das heißt, der Branche in Gesamtheit, sind auf absehbare Zeit gegeben und ein Indiz dafür, dass die Branche mit ihrer Vielgestaltigkeit insgesamt flexibel und angemessen auf die gesellschaft­lichen Trends reagiert (hat). Die zunehmende dental awareness der (alternden) Bevölkerung schlägt sich in veränderten Inanspruchnahmemustern und Versorgungsbedarfen nieder, auf die die Branche wie jede einzelne Zahnärztin beziehungsweise jeder einzelne Zahnarzt reagieren kann. Die oralepidemiologischen Daten verdeutlichen, dass die präventiven Anstrengungen der Zahnärzteschaft nicht per se zu einem Rückgang der Behandlungs­bedarfe führen werden, sondern vielmehr zu einer Verschiebung des Behandlungs­bedarfs in spätere Lebensjahre. Der Bedeutungszuwachs des privat finanzierten sogenannten Zweiten Mundgesundheitsmarkts zeigt zudem, dass die steigenden Haushaltseinkommen der Bevölkerung auch zunehmend für den Konsum von Gesundheitsgütern und -dienstleistungen genutzt werden.

Dies bietet beispielsweise Spielraum für das Angebot von Formen des gleich- und andersartigen Zahnersatzes – jenseits der Regelversorgung. Angesichts dieser insgesamt positiven Branchen­aussichten kann es nicht ver­wundern, dass neue Anbieter in den Markt eintreten und der Wettbewerbsdruck in bestimmten Standortlagen spürbar steigt. Stabile Märkte locken Investoren an – und so gründen Klinikketten immer häufiger medizi­nische Versorgungszentren (MVZ) und Fremdkapital fließt in die Praxen – finanziert durch sogenannte Private-Equity-Fonds oder Private-Equity-Gesellschaften.

Die im Jahr 2015 mit dem „Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-VSG) ermöglichte Gründung von fachgruppengleichen medizinischen Versorgungszentren in der zahnmedizinischen Versorgung hat recht schnell zu einer Ansiedelung von zahnärzt­lichen MVZ in Ballungsgebieten und städ­tischen Randlagen („Speckgürtel“) geführt. Für den zahnärztlichen Berufsstand ist es vor dem Hintergrund des Sicherstellungsauftrags kontraproduktiv, wenn die Beschäftigungsverhältnisse für angestellte Zahn­ärzte aufgrund der Kapitalverwertungs­interessen von Privatinvestoren primär in überversorgten Regionen entstehen, während es zugleich unterversorgte ländliche Bereiche gibt, die von jungen Zahnärzten ansonsten prinzipiell als Niederlassungsort in Erwägung gezogen würden [Kettler et al., 2018].

Für die niederlassungswilligen Zahnärzte könnte es vor diesem Hintergrund wiederum attraktiver werden, im Zuge der Standortentscheidung bewusst solche Konkurrenzverdichtungen zu meiden und die eigene Existenzgründung bewusst in weniger wettbewerbsintensiven ländlichen und kleinstädtischen Gebieten zu realisieren, zumal sich die demografisch bedingte Alterung der Gesellschaft in ländlichen Gebieten vergleichsweise stärker bemerkbar macht; die damit einhergehenden regional zunehmenden Versorgungsbedarfe bieten jedenfalls die wirtschaftliche Basis für eine solche Standortwahl. Bei einer standortbezogenen Auswertung von AVE-Z-Paneldaten lagen die neugegründeten Zahnarztpraxen im großstädtischen Bereich hinsichtlich des durchschnittlichen Einnahmenüberschusses unter dem Niveau der Landpraxen.

Die Analyse konnte auch zeigen, dass die Praxisprofilierung über die Ausweisung von Arbeitsschwerpunkten den Praxisumsatz in der Regel erhöht. Für die Patientengewinnung und -bindung kommt es auf die „Unterscheidbarkeit“ der Praxis in der Wahrnehmung der Patienten an. Heterogenität führt zur Konkurrenzverdünnung; man konkurriert nur mit „vergleichbaren“ Praxen.

So unterschiedlich sich die Patientengewinnung und -bindung je nach Region erweisen wird, so wird auch die Mitarbeitergewinnung und -bindung auf absehbare Zeit ein regional in unterschiedlicher Intensität aufscheinendes Problem sein und bleiben. Auf der einen Seite bestimmen die Mitarbeiter das Praxisprofil mit, tragen zur Patientenbindung bei und stellen insofern einen integralen Bestandteil des Sozialkapitals einer Praxis dar [Klingenberger und Sander, 2014]. Auf der anderen Seite wirken sich Probleme beim Personalaufbau sowie eine hohe Personalfluktuation nachgewiesenermaßen nachteilig auf den Umsatz aus [Klingenberger und Becker, 2007].

Der Fachkräftemangel macht sich in vielen Regionen bereits bemerkbar [Schreiber, 2017] und der Ausbildungsbericht des Deutschen Gewerkschaftsbundes führt in aller Deutlichkeit vor Augen, dass die Arbeit der zahnmedizinischen Hilfsberufe wieder attraktiver werden muss [DGB, 2016]. Regelmäßige Fort- und Weiterbildungen der Mitarbeiter sowie eine Anlehnung der Gehälter an die Vergütungsempfehlungen der Zahnärztekammern könnten hier wirksame Maßnahmen eines strategischen Personalmanagements sein [Leveringhaus, 2015; Ulrich, 2017].

Die Zusammenschau all dessen, was eingangs als Ausweitung von Handlungsoptionen charakterisiert wurde, sollte jedoch nicht den Eindruck eines anything goes erwecken. Praxisform, Standort und Arbeitsschwerpunkte müssen in eine widerspruchsfreie Gesamtkonstellation eingebracht werden und vieles ist dabei zu bedenken. Die Hilfestellung professioneller Berater im Gründungsprozess kann im Einzelfall hilfreich sein – ist es aber, da nicht frei von eigenen Interessen, nicht immer. Bei der Schaffung gründungsfreundlicher Umfeldbedingungen sind in­sofern andere Maßnahmen und Akteure gefor­dert.

Ein gesellschaftliches Thema: die Standortsicherung

Das Berufsfeld des Zahnarztes beziehungsweise der Zahnärztin zählt zu den freien Berufen, und die Zahnärzte und Zahnärz­tinnen sind (gleich ob angestellt oder in eigener Praxis niedergelassen) in diesem Sinne auch im Interesse der Allgemeinheit und des Gemeinwohls tätig. Der Sicherstellungsauftrag verdeutlicht, dass die Zahnärzteschaft im Sinne des Subsidiaritätsprinzips privatautonom eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt [Isensee, 2014]. Die Öffentlichkeit ist im Gegenzug gefordert, gemeinwohlorientierte Tätigkeiten abzusichern und gegebenen­falls zu begünstigen. Was kann dies konkret bedeuten?

Existenzgründung Zahnärzte 2017: Einzelpraxis bleibt Standard

Analyse der apoBank

Die Einzelpraxis ist für Zahnärzte nach wie vor der beliebteste Weg, um in die Selbständigkeit zu starten: 2017 haben sich 71 Prozent der zahnärztlichen Existenzgründer dafür entschieden. Dies belegt die jüngste „Existenzgründungsanalyse Zahnärzte“, die die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank) gemeinsam mit dem Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) jährlich durchführt.

Die mit Abstand häufigste Art, sich als Zahnarzt niederzulassen, ist die Übernahme einer bestehenden Praxis, um diese dann als Einzelpraxis weiterzuführen - 2017 sind 64 Prozent der zahnärztlichen Existenzgründer diesen Weg gegangen. Neugründungen von Einzelpraxen finden dagegen nur selten statt, seit 2015 liegt hier der Anteil bei konstant 7 Prozent. Die Niederlassung mit Partnern in Form einer Kooperation ist 2017 im Vergleich zum Vorjahr zugunsten der Einzelpraxis rückläufig gewesen und betrug 29 Prozent.

„Trotz der aktuellen Diskussionen rund um die Zahnmedizinischen Versorgungszentren sehen wir anhand unserer Analyse, dass bei den zahnärztlichen Existenzgründern keine Tendenzen zur Gründung solcher Praxisformen bestehen. Die Niederlassung in einer Einzelpraxis ist ganz klar die Nummer eins“, sagt Daniel Zehnich, Leiter des Bereichs Gesundheitsmärkte und -politik der apoBank. „Allerdings beobachten wir bei den von uns in die Niederlassung begleiteten Zahnärzten auch, dass einige dieser Existenzgründer bereits von Beginn an größer planen, um künftig Kollegen anzustellen beziehungsweise potenzielle Kooperationspartner mit einzubinden und allmählich zu wachsen.“

Kaufpreise und Investitionen auf neuem Höchststand

Die Kaufpreise für die klassische Übernahme einer Zahnarztpraxis als Einzelpraxis steigen seit Jahren. 2017 haben sie sich noch einmal um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert auf durchschnittlich 184.000 Euro erhöht. Weitere Investitionen, die für Modernisierung und Ausstattung einer Praxis anfallen, lagen im Schnitt bei 125.000 Euro. Damit erreichten die gesamten durchschnittlichen Praxisinvestitionen mit 309.000 Euro einen neuen Höchststand.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der Anteil der „günstigen“ Praxen gesunken ist: Während 2015 noch neun Prozent der Praxisübernehmer unter 100.000 Euro - inklusive der Kaufpreise -investierten, waren es 2017 nur noch vier Prozent. Auf der anderen Seite stieg der Anteil der teuren Praxen jenseits der 500.000 Euro im selben Zeitraum von fünf auf nunmehr zehn Prozent.

In Neugründungen mussten Zahnärzte 2017 am meisten investieren: bei Einzelpraxen mit durchschnittlich 441.000 Euro und bei Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) je Inhaber mit 377.000 Euro für 50 Prozent der Praxisanteile. Die günstigste Variante, sich niederzulassen, war ein Einstieg oder ein Beitritt in eine bereits bestehende BAG: Die dabei erworbenen Praxisanteile variierten zwischen drei und 75 Prozent beträchtlich. Im Schnitt haben Zahnärzte 2017 für 38 Prozent der Anteile 236.000 Euro in die Hand genommen.

Zahnarztpraxen in mittelgroßen Städten und im Süden am teuersten

Mit Kaufpreisen von 206.000 Euro war die Mittelstadt das teuerste Pflaster für diejenigen Zahnärzte, die dort eine Einzelpraxis durch Übernahme gründen wollten. Eine Praxis auf dem Land kostete dagegen mit durchschnittlich 166.000 Euro am wenigsten.

Die Analyse der einzelnen Regionen Deutschlands zeigt, dass im Süden und Westen mit durchschnittlich 205.000 Euro bzw. 201.000 Euro die mit Abstand höchsten Übernahmepreise für die Einzelpraxisgründung gezahlt wurden. In den östlichen Bundesländern lagen die Durchschnittspreise mit 141.000 Euro am niedrigsten.

Durchschnittsalter sinkt – jeder zweite Existenzgründer jünger als 35 Jahre

Zahnärzte entscheiden sich früher für die Selbständigkeit: Das Durchschnittsalter der Existenzgründer ist mit 35,5 Jahren im Vergleich zum Vorjahr gesunken (2016: 35,9 Jahre). Ein Blick auf die Altersverteilung zeigt, dass der Anteil der Zahnärzte unter 40 Jahren gestiegen ist. Insgesamt war jeder zweite Zahnarzt bei seiner Niederlassung jünger als 35 Jahre.

Investitionen und Kooperationen – eine Frage des Alters

Die Auswertungen der apoBank belegen seit Jahren, dass die Investitionsbereitschaft mit steigendem Alter tendenziell sinkt. 2017 gaben Zahnärzte unter 35 Jahren im Durchschnitt 325.000 Euro für Praxiskauf und Modernisierung aus, um sich in einer Einzelpraxis niederzulassen. Existenzgründer, die sich mit 45 und älter für eine eigene Zahnarztpraxis entschieden haben, investierten hingegen mit 216.000 Euro deutlich weniger.

Auch die Bereitschaft, sich gemeinsam mit einem Partner niederzulassen, ist offenbar eine Frage des Alters: Jüngere Existenzgründer gehen häufiger Kooperationsmodelle ein als ältere - 2017 waren es 35 Prozent der unter 35-Jährigen und nur 11 Prozent der über 45-Jährigen. Insgesamt zeigt die Analyse im Vergleich zum Vorjahr aber einen rückläufigen Kooperationsanteil in allen Altersgruppen.

Die Basis dieser Analyse bildet eine Stichprobe von rund 500 zahnärztlicher Existenzgründungen, die die apoBank im Jahr 2017 finanziert hat. Die Daten werden anonymisiert und gemeinsam von der apoBank und dem Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) ausgewertet.

Für die Zahnärzteschaft spielt die demo­grafische Entwicklung nicht nur eine Rolle aufgrund der sich ändernden Versorgungsbedarfe ihrer Patienten. Der Generationenwechsel ergreift auch den Berufsstand selber. Bundesweit sind aktuell 35 Prozent der zahnärztlich tätigen Zahnärzte 55 Jahre oder älter und in einzelnen Kammerbereichen wie etwa Thüringen sind es gar 49 Prozent [BZÄK, 2017]. Das Problem der Praxisnachfolge haben nicht nur die Praxisinhaber, die ursprünglich einen Veräußerungsbetrag in ihre Altersversorgung einkalkuliert hatten. Das Problem betrifft insbesondere in den ländlichen Lagen solche Kommunen, in denen die Suche nach einem Praxisnachfolger erfolglos bleibt. Hier sind alle gefordert, neben den zahnärztlichen Organisationen eben auch alle politischen Ebenen, vom Dorfbürgermeister über den Regierungs­bezirk und die Landesregierung bis hin zu den für die Regionalentwicklung zuständigen Fachressorts auf Bundesebene. Das Thema der Standortsicherung hat lokal sehr viele Facetten mit vielen Wechselwirkungen: Für die Zahnärztin kann beispielsweise der wohnortnahe Kindergarten ein wichtiger Standortfaktor sein, für die Kindergärtnerin ist es möglicherweise die wohnortnahe Zahnarztpraxis.

Die junge Generation wird sich nicht gängeln lassen

Die junge Zahnärztegeneration hat genaue Vorstellungen zu Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Work-Life-Balance und Lebensqualität [Kettler und Klingenberger, 2016]. Für die Niederlassung entscheiden sich die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte, wenn sie „anziehende“ Bedingungen vorfinden. Die Befähigung zur Patientenversorgung haben die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte in einem anspruchsvollen akademischen Studium erworben und die Bereitschaft zur Fort- und Weiterbildung ist hoch. Ihre berufliche Tätigkeit will die junge Zahnärztegeneration in flexibel auf ihre Bedürfnisse und Vorstellungen angepassten Praxisformen ausüben. Dabei wird sie sich nicht gängeln lassen, leiten unter Umständen schon. Dazu bedarf es aber intelligenter Modelle, die ein positives Gründungsumfeld schaffen – ein Gründungsumfeld, das eine ökonomisch nachhaltige Praxistätigkeit ermöglicht und gute Lebensbedingungen bietet und der nachrückenden Zahnärztegeneration die freie Wahl ihrer Berufsausübung belässt – damit der Zahnarztberuf ein freier Beruf bleibt.

Übersicht und Hilfe zur Niederlassung

Statement von Dr. David Klingenberger

Wir beschäftigen uns hier am Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) seit mittlerweile 30 Jahren wissenschaftlich mit dem Thema der zahnärztlichen Niederlassung und verfügen somit über eine gesicherte empirische Grundlage, die uns fundierte Aussagen zu diesem komplexen Bereich erlaubt. Mit den Daten aus drei Jahrzehnten im Gepäck lassen sich manche Trends einfach besser erkennen und Entwicklungslinien abschätzen.

So wird anhand unserer Studienergebnisse auch sehr deutlich, wie sehr die Bandbreite der Möglichkeiten der zahnärztlichen Berufsausübung im Zeitverlauf zugenommen hat. Die denk- und gangbaren Wege zur Niederlassung bieten den jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten heute vielfältige Möglichkeiten. Das ist per se eine positive Entwicklung. Zugenommen hat damit aber auch etwas anderes, nämlich die Qual der Wahl. Die Niederlassungsberatung der zahnärztlichen Standesorganisationen kann hier immerhin unterstützend wirken. Für eine informierte Entscheidung benötigen die zahnärztlichen Existenzgründer aber vor allem eines: Daten, Daten, Daten.

Die am IDZ in einer Reihe verschiedenster Projekte gesammelten Daten sind in dieser Situation ebenso hilfreich wie einzigartig. Keine andere Beratungsinstitution in Deutschland verfügt in einem solchen Umfang über empirische Daten zur zahnärztlichen Niederlassung wie das IDZ. Die vorliegende Monografie zur zahnärztlichen Niederlassung führt diese Daten kaleidoskopartig zusammen und bietet dem Leser somit nicht allein Erkenntnisse zur Startphase der Niederlassung, sondern darüber hinaus auch wertvolle Hinweise zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der Praxis in der Konsolidierungs- und Expansionsphase, zur aktuellen Situation des Praxisabgabemarkts sowie zum Branchentrend des Ersten und Zweiten Mundgesundheitsmarkts. Besonderes Augenmerk wird zudem auf die Gründerperson, seine zentralen Persönlichkeitseigenschaften, seine Befähigungen und seine Sozialisation gelegt.

Das Gründungsumfeld, von jungen Existenzgründern oftmals sorgenvoll betrachtet und als undurchdringliches Dickicht empfunden, wird in der IDZ-Monografie umfassend dargestellt und analysiert: Wie wirken die oralen Morbiditätstrends auf die Marktentwicklung, insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, welchen Einfluss haben Veränderungen des Einkommensniveaus und der Einkommensverteilung, und schließlich, wie wird sich das mundgesundheitsbezogene Gesundheitsverhalten der Bevölkerung künftig entwickeln? Fragen über Fragen, die den zahnärztlichen Existenzgründer bewegen und die im Rahmen der neuen IDZ-Monografie empirisch gestützt beantwortet werden.

Der facettenreiche Einbezug solcher „Benchmarking-Daten“ soll – das war jedenfalls meine Motivation im Schreibprozess – den niederlassungswilligen Zahnärztinnen und Zahnärzten eine Übersicht verschaffen und damit die Entscheidung zur Niederlassung erleichtern, zugleich Fingerzeige für die Erstellung eines fundierten Business-Plans liefern und last, but not least kostspielige Sackgassen und Irrtümer im Gründungsprozess vermeiden helfen.

Dr. David Klingenberger, Dipl.-Volksw.

Stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ)

Universitätsstraße 73, 50931 Köln

d.klingenberger@idz.institute

Ausführliche Informationen zu den einzelnen Projekten finden Sie auf der IDZ-Homepage, direkt zum Buch geht es hier: www.idz.institute

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Dr. David Klingenberger

Stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ)
D.Klingenberger@idz.institute

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