„Wenn man nicht mitmacht, gibt es Abmahnungen!“
Was bedeutet es für Patienten, wenn hinter Zahnarztpraxen zunehmend Investoren stehen? Dieser Frage ging das Plusminus-Team gestern in seiner aktuellen Sendung „Zahnarztpraxen als Rendite“ nach.
Fakt ist: In Deutschland breiten sich Zahnarztketten rasant aus. Dabei zieht es die Investoren offenbar vor allem in zahlungskräftige Regionen - und weniger auf das Land und nach Ostdeutschland, wie die Redaktion in ihrem Beitrag zeigt. Finanzgeber sind bekanntlich Private-Equity-Gesellschaften, also milliardenschwere Investoren, mit Sitz in Jersey, USA, Bahrain, Schweden und Deutschland, die zentral die Abrechnung und Verwaltung der Praxen steuern. Ihr Ziel: kaufen und gewinnbringend verkaufen.
Während 2013 circa elf Gesundheitsunternehmen mit ungefähr 8.100 Beschäftigten in der Hand von Investoren waren, sind es laut Recherche von plusminus im Sommer 2018 bereits 130 – mit insgesamt 83.000 Mitarbeitern.
„Die Investoren gehen in den Gesundheitsmarkt hinein, weil natürlich über die Krankenkassen die Erträge erst einmal gesichert sind und weil Deutschland eine alternde Bevölkerung hat“, erklärt Christoph Scheuplein, Experte für Fremdinvestoren in der Gesundheitsbranche an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen, in dem Beitrag. Diese Konzentration auf die Ballungsgebiete könnte den Facharztmangel in der Fläche seiner Ansicht noch verstärken.
Nirgends eine Information zu den Eigentümern
Auf den Websites der untersuchten Investoren-MVZ (Zahnheimat, Zahneins, Zahnstation, Dr. Eichenseer oder Curaeos) fanden die Journalisten nirgends eine Information zu den Eigentümern. „Über den eigentlichen Hintergrund, wer der Fondseigentümer ist, bekommen wir nichts im Internet heraus“, bestätigt Scheuplein dem Recherche-Team.
Unter die Lupe nehmen die Redakteure beispielhaft Nordic Capital - einer der Investoren, die den deutschen Gesundheitsmarkt als lohnendes Invest mit zweistelligen Renditeerwartungen bezeichnen. Der Geldgeber ist einer der größten Player in Europa mit Sitz in Jersey und steht auch hinter der „Zahnstation“ in Wuppertal.
„Wir sind überzeugt davon, dass Verbünde von Zahnarztpraxen eine positive Entwicklung für die Patienten darstellen.“
Auf die Nachfrage von Plusminus bei Nordic Capital, inwiefern man dort sicherstellt, dass Behandlungen nicht nach renditeorientierten Aspekten erfolgen, heißt es demzufolge schriftlich: „Das Wohl der Patienten und die Qualität der Versorgung müssen im Mittelpunkt stehen. Wir sind überzeugt davon, dass Verbünde von Zahnarztpraxen eine positive Entwicklung für die Patienten darstellen.“
Insider berichteten in der Sendung aber etwas anderes: Es gebe mündliche Ansagen über das Praxismanagement oder über die Zentrale selbst, sagt zum Beispiel ein Zahnarzt, der für ein Investoren-MVZ gearbeitet hat und anonym bleiben will.
„Dann wurde ich von der Zentrale darauf hingewiesen, dass ich doch besser mehrere Implantate einsetzen soll!“
„Ich habe zum Beispiel einer Patientin eine Prothese empfohlen, mit der sie gut versorgt gewesen wäre“, sagt er in einem aufgezeichneten Mitschnitt. „Dann wurde ich von der Zentrale darauf hingewiesen, dass ich doch besser mehrere Implantate einsetzen und die Patientin von der teureren Variante überzeugen soll.“
Die Abrechnung laufe über eine Software, über die die Zentrale den Umsatz einsehen kann. Der Zahnarzt weiter: „Da steht dann auch drin, worüber ich aufgeklärt habe, über Brücke, Krone oder Implantat. Behandlungsfreiheit, die hatte ich persönlich nicht. Und wenn man nicht mitmacht, dann gibt es Abmahnungen.“
So funktioniert das Modell der Investoren-MVZ
„Kapitalinteressen sollen medizinische Entscheidungen nicht beeinflussen, daher dürfen “Nichtärzte„ eigentlich keine Praxen kaufen. Doch es gibt ein Einfallstor: Der Investor kauft ein Krankenhaus, meist eine insolvente Klinik. Nun darf er ein zahnmedizinisches Versorgungszentrum gründen, ein sogenanntes MVZ, eine Art Miniklinik für Zahnbehandlungen. Als Eigentümer eines MVZ darf er nun bundesweit Arztpraxen aufkaufen. Eine Kette entsteht.“
Quelle: Plusminus
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) antwortete auf die Frage, wie Patienten vor solchen renditeorientierten Praxen geschützt werden, laut Plusminus wie folgt: „Diese Sorge nimmt das BMG ernst und prüft eine Weiterentwicklung der Regelungen zu den MVZ. Die Beratungen sind allerdings noch nicht abgeschlossen.“
„Diese Sorge nimmt das BMG ernst“
Für mehr Transparenz und um zu erfahren, wer hinter der Zahnarztpraxis steht, fordern Arztverbände ein zentrales Investoren-Register.