Editorial

Digitale Innovation macht gesund!

Uwe Axel Richter

Starker Tobak oder kluger Werbespruch? Wem die realitätsfernen Vorstellungen deutscher Politiker zum Thema Telemedizin und Videosprechstunde noch in den Ohren klingen, wird sich angesichts der Forderungen von 48 Unternehmen aus der Gesundheits-App-Branche in ihrem am 21. Oktober veröffentlichten Manifest* für die Digitalisierung im Gesundheitssektor bestätigt sehen und frei nach Asterix und Obelix ausrufen: „Die spinnen, die Digitalen!“ Denn das Ziel, so formulieren die Gründerinnen und Gründer „der führenden deutschen Healthcare Start-Ups“, ist nicht nur eine „Stärkung des digitalen Wandels in der Gesundheitsbranche“, sondern vielmehr die „zeitgemäße Gesundheitsversorgung für alle – nicht in einer fernen Zukunft, sondern heute“. Zeitgemäß? Gesundheitsversorgung? Für alle? Man könnte solche Aussagen ja einfach als Werbung – was sie letztlich auch sind – und den Versuch, an die Geldtöpfe im Gesundheitswesen heranzukommen, abtun. Dazu hat jeder – sofern er sich an die Spielregeln hält – das gute Recht.

Nun wohnte, wie soll es anders sein, auch Digitalisierungsjünger Jens Spahn dieser Veranstaltung bei. Entwarnung möchte man rufen, der Minister ließ sich so zitieren: „Damit das deutsche Gesundheitswesen patientenfreundlicher wird, brauchen wir innovative digitale Lösungen. Und wir müssen dafür sorgen, dass sie schnell beim Patienten ankommen. Darum ist die Digitalisierung für mich kein Nebenaspekt, sondern zentraler Bestandteil in jedem unserer Gesetze.“ Patientenfreundlicher – das klingt gut. Aber ist das nun digitale Gesundheit?

Während ich angesichts dieser Begrifflichkeit noch über die Virenfreiheit meines Smartphones sinniere, suche ich nach einer Definition. Die findet sich aber nicht, nur eine für Digital Health. Bei Wikipedia heißt es: „Digital Health ist die interdisziplinäre Verbindung von Gesundheit, Gesundheitsfürsorge, Leben und Gesellschaft mit digitalen Technologien, um die Effizienz der Gesundheitsversorgung zu verbessern und Arzneimittel individueller und wirkungsvoller einsetzen zu können.“ Kein Wort davon, dass das Digitale gesund machen würde. Gleichwohl verspricht der Begriff Digitale Gesundheit Verbrauchern, Patienten und selbst vielen Healthcare-Professionals durch die assoziative Gleichsetzung mit gesund machen und gesund werden selbiges. Abwegig? Nö, Geschäftsmodell.

So tönt die viel gelobte Diagnose-App ADA: „Du fühlst Dich unwohl? #tellAda Lade Dir Ada herunter, und mach’s wie Millionen Menschen weltweit. Nimm Deine Gesundheit selbst in die Hand.“ Man kann es ja Gesundheitsfürsorge nennen und als Bestätigung der vielen, seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden schießenden Gesundheitskongresse à la „Digital Health – Gesundheit neu denken“ verstehen. Es ist halt ein wachsender Markt, an dem viele partizipieren wollen. Doch bei aller Klage über die Beharrungskräfte des Systems, die viel zu vielen Regeln, Regulierungen und Gesetze – wer im wortwörtlichen Sinne wirksame digitale Gesundheit anbieten will, für den gilt auch, dass es keine Wirkung ohne Nebenwirkung gibt. Und damit sind das Bundesinstitut für Arzneimittel, der GBA und manch andere Institution mit im Boot, bevor der Marktzugang oder die Erstattung aus Kassentöpfen möglich ist. Ausnahmen darf es auch für die Digitalwirtschaft nicht geben.

Doch zurück zu der App der ADA Health GmbH, gehypt als „the next big thing“, deren Geschäftsführer ebenfalls das Manifest unterzeichnet hat. Ada ist „Deine Gesundheitshelferin – Von Ärzten, Wissenschaftlern und Entrepreneuren entwickelt, um allen Menschen Zugang zur personalisierten Medizin der Zukunft zu verschaffen“. Und auch hier finden sich wieder die Sprachkaperungen – „personalisierte Medizin“ wird als Begriff neu besetzt. Da passt es fast schon wieder ins Bild, dass dieses Supertool nach wie vor eklatant den Datenschutz** verletzt und u. a. Nutzerdaten, Symptome und Diagnosen von einem Gesundheitsdienstleister genutzt werden. Und auch eine deutsche Krankenkasse ist dabei. Ja doch, der Patient ist Herr seiner Daten! Nur eben nicht in Estland, dem digitalen Wunderland deutscher Gesundheitspolitiker. Aber das ist eine andere Geschichte ...

*    zitiert nach www.heise.de/newsticker/meldung/Ada-Health-uebertraegt-weiterhin-Krankheitssymptome-an-Dritte-4558341.html

Dr. Uwe Axel Richter

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.