Bahnbrechende Innovation oder Nischenprodukt?
Die Geschichte des Lasers in der Zahnheilkunde reicht bis ins Jahr 1964 zurück. Nachdem im Jahr 1960 Theodore H. Maiman in den Hughes Research Laboratories (Malibu, USA) den ersten funktionsfähigen Laser gebaut hatte, machten sich schon bald Forscher sowohl aus der Zahnmedizin (Reidar F. Soegnnes, Ralph H. Stern, beide University of California, LA) als auch aus der Medizin (Leon Goldman, Children‘s Hospital, Cincinnati) daran, die neue Technik für Anwendungen in der Zahnheilkunde zu testen. Dabei ging es zunächst um die Frage, ob und wie die Lasertechnologie den traditionellen Bohrer ersetzen könnte. Im Hintergrund stand die Hoffnung, eine patientenfreundlichere und schmerzarme Zahnmedizin zu schaffen, wenn man mit dem stillen Laser all die unangenehmen Geräusche und Gerüche und vielleicht sogar gleich noch den Behandlungsschmerz aus der Zahnarztpraxis verbannen könnte. Eine neue Vision der Zahnarztpraxis der Zukunft erschien am Horizont und entfachte einen wahren Laserhype in den Publikumsmedien.
In Deutschland erschien im Jahr 1964 ein erster Fachbeitrag von Willi Schulte von der Eberhard Karls Universität in Tübingen [zm, 1964]. Schulte testete gemeinsam mit Kollegen den amerikanischen Rubinlaser. Tenor: Der Laser habe durchaus Potenzial, man sei jedoch von einer praktischen Anwendung noch weit entfernt und es bedürfe intensiver weiterer Forschung, bevor an eine Markteinführung zu denken sei.
Im Lauf der nächsten Jahre wurden neue Wellenlängen eingeführt (zum Beispiel HeNe-Laser 1960, GaAs-Diodenlaser 1962, Argon-Laser 1964, CO2-Laser 1964) und bald auch auf deren Anwendbarkeit in der Zahnmedizin überprüft. Das größte Forschungsinteresse galt in den ersten Jahren dem Ersatz des klassischen Bohrers. Der Laser blieb allerdings vorerst ein (Forschungs-) Werkzeug, das zur Grundlagenforschung auf Universitäten, Institute und die Industrie begrenzt war. Die Politik erkannte das Potenzial des Lasers und förderte durch die Gründung mehrerer Laserinstitute ab 1985 die Erforschung der Technologie – unter anderem das Laser-Medizin-Zentrum, Berlin, im Juni 1985 und das Institut für Lasertechnologien in der Medizin, Ulm, im September 1985.
Der Durchbruch
Erst durch die Entwicklung des dLase 300 durch die US-amerikanische Firma American Dental Laser (Terry D. Myers und William D. Myers, Michigan) im Jahr 1989 wurde der entscheidende Impuls gesetzt, der zu einer Verbreitung der Lasertechnologie in den Zahnarztpraxen führte. In Deutschland ging kurze Zeit später aus dem Zusammenschluss von American-Dental-Laser-Nutzern die Deutsche Gesellschaft für Laserzahnheilkunde e. V. (DGL) hervor. Mit der Gründung 1991 wurde der Institutionalisierungsprozess – Herstellung einer eigenen Identität, regelmäßige Kongresse, wissenschaftlicher Austausch, Klärung und Vereinheitlichung von Abrechnungsmodalitäten, Mitgliederzeitschrift – der Laserzahnmedizin entscheidend vorangetrieben.
Wichtige deutsche Laserinnovationen
Parallel begannen Anfang der 1980er-Jahre auf internationaler Ebene verschiedene Firmen mit der Entwicklung und dem Verkauf von Lasergeräten für die Zahnmedizin. Aus Deutschland sind drei überaus wichtige Innovationen, die alle ihren Ursprung in Baden-Württemberg haben und die internationale Entwicklung des Dentallasermarkts maßgeblich beeinflussten, zu nennen:
Laborlaser:
Der Laborlaser geht auf Idee des Zahntechnikerlehrlings und späteren Zahnarztes Anton Kasenbacher zurück, mithilfe des Lasers ein neues Fügeverfahren für Hartmetalle im zahntechnischen Labor zu entwickeln. Zu deren Umsetzung benötigte er als Einzelperson das Know-how eines Laserunternehmens. Kasenbacher traf in Paul Seiler, dem Geschäftsführer der Haas-Laser GmbH in Schramberg, einen erfahrenen Spezialisten, der 1983 mit ihm dieses Projekt zu realisieren begann. Zuvor vollzog das Unternehmen Haas den Wandel von einer Zulieferfirma der Uhrenbranche hin zu einem Laserhersteller. Bemerkenswert ist, dass die Innovation des Dentallaborlasers erfolgreich aus einem Industrieunternehmen heraus entwickelt wurde und das bisherige Lötverfahren im Dentallabor ablöste.
Erbium-YAG-Laser:
Der erste kommerziell verfügbare Er:YAG-Laser für die Zahnheilkunde wurde 1992 vorgestellt. Er hat seinen Ursprung im Aufeinandertreffen der Forscherpersönlichkeiten Raimund Hibst (Institut für Lasertechnologien in der Medizin und Messtechnik, Ulm) und Ulrich Keller (Abteilung für Oralchirurgie, Universität Ulm). Aufgrund der Komplexität der Innovation waren hier besondere Rahmenbedingungen (Hochschule – An-Institut – Industrie), die die Entwicklung des ersten Er:YAG-Lasers für die Zahnheilkunde erst möglich gemacht haben, notwendig. Erst durch die Gründung des zweiten deutschen medizinischen Laserinstituts, durch die Entwicklung der theoretischen Grundlagen zur Innovation eines Er:YAG-Dentallasers und durch die regionale Zusammenarbeit mit den beiden Medizintechnikfirmen Aesculap AG (Tuttlingen) und KaVo (Biberach), konnte letztlich der erste marktreife Laser präsentiert werden, mit dem man tatsächlich Karies entfernen konnte.
Aus verschiedenen Gründen konnte sich der Er:YAG-Laser nicht in dem Ausmaß durchsetzen, wie es sich die Entwickler erhofft hatten. So ist es bis heute nicht gelungen, den Bohrer in der Kariesbehandlung durch einen erschwinglichen Laser (der sicherlich ein schmerzfreieres Arbeiten erlauben würde) zu ersetzen. Ein Paradigmenwechsel blieb aus.
Diodenhardlaser:
Iris und Wolfgang Meier etablierten die heute als Hersteller von Lasergeräten bekannte Firma ORALIA (Gründung 1980) bereits 1983 nach einem Impuls durch den Wissenschaftler Ulrich Warnke aus der gleichnamigen früheren Dentalhandelsfirma heraus. Danach hatte ORALIA auf dem umstrittenen Gebiet der Laserbiostimulation einen großen Erfolg mit Softlasern. 1993 plante das Unternehmen, einen Dentallaser für invasive Therapien zu entwickeln. Jedoch benötigte es zur Verifizierung der Daten und zur Erprobung des klinischen Einsatzes die Zusammenarbeit mit einer Hochschule. Dafür stellte sich die nahegelegene Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zur Verfügung. In Person von Georg Bach stand dort ein Mitarbeiter bereit, der sich der Erprobung widmete. Aus dieser Kooperation entstand der 1995 präsentierte erste Diodenhardlaser (heute nicht mehr gebräuchliche Definition) namens ORA-LASER 01 I.S.T. Aufgrund des verhältnismäßig günstigen Preises und des technisch einfacheren Geräteaufbaus gab es zahlreiche Nachahmerfirmen. Dies führte zu einer weiten Verbreitung des Diodenlasers. Er gilt heute als „Einstiegswellenlänge“ für Anwender.
Bilanz der Innovationen
Konnten sich die baden-württembergischen Laserinnovationen in der Zahnmedizin durchsetzen? Lösten sie herkömmliche Technologien ab oder ergaben sich neue Indikationsbereiche?
Der Haas Dentallaborlaser führte als einziger Vertreter der drei genannten Innovationen einen Paradigmenwechsel herbei, indem er das Lötverfahren im Labor ablöste. Die ersten Publikationen von Anton Kasenbacher und Eckhard Dielert wurden noch in Zweifel gezogen, jedoch änderte dies nichts an der Akzeptanz des Laserverfahrens im Labor. Der Übergang auf die Lasertechnologie vollzog sich nicht von einem Tag auf den anderen, sondern kontinuierlich. Immerhin war das Gerät mit einem Preis von 50.000 DM eine immense Investition für ein normales Dentallabor. Außerdem musste das Produkt erst dem Kundenkreis bekanntgemacht werden. Als hinderlich erwies sich auch die von Haas ausgeschlagene Zusammenarbeit mit dem Dentalunternehmen Dentaurum. Kasenbacher konnte durch seine Kontakte zwar etliche Labors von den Vorteilen des Lasers überzeugen, allerdings wurden auf diesem Weg nur geringe Stückzahlen abgesetzt. Haas verfügte als Laserkomponentenhersteller für die Industrie weder über die Erfahrung im Dentalmarkt noch über einen entsprechenden Außendienst. Erst 1994 ergab sich die Chance auf eine Zusammenarbeit mit Heraeus Kulzer.
Diese Kooperation dauerte bis 2010. Danach zog sich Haas aus dem Geschäftsbereich zurück. Das neue Verfahren war dennoch schlicht besser als das alte Lötverfahren, sodass nur vorübergehend eine Konkurrenzsituation zwischen den beiden Verfahren aufkam.
Der KaVo-Er:YAG-Laser konnte erstmals schonend und effektiv Karies entfernen. Doch die ersten Geräte waren sehr unhandlich und konnten eben nur Karies entfernen. Diesen Einschränkungen standen ein Kaufpreis von 100.000 DM und eine nicht geklärte, aber in jedem Fall privat zu liquidierende Abrechnung gegenüber.
Nachfolgemodelle wurden sehr anwenderfreundlich gestaltet und mit einem Feedbacksystem für die Kariestherapie sowie für viele zusätzliche Indikationen ausgerüstet. Dennoch blieb der KEY-Laser ein Nischenprodukt für technikaffine Spezialisten. KaVo gelang es mit dem Laser, einen „elitären“ Nutzerkreis zu erschließen. Für die breite Masse der Zahnärzte war er aber aus den bereits genannten Gründen uninteressant.
Anders verhält es sich mit dem Diodenhardlaser. Der ORA-LASER 01 I.S.T. kam mit seiner Indikation „Dekontamination von Implantatoberflächen“ zur richtigen Zeit. Da die Implantologie zu boomen begann und somit auch das Risiko der Periimplantitis zunahm, tat sich für den Diodenlaser ein neuer Markt auf. Sein Kaufpreis von circa 30.000 DM betrug nur ein Drittel des KaVo-Lasers. Der Diodenlaser konnte sich nachfolgend in vielen weiteren Indikationen behaupten, allerdings nur als ergänzendes Werkzeug.
Dr. med. dent. Dr. phil. Thilo Munz
Zahnarzt und Fachzahnarzt für Oralchirurgie
Hospitalgasse 16, 73525 Schwäbisch Gmünd
Lehrbeauftragter an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dr. Senckenbergisches
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin
Paul-Ehrlich-Str. 20–22, 60596 Frankfurt am Main
Der Beitrag basiert auf dem Buch und der gleichnamigen an der Universität Stuttgart (Fachbereich: Geschichte der Naturwissenschaften und Technik) erstellten Dissertation des Autors: Thilo Munz: Die Geschichte des Dentallasers in Deutschland (mit drei Fallstudien zum Zusammenspiel von Wissenschaftlern, Praktikern, Instituten und Firmen gegen Ende des 20. Jahrhunderts). Stuttgarter Beiträge zur Wissenschafts- und Technikgeschichte Band 10. Logos Verlag, Berlin, 2018.