Zahnarztpraxis der Zukunft

Arbeiten in einer Modellpraxis

Im Oktober wurde die erste Praxis nach dem Konzept der Zahnpraxis der Zukunft GmbH (ZPdZ) in Düsseldorf in Betrieb genommen. Unter dem Namen „ZAP*8 – Zahnarztpraxis am Seestern“ behandeln hier künftig vier Zahnärztinnen in Voll- und Teilzeit in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Nun lud die ZPdZ zur feierlichen Eröffnung und Führung durch die Praxis.

Rund 100 Vertreter aus Standesorganisationen, Politik und Dentalbranche folgten der Einladung in die Praxisräumlichkeiten im Düsseldorfer Stadtteil Lörick. Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), eröffnete die Feierlichkeiten mit einem Grußwort. Es sei ein guter Tag für die Zahnmedizin, befand er und machte jungen Kollegen Mut: Die Rahmenbedingungen seien aktuell komfortabel: „Wir werden gesetzlich nicht so gegängelt wie die Ärzte, die Versorgungslage in Deutschland ist auf Topniveau, und auch die betriebswirtschaftliche Situation ist akzeptabel.“ Trotzdem gebe es für den Berufsstand in der Zukunft drei große Herausforderungen zu bewältigen: Erstens das demografische Problem – fast 50 Prozent der Zahnärzte sind heute bereits über 50 Jahre alt und gehen in 10, 15 Jahren in Rente. Zweitens der Anspruch der nachfolgenden Behandler-Generation, künftig in bedarfsgerechten Beschäftungsmodellen tätig zu sein, und drittens die Gefahren durch Private-Equity-Gesellschaften und Investoren, die über MVZ in den Markt drängen.

In der Modellpraxis sieht Eßer einen Baustein, diesen Herausforderungen zu begegnen. „Ich bin ziemlich sicher, dass die in solchen Modellen beschäftigten Zahnärzte den Wert der freiberuflichen Tätigkeit schnell entdecken werden.“ Einmal auf den Geschmack gekommen, sei damit zu rechnen, dass diese mittelfristig in die eigene Niederlassung wechseln.

Vier Behandlungseinheiten auf 480 Quadratmetern

Die ZAP*8 befindet sich im Düsseldorfer Stadtteil Lörick am Business-Quartier Seestern. Die Praxis verfügt über eine Gesamtfläche von 480 Quadratmetern. Es gibt vier Behandlungs- und zwei Prophylaxezimmer. Die Praxis ist die erste nach dem ZPdZ-Modell, bei dem hohe Anfangsinvestitionen für die praktizierenden ZahnärztInnen vermieden und durch die Auslagerung administrativer Serviceleistungen Freiräume für die Behandlung und die Arbeit am Patienten geschaffen werden sollen.

Das Konzept soll den Niedergelassenen der BAG ermöglichen, flexibel und reduziert zu arbeiten, erklärte der zweite ZPdZ-Geschäftsführer Daniel Zehnich. „Wenn das Team im April komplett ist, arbeiten die vier Zahnärztinnen zusammen auf 2,6 Stellen“, erklärt er. Die Praxis soll dabei nicht nur als Inkubator zur Generierung niederlassungswilliger ZahnärztInnen dienen, sondern auch ermöglichen, Erfahrungen mit neuen Dienstleistungen rund um Praxisoptimierung und den gesamten Abgabe- beziehungsweise Übernahmeprozess inklusive Mentoringprogramm zu sammeln. Diese Bestandteile der ZPdZ seien aktuell jedoch noch in der Entwicklung, sagt Zehnich.

Auch konkrete Zahlen, wie viele derartige schlüsselfertige Praxen in den nächsten Jahren entstehen sollen, gibt es nicht. Immerhin: Mit einer kleinen niedersächsischen Gemeinde mit 13.000 Einwohnern sei man im Gespräch, was den Aufbau einer Filiale betrifft. Die Eröffnung ist für 2020 geplant.

Gesa Schmidt-Martens

„Endlich kann ich selbst entscheiden“

Gesa Schmidt-Martens (44) war nach ihrem Studium in Greifswald angestellt und ist zwischen zwei beruflichen Stationen in Mülheim an der Ruhr und Düsseldorf Mutter geworden. Sie wollte sich immer gern niederlassen, hatte als Alleinerziehende aber immer einen Riesenrespekt vor der finanziellen Verantwortung. „Ich hab‘ gedacht, wie soll ich das finanzieren, wenn ich mich auch um meine Tochter kümmern will?“ Seit Oktober arbeitet sie 32 Stunden pro Woche und lobt sowohl die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch die Selbstbestimmtheit in eigener Niederlassung. „Endlich kann ich selbst entscheiden“, sagt sie und lacht. „So macht mir die Arbeit viel mehr Spaß!“ Von dem Praxiskonzept mit papierfreier Verwaltung und modernen Behandlungseinheiten samt integrierter Endometrie, Piezo-Chirurgie und Röntgen ist sie ebenfalls überzeugt. „Vieles geht deutlich schneller, als ich es von meinen bisherigen Arbeitsplätzen gewohnt war“, sagt sie.

Dr. Susanne Kowollik

„Ich habe Spaß an neuen Ideen und mag Arbeit im Team“

Dr. Susanne Kowollik (37) hat nach ihrem Studium in Düsseldorf an der Uniklinik Düsseldorf als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet. Eine topmoderne Ausstattung ist sie gewohnt. Sie freut sich vor allem darauf, künftig viele Entscheidungen selbst treffen zu können – und zwar schnell. Im Umgang mit der Universitätsverwaltung sei sie das Gegenteil gewohnt gewesen. „Für vieles musste man einen Antrag stellen und ewig auf eine Reaktion warten“, sagt sie. Da ihr drei Monate Assistenzzeit als Zulassungsvoraussetzung fehlen, wird sie erst in vier Monaten Teil der BAG und arbeitet solange noch als Angestellte in der Zahnarztpraxis am Seestern. Als Mutter von zwei Kindern war ihr besonders wichtig, sich ihre Arbeitszeit von 30 Stunden selbst einteilen zu können. Ihre Motivation in der Modellpraxis anzufangen? „Ich habe Spaß an neuen Ideen und mag Arbeit im Team – das habe ich bisher an der Uni auch unglaublich geschätzt.“

Anja Feller-Guimaraes

„Ich bin davon ausgegangen, dass ich es alleine nicht schaffe“

Anja Feller-Guimaraes (47) bekam den Tipp zur Niederlassung in der Modellpraxis von einer befreundeten Anwältin. Nach dem Studium in Marburg zog es sie zunächst nach Brasilien, wo sie 13 Jahre lang lebte und sowohl als angestellte wie auch als niedergelassene Zahnärztin mit kleiner Praxis in Recife und Joao Pessoa arbeitete. Nachdem sie als alleinerziehende Mutter zurück nach Deutschland kam, schien ihr eine eigene Praxis in unerreichbare Ferne gerückt. „Ich bin davon ausgegangen, dass ich es alleine nicht schaffe“, sagt die Zahnärztin, die heute 30 Wochenstunden arbeitet und so ihre Profession und die Familie gut unter einen Hut bekommt. Wenige Wochen nach dem Start ist sie begeistert von der Praxistruktur, den Kolleginnen und der Unterstützung beim Start. Ihr Fazit: „Ich bin total erleichtert, dass ich das nicht alleine machen muss.“

„Wir wollen mit unserer Praxis für die Niederlassung begeistern!“

Die Modellpraxis in Düsseldorf soll nur der Anfang sein. Geschäftsführer Daniel Zehnich hat große Pläne – und erklärt, warum die nächste ZPdZ-Praxis in einer kleinen Gemeinde entstehen soll, was das Ziel des Projekts ist und wie viel Gestaltungsmöglichkeiten Zahnärzte nach Vertragsabschluss haben.

Es heißt, Zahnärzte, die bei Ihnen einsteigen, haben einen geringen Investitionsaufwand. Können Sie Zahlen nennen?

Daniel Zehnich: Die ZPdZ stellt den Zahnärzten eine schlüsselfertige, moderne Praxis zur Verfügung. Somit sind für Grundausstattung und Geräte keine Investitionen seitens der Behandler notwendig. Die Aufnahme und Höhe eines anfänglichen Betriebsmittelkredits, etwa für Verbrauchsmaterial oder Personalkosten, liegen im Ermessen der BAG.

Müssen sich die Zahnärzte „einkaufen“ oder Genossenschaftsanteile eines oder beider Gesellschafter – der apoBank oder der Zahnärztlichen Abrechnungsgenossenschaft – erwerben?

Nein, das müssen sie nicht.

Mal wird auf der Website der ZPdZ das Wort „Miete“, mal „Pacht“ verwendet. Was heißt das für die Zahnärzte?

Die BAG der ZAP*8 zahlt monatlich eine fixe, umsatzunabhängige Summe für Räume, Ausstattung und Einrichtung, wie Geräte, Möbel oder Software. Alle Überschüsse, die in der Praxis erwirtschaftet werden, gehen eins zu eins an die BAG. Daneben besteht ein gesonderter Vertrag für Service- und Dienstleistungen, der individuell ausgestaltet ist.

Wie hoch ist die Pacht für einen Zahnarzt mit einer vollen Stelle (40 Stunden) am Beispiel der Praxis ZAP*8?

Die monatliche Zahlung ist auf die BAG und nicht auf den einzelnen Zahnarzt ausgerichtet, die Aufteilung erfolgt im Innenverhältnis. Die BAG der ZAP*8 wird ab Januar aus vier Zahnärztinnen bestehen. Nimmt die ZAP*8 noch einen weiteren Zahnarzt auf, können die Kosten innerhalb der BAG effizienter verteilt werden. Über konkrete Zahlen können wir keine Auskünfte geben.

A propos Service- und Dienstleistungen: Welche Unterstützungspakete können die Zahnärzte hinzubuchen?

Die Zahnärzte können im Service- und Dienstleistungsvertrag individuell Unterstützungsleistungen hinzubuchen. Dazu gehören Beratung durch erfahrene Zahnärzte, Coaches und Praxismanager; Unterstützung bei Personalakquise und -entwicklung; Übernahme der Abrechnung sowie weiterer administrativer Leistungen; Digitalisierung/Individualisierung der Praxisprozesse mit zentraler IT inklusive PVS oder Implementieren eines individuellen QM-Systems.

Und was kosten diese Leistungen im Einzelnen?

Die monatliche Summe ergibt sich aus den individuell gewünschten Leistungen. Neben Anzahl und Ausmaß der Leistungen spielen auch Faktoren wie Praxisgröße, Anzahl der Mitarbeiter etc. eine Rolle.

Gibt es eine fest vorgegebene Vertragslaufzeit die Zahnärzte?

Das Konzept der ZPdZ sieht flexible, kurze Vertragslaufzeiten vor, bei denen die Zahnärzte die Option auf vorzeitigen Kauf der Praxis oder auf einen Ausstieg haben. Es geht nicht darum, möglichst viele Praxen im Portfolio zu haben, sondern das erklärte Ziel der ZPdZ ist, den Einstieg in die eigene Praxis zu erleichtern und die Vorteile der Selbstständigkeit erlebbar zu machen, so dass die Zahnärzte die Praxis kaufen möchten. Der Standort Düsseldorf hat diesbezüglich eine Sonderstellung, da er Erkenntnisse aus dem Realbetrieb liefern soll, um das Konzept stetig weiterzuentwickeln. Darüber hinaus wurde er mit volldigitalisierten Praxisprozessen ausgestattet, um zusätzlich als Showroom für Hospitationen zu fungieren.

Gibt es bereits Interessenten für Hospitationen?

Ja, wir hatten mehrere Anfragen dieser Art. Die erste Veranstaltung für potenzielle Existenzgründer und interessierte Zahnärzte inklusive Führung durch die ZAP*8 hat im November stattgefunden. Ab 2020 wird es sowohl für Zahnärzte und Praxispersonal regelmäßig die Möglichkeit zur Hospitation in der ersten Zahnpraxis der Zukunft geben.

Welchen Einfluss haben die Zahnärzte auf Ausstattung und Einrichtung?

Ab dem Zeitpunkt, in dem ein Zahnarzt für eine ZPdZ-Praxis gefunden ist, hat dieser aktiv die Möglichkeit zur Mitgestaltung. Das gilt sowohl für Design und Raumgestaltung als auch für Ausstattung und Geräte. Die Einstellung von Personal und Auswahl von Verbrauchsmaterial liegen gänzlich in der Hand der BAG. Sie sind an kein Depot oder keine Einkaufsgenossenschaft gebunden.

Haben die Zahnärzte ein (Vor-)Kaufsrecht auf die Praxis? Oder sind Praxen wie ZAP*8 als reine Inkubatoren für Generierung niederlassungswilliger Zahnärzte ausgelegt, die anschließend in neuen Räumen – zum Beispiel mithilfe der ZPdZ eine eigene Praxis errichten?

Die ZPdZ-Praxen sind nicht als derartige Inkubatoren gedacht. Ziel ist, junge Zahnärzte von der Arbeit in der eigenen Praxis zu begeistern, so dass sie diese idealerweise komplett übernehmen. Eine Ausnahme ist der Standort Düsseldorf, der als Aushängeschild der ZPdZ konzipiert wurde.

Wie hoch war der Finanzaufwand für dieses Aushängeschild und woher kam das Geld?

Über konkrete Zahlen können wir keine Auskünfte geben. Die Gründungsmitglieder der ZPdZ, die Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG und die Zahnärztliche Abrechnungsgenossenschaft eG, haben im Sinne ihres genossenschaftlichen Auftrags das Projekt bis dato in Eigenregie realisiert, finanzielle Mittel Dritter sind nicht geflossen.

Wurden die Räume gekauft oder gemietet – und wenn gemietet, von wem?

Die Räume wurden gemietet. Bei der Immobilie handelt es sich um das Bürogebäude QuiDUS im linksrheinischen Business Quartier Seestern, das 1975 erbaut und 2015 saniert wurde. Eigentümer ist die Qidus S.à.r.l. / Kriton Immobilien-Service GmbH; dahinter steht der international agierende Immobiliendienstleister L´Etoile Properties.

Die ZPdZ verpachtet die Praxis nach eigenen Angaben zum Selbstkostenpreis. Das Projekt ZPdZ ist also nicht auf Gewinn, sondern auf Kostendeckung ausgelegt.

Das ist korrekt.

Gibt es Partnerschaften für den Aufbau und die Ausstattung der Praxen?

Die ZPdZ ist vertraglich an keine Partnerschaften oder Kooperationen gebunden. Für die Realisierung der ersten Praxis in Düsseldorf wurden seinerzeit die verschiedenen Leistungen ausgeschrieben und auf dieser Basis passende Partner ausgesucht.

Haben diese Partner ihre Leistungen ebenfalls zum Selbstkostenpreis erbracht?

Die ZAP*8 haben wir auf Augenhöhe mit den Partnern aus Industrie und Handel erarbeitet. Diese haben uns hier im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten unterstützt.

Sind weitere Praxen geplant?

Die ZPdZ hat es sich auch zur Aufgabe gemacht, bei der Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung in ländlichen Regionen zu unterstützen. Darum ist momentan ein zweiter Standort in einer kleineren Gemeinde in Niedersachsen in der Konzeption. Hierzu wurden erste Gespräche mit Interessenten geführt, allerdings haben wir noch keine finale Entscheidung getroffen. Aktuell melden sich viele Zahnärzte aus verschiedensten Regionen bei uns. Hier wird geprüft, inwieweit wir im weiteren Verlauf des Projekts zusammenkommen können.

Die Fragen stellte Marius Giessmann.

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